27. April 2016 2 Likes 1

Groundhog Day

„The First Avenger: Civil War“ ist Marvels Version von DCs „Batman v Superman“ – oder umgekehrt

Lesezeit: 5 min.

Filme spiegeln die Zeit wieder in denen sie entstehen, egal ob es sich um Historienfilme, zeitgenössische Dramen oder um Superhelden-Blockbuster handelt. Dennoch überrascht es, wie ähnlich, ja geradezu identisch die konkurrierenden Superhelden-Megafilme sind, die binnen vier Wochen starten: Gerade noch im Kino ist „Batman v Superman“, der ein Duell der beiden Helden inszenierte, um nach den Kosten zu fragen, die durch den Einsatz für die (vermeintlich) richtige Sache entstehen können: Collateral Damage gab es zwar schon immer, doch Relevanz hat dieser Begriff erst bekommen, seit die Folgen von Militäreinsätzen für die Zivilbevölkerung – von Afghanistan bis Irak – zunehmend hinterfragt werden. Und da das Superhelden-Kino beim Versuch, die Exzess-Spirale immer weiter zu drehen, sich in den letzten Jahren in immer absurdere Zerstörungsorgien hineingesteigert hat, denen ganze Metropolen zum Opfer fielen, liegt es Nahe, dass diese Frage auch in fiktiven Universen gestellt wird.

Wie schon Warner/DCs „BvS“ beginnt auch Disney/Marvels „The First Avenger: Civil War“ mit dem Nachdenken über Zerstörung: Die Ereignisse von „Avengers: Age of Ultron“ sind noch nicht vergessen, da gerät ein Einsatz der Avengers in Lagos außer Kontrolle und tötet unbeteiligte Zivilisten. Als Konsequenz legt die UNO dem Superhelden-Team einen Vertragsentwurf vor: Die „Sokovia-Vereinbarung“ soll die Avengers an die Leine legen. Während Iron Man unterschreiben will, lehnt Captain America den Vorschlag strikt ab: Was ist, fragt er in die Runde, wenn wir eingreifen sollen, den Auftrag jedoch ablehnen, oder, noch schlimmer: eingreifen wollen, aber nicht dürfen, weil Eigeninteressen der UN-Mitglieder dies verhindern? Ziemlich präzise wird hier das grundlegende Problem der internationalen Organisationen beschrieben, aber auch das kaum mögliche Abwägen zwischen der Notwendigkeit militärischer Intervention in bestimmten Krisensituationen und den Folgen eben dieses Eingreifens.

Vertieft wird die Frage auch in „The First Avenger“ nicht, ebenso wenig wie das Anschneiden großer Themen in „BvS“ mehr war als das: ein loses Anreißen komplexer Themen, Bezüge zu Fragen der Gegenwart, die Relevanz und Komplexität oft eher behaupteten, als wirklich erfüllten. Dies gilt für beide Seiten, denn auch wenn allzu viele Kritiker und Fans Marvel-Filme im Gegensatz zu DC-Filmen oft sehr großzügig behandeln sollte man konstatieren, dass auch „The First Avenger“ oft erstaunlich schludrig erzählt ist und damit auch in diesem Aspekt dem DC-Kollegen ähnelt.

Dabei ist die Grundhandlung einfach und stringent: Bei der geplanten Unterzeichnung der Sokovia-Vereinbarung explodiert eine Bombe, als Täter wird der Winter Soldier (Sebastian Stam) ausgemacht. Allein Captain America (Chris Evans) zweifelt an der Schuld seines Jugendfreundes und stellt sich zusammen mit einigen Getreuen gegen die verbleibenden Avengers um Iron Man. Neu im Spiel ist Black Panther (Chadwick Boseman), der auf eigene Faust Jagd auf den Winter Soldier macht, der auch für den Tod seines Vaters verantwortlich zu sein scheint. Und dann ist da noch der finstere Helmut Zemo (Daniel Brühl), der bei den Ereignissen von Sokovia ebenfalls seine Familie verloren hat und auf Rache sinnt. Wenn später auch noch Iron Man (Robert Downey Jr.) erfährt, wer seine Mutter (die überraschenderweise nicht Martha heißt…) getötet hat, dann wird auch dem letzten klar, dass es hier um das Verlangen nach Rache und Vergeltung geht, eine Emotion, die nicht nur beliebtes Motiv im Kino ist (ohne die etwa kein Tarantino-Film mehr auskommt), sondern die auch allzu oft die Politik der Großmächte bestimmt.

Es überrascht also nicht wirklich, wie ähnlich sich „BvS“ und „The First Avenger“ im Kern sind, doch die Parallelen bestehen auch auf anderen Ebenen: Das schludrige Erzählen, bei dem der Plot weniger einer gewissen Logik folgt, sondern Dinge passieren, weil sie eben passieren müssen, damit die Geschichte weitergeht, ist heutzutage im Blockbuster-Kino bedauerlicherweise Standard. Während „BvS“ diesbezüglich zwar unerreicht bleibt, erzählt auch „The First Avengers“ bisweilen bemerkenswert holprig. Besonders auffällig etwa zwei Szenen, die besonders einem deutschen Publikum auffallen: Da wird einmal groß „Bukarest“ eingeblendet, so als würde das Folgende in der rumänischen Hauptstadt spielen. 30 Sekunden später hört Captain America über Funk jedoch die Durchsage „Die deutsche Polizei hat das Haus umstellt“ um anschließend die Gegend um das Internationale Kongress-Zentrum Berlins in Schutt und Asche zu legen. Warum sind wir nun in der deutschen Hauptstadt, fragt man sich verwirrt, zumal ein paar Minuten später dann eine große Einblendung „Berlin“ verkündet, der Film nun also offenbar wirklich in Berlin spielt.

Bei ihrer Flucht aus Berlin geraten die Avengers dann auf einen Flughafen, von dem man logischerweise annimmt, es sei der Berliner, auch wenn er offensichtlich auf dem (bemerkenswert menschenleeren) Flughafen Leipzig/ Halle gedreht wurde. Und auch wenn auf unzähligen Schildern Leipzig/Halle zu erkennen ist und später William Hurts Außenminister Thaddeus Ross explizit die „Ereignisse von Leipzig“ erwähnt, schrieben viele amerikanische Kritiker hier vom Flughafen Berlin.

Das soll nun nicht kleinkariert wirken, sondern nur zeigen, wie schlampig auch dieser Superhelden-Film geplottet ist, was aber letztlich, leider, herzlich egal ist. Black Panther wird ebenso aus dem Nichts eingeführt wie der neue Spider-Man Tom Holland oder im benachbarten „BvS“ Wonder Woman. Die Motivation von Helmut Zemo ist nur geringfügig nachvollziehbarer als die des aktuellen Lex Luthors (die am Ende beide in angeblichen Hochsicherheitsgefängnissen darben, aus denen sie bei Fortsetzungsbedarf fraglos ausbrechen oder befreit werden), die spannenden Fragen, die beide Filme im Ansatz stellen, werden am Ende nonchalant ignoriert, denn es geht um wichtigeres: Das Feld für Fortsetzungen bereiten.

Oberflächlich betrachtet ist „The First Avenger: Civil War“ fraglos der bessere Film als „Batman v Superman“, ist runder, geschlossener, macht weniger eklatante Fehler, schwingt sich aber auch nicht in solche Höhen auf wie der gerade visuell viel gewagtere Zach Snyder-Exzess. All dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese beiden Konkurrenzprodukte sich auf bemerkenswerte Weise ähneln und zwei Seiten derselben Medaille sind. Dass ist zwar purer Zufall, aber doch bezeichnend für den Zustand des Blockbuster-Superhelden-Kinos, das sich im Bemühen, vielfältigen, sich oft widersprechenden kommerziellen, filmischen und Markeiting-Ansprüchen zu genügen, nur noch in engen Bahnen bewegen kann.

„The First Avenger: Civil War“ startet am 28. April in den Kinos.

Abb. © Walt Disney Company

The First Avenger: Civil War • USA 2016 • Regie: Anthony & Joe Russo • Darsteller: Chris Evans, Robert Downey Jr., Scarlett Johansson, Sebastian Stan, Anthony Mackie, Don Cheadle, Jeremy Renner, Chadwick Boseman, Paul Bettany, Elizabeth Olsen, Paul Rudd, Tom Holland, Daniel Brühl, Marisa Tomei, Martin Freeman, William Hurt

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