14. Dezember 2023

Kings unkillbare Killer-Kinder: „Kinder des Zorns“

Drittklassiger Film mit erstklassigem Mädchen

Lesezeit: 4 min.

Man muss schon fast lachen: Selbst der so ungemein fantasievolle Horrorpapst Stephen King (im Shop) wird wohl nicht damit gerechnet haben, dass seiner erstmals 1977 veröffentlichten, rund 60-seitigen Kurzgeschichte „Children of the Corn“, im Deutschen zu „Kinder des Zorns“ banalisiert, eines Tages ein Horrorfilmfranchise entspringen würde, die mittlerweile aus 11 (!) Filmen besteht. Das Sonderbare daran: Fritz Kierschs erste Adaption des Stoffs, die Anfang März 1984 in den US-Kinos anlief, war eher mäßig erfolgreich und hinterließ, anders als zum Beispiel Wes Cravens nur wenige Monate später veröffentlichter Superhit „Nightmare – Mörderische Träume“, kaum popkulturelle Spuren. Dennoch: Mittlerweile existieren acht Fortsetzungen, von denen sieben direkt für die Videotheken gedreht wurden, und ein TV-Remake.

Beim nun vorliegenden Film handelt es sich sowohl um ein Prequel als auch um ein Reboot und um den ersten Beitrag seit „Tödliche Ernte – Kindes der Zorns II“ (1992), der wieder ins Kino kommt. Die Frage, die sich beim Abspann stellt, lautet: Warum? Weil seit einiger Zeit junge Menschen (Letzte Generation, Fridays for Future, Generation Y…) gegen die Alten aufbegehren? Hat da irgendein verwirrtes Marketing-Hirn Zusammenhänge gesehen? An der Qualität des Films kann’s jedenfalls nicht gelegen haben, denn der entpuppt sich als etwas unterhaltsamer als andere Horrorware, die diesen Monat ins Kino gepumpt wird (große, sehr große Warnung vor „Queen Mary“ und „Baghead“!), ist aber dennoch nicht mehr als kostengünstig produzierter, uralter Wein in von Maden zerfressenen Schläuchen. Kings unkillbare Killer-Kinder killen halt mal wieder.

Enttäuschend ist das trotzdem, da ein Umstand ein wenig hellhörig hat werden lassen: Für Regie und Drehbuch zeichnet nämlich Kurt Wimmer verantwortlich, und bei Wimmer handelt es sich um niemanden, der mit Horror in Verbindung gebracht wird, sondern um jemanden, der sich einen Namen mit actionlastigen Filmen gemacht hatte. So besteht sein schmales Regie-Werk aus der knackigen Macho-Nummer „One Tough Bastard“ (1995), dem ziemlich einzigartigen Science-Fiction-Reißer „Equilibirium“ (2002) und dem von der Produktionsfirma durch den Fleischwolf gedrehten, aber dennoch sehenswerten Milla-Jovovich-Denkmal „Ultraviolet“ (2006). Die Drehbuch-only-Credits sind ebenso nennenswert: „Street Kings“ (2008), „Gesetz der Rache“ (2009), „Salt“ (2010), „Total Recall“ (2012). Keine Werkverzeichnis also, in das „Kinder des Zorns“ reinpasst, was im Vorfeld natürlich für Neugierde gesorgt hatte. Es wundert dann kaum, dass Wimmers Maisfeld-Horror null gruselig, sondern eher ein „Belagerungsfilm“ ist, der auf Schauwerte der splatterigen Art setzt und schließlich in eine rasantes Creature Feature mündet, bei dem von weitem James Camerons „Alien – Die Rückkehr“ (1986) winkt. Eine leichte Änderung der Marschrichtung also, irgendwie originell oder gar gut ist das Ergebnis aber leider trotzdem nicht ausgefallen.

Die Handlung spielt in der Kleinstadt Rylestone, die eher wie ein lose Zusammenstellung von verschiedenen Sets denn wie eine Kleinstadt wirkt: Die Beendigung einer Geiselnahme im Kinderheim, bei der ein Jugendlicher alle Erwachsenen des Heims getötet hatte, geht schief, da der Sheriff ein Betäubungsgas ins Gebäude leitet, um den Täter zu fassen. Dabei sterben alle Kinder. Ein paar Wochen später stellt Mikrobiologie-Studentin Boleyn eine Pilzerkrankung der Maisfelder Rylestones fest, die durch genveränderte Düngemittel verursacht wurde. Der Pilz macht nicht nur krank und erzeugt Halluzinationen, sondern sorgt für eine Missernte und somit für schlechte Stimmung im Ort. Statt aber die Ursachen zu bekämpfen, beschließen die Erwachsenen den Mais zu vernichten, um Subventionen zu kassieren. Das wollen die Kinder und Jugendlichen verhindern. Boylen plant gar mit Hilfe einer Reporterin die Sache mit dem Düngemittel publik zu machen. Doch es erwacht etwas in den Maisfeldern, das die Kids in seinen Bann zieht und aus Eden, der Schwester des damaligen Geiselnehmers, die Anführerin eines Kults macht, der alle Erwachsenen töten will …

„Kinder des Zorns“ reißt anfangs Themen wie Missbrauch oder Umweltverschmutzung an, interessiert sich dann aber nicht weiter dafür, sobald Eden in den Mittelpunkt des Geschehens rückt. Das ist einerseits bedauerlich, anderseits kann man es aber durchaus ein wenig nachvollziehen. Eden wird gespielt von der zum Zeitpunkt 12-jährigen Kate Moyer, die zuvor in Kleinstrollen wie in einer Episode von „The Handmaid’s Tale: Der Report der Magd“ zu sehen war, und hier ganz groß auftrumpft: Das Mädchen ist das Ass im Ärmel des Films. Moyer klatscht als punkig-psychopathische, ultrabrutale Killer-Pippi-Langstrumpf mit Gefrierschrank-Blick den kompletten restlichen Cast regelrecht an die Wand und das weiß Wimmer, der das Mädchen immer wieder in effektiven Bildern voller spürbarer Bewunderung in Szene setzt. Man kann nur hoffen, dass die Eltern ihr Kind nie beim genießerisch-sadistischen Augenrausreißen im fertigen Film sehen mussten! Moyers beängstigend einsatzfreudige Performance reißt immerhin so sehr mit, dass die Zeit deutlich schneller vergeht, als sie angesichts des nicht besonders schlüssigen Drehbuchs, das vor allem artig nach Zahlen malt, vergehen sollte und es zudem nicht ganz so sehr schmerzt, dass Winner in der letzten halben Stunde deutlich zu erkennen gibt, dass er von Horror so gar keinen Schimmer hat. Das zentrale Mysterium des Franchise – eine Art Dämon im Maisfeld – wird nämlich sichtbar gemacht! Und sieht dann noch aus wie ein großer, hässlicher und schwer gestörter Bruder von Groot von den „Guardians Of The Galaxy“.

Also: Drittklassiger Film, erstklassiges Mädchen. Das Haus sollte man wegen ihr aber trotzdem nicht verlassen – und schon gar nicht bei diesen Temperaturen.

Kinder des Zorns“ (USA 2020) • Regisseur: Kurt Wimmer • Darsteller: Elena Kampouris, Kate Moyer, Alyla Browne, Connor Burke, Trey Daniels, Luke Dean, Mike Duncan • ab 14.12.23 im Kino

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