25. November 2018 1 Likes

Liebe in der Zukunft

Frau unter Einfluss: Schafft Zoe den Matching-Test?

Lesezeit: 4 min.

Man muss sich Drake Doremus als einen echten Romantiker mit den allerbesten Absichten vorstellen. Seit seinem Debüt Moonpie von 2006 widmet er sich bevorzugt den Irrungen und Wirrungen des modernen Liebeslebens – gerne auch vor dem Hintergrund futuristischer Szenarien wie in der sehr soliden Dystopie-Romanze Equals (2015) mit Kristen Stewart und Nicholas Holt. In seinen Filmen gibt es trotz der offen gesellschaftskritischen Kontexte keinen Zynismus. Wenn dieser Mann eine Botschaft hat, dann lautet sie: Die Liebe siegt.

In Doremus‘ neuestem Emotionsreigen schickt er nun Ewan McGregor und Spectre-Bond-Lady Léa Seydoux in den Turtel-Tanz. Die von dem Schotten und der Französin dargestellten Cole und Zoe arbeiten für einen Dienstleister, der sich allen Aspekten der kommerziellen Beziehungsanbahnung, -bewertung und -erhaltung verschrieben hat: Von elaborierten Matching-Tests nach dem Vorbild von Parship, Elite Partner & Co. bis hin zu pharmakologischem Enhancement zwischenmenschlicher Bindungen wird bei „Relationist“ alles angeboten, was das Herz des modernen, optimierungssüchtigen Großstädters auf der Suche nach emotionaler Beständigkeit begehrt. Zoe entwickelt die computergestützten Algorithmen für die ausgeklügelten Partnerschaftstests, Cole widmet sich als Ingenieur dem neuesten Clou im Portfolio des Glücksanbieters: Lebensechte Roboter als dauerhaft treue Lebenspartner für einsame Herzen. Doch trotz ihrer Expertise auf dem Gebiet des Zwischenmenschlichen sind die beiden Beziehungsarbeiter einsam; während Cole nach getaner Arbeit in seiner Single-Bude Platten hört und Weißwein trinkt, sitzt Zoe mit trauriger Schnute allein am Bar-Tresen und nippt an ihrem Roten. Und Doremus wäre nicht der Regisseur, der er ist, wenn die beiden sich nicht ineinander verlieben würden. Und wenn das Ganze problemlos bleiben würde. Denn …

Achtung, Spoiler!

… natürlich ist Zoe der brandneue Prototyp jener attraktiven Androiden, die Cole bei Relationist herstellt. Das wird jedoch erst nach etwa zwanzig Minuten klar – und tatsächlich als Twist präsentiert, der jedoch so weit im Voraus gefaxt wird, dass sich die Spoilerwarnung eigentlich erübrigt. Geschenkt. Zoe, der Film, hat ganz andere Probleme. Und die beginnen mit der großen Diskrepanz zwischen der Vielfalt an vermeintlichen profunden Ideen, die Doremus in seinem Film behandeln möchte, und der Umsetzung auf Story-Ebene. Wer sich im SF-Kontext mit KI beschäftigt, betritt ein weites Feld, das in allen Ausformungen des Genres bereits mehrfach meisterhaft bestellt wurde. Leider fällt dem Film nicht viel mehr ein, als die gängigen Fragen des Subgenres – Was ist real? Haben Roboter Gefühle? Träumen Androiden von elektrischen Schafen? – in müden expositorischen Dialogen immer wieder zu zitieren. Dramaturgisch wird daraus dann kein Schuh: Doremus‘ potenziell reizvolles Liebesdrama mit SF-Spin folgt stupide der klassischen Romantic-Dramaturgie aus Anbahnung, Trennung und Wiedervereinigung. Dabei spielt es kaum eine Rolle, dass Zoe ein künstlicher Mensch ist – auch wenn immer wieder das Gegenteil behauptet wird.


Quelle: DVD/Blu-ray Titel Zoe, Constantin Film.

Das wäre ja sogar erträglich, wenn sich das Drehbuch die Mühe geben würde, die Anziehung zwischen den beiden Protagonisten durch mehr zu unterfüttern als ihre reine Attraktivität. Doch außer viel Oberfläche hat dieser Teil des Films nicht viel zu bieten: McGregor und Seydoux sind zuckersüß zusammen, das wird von der ersten Sekunde an klar. Ultrageschmackvolle Pastell-Ästhetik, slick improvisiertes Geturtel wahlweise im Kerzen-, Mond- oder Gegenlicht, dazu ein ohrenbetäubend smoother Dream-Pop-Score – das muss Liebe sein, oder? Oder?? Wenn dann der Punkt kommt, an dem die beiden sich (zweiter Akt) entfremden, erfolgt diese Entwicklung (zumindest konsequent) genauso unglaubwürdig. Cole wird plötzlich bewusst, dass er sich mit einem Roboter eingelassen hat. Ein echter Schock für den Ingenieur, dessen Kreation sogar von innen wunderschön sepiafarben glimmert und glüht. Dann wird aus Zoe kurz ein futuristisch überhöhtes Drogendrama (McGregor trägt Trainspotting-Buzzcut), bevor sich die beiden Königskinder wieder kriegen. Happy End.


Quelle: DVD/Blu-ray Titel Zoe, Constantin Film.

Die filmische Referenz liegt auf der Hand: Gewollt oder ungewollt erinnert Zoe massiv an Spike Jonzes Her (2013) mit Joaquin Phoenix und der Stimme von Scarlett Johansson. Von den weichen Farben des Produktionsdesigns über den Drei-Buchstaben-Titel bis hin zu den vielfältigen Problemen der Liebesbeziehung zwischen Mensch und KI findet sich hier einiges wieder, was Jonzes kleines Meisterwerk so außergewöhnlich macht. Der wesentliche Unterschied steckt im Drehbuch: Während Jonze in seinem Script eben dem Sujet angemessen und davon inspiriert den Weg des größten Widerstandes geht und seine körperlosen Betriebssysteme am Ende eine Revolution anzetteln lässt, bleibt den künstlichen Wesen aus Doremus‘ faulem Film nur der schlurfende Gang in Melancholie und Selbstmord. Aber auch das ist nicht mehr als ein kleines Hindernis, welches auf dem Weg zur großen emotionalen Klimax überwunden werden muss. Und auch wird.

Zoe hat außer ein paar engagierten Hauptdarstellern, schönen Bildern, verschenkten Potenzialen und sentimentalen Platitüden nicht viel zu bieten. Als herausfordernde SF bleibt der Film genauso unter seinen Möglichkeiten wie als Liebesgeschichte. In beiden Fällen wird viel behauptet, aber kaum etwas eingelöst. Oberfläche statt Analyse, Schema statt Innovation, Soap statt Kino. Genau wie die titelgebende Protagonistin ist auch Zoe, der Film, vor allem eins: eine Simulation.

„Zoe“ ist seit dem 8. November auf Blu-ray und DVD sowie als VOD erhältlich. Alle Abb. Quelle: DVD/Blu-ray Titel Zoe, Constantin Film.

Zoe • USA 2018 • Regie: Drake Doremus • Darsteller: Ewan McGregor, Léa Seydoux, Christina Aguilera, Theo James, Rashida Jones, Miranda Otto

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