27. Oktober 2021

„Life’s a Glitch with Julien Bam“ - YouTube bei Netflix

Eine erstaunlich unterhaltsame Serie mit einem Internet-Star

Lesezeit: 3 min.

Es muss schon hart sein, wenn man mit Ende 20 mehrere Burnouts hinter sich hat und zu alt für das Medium ist, mit dem man erfolgreich geworden ist. So muss es dem Youtuber gegangen sein, der sich Julien Bam nennt – bürgerlicher Name: Julien Zheng Zheng Kho Budorovits – und Anfang 2012 begann, Videos ins Internet zu stellen. Einigen Erfolg hatte mit mit seinen Parodien und Tanzvideos, doch Ende 2019 schloss er seinen erfolgreichen Youtube-Kanal.

Wie manch andere Youtuber versuchte er umzusatteln, seinen Erfolg, also seine Follower, in einen anderen Kanal mitzunehmen, was in seinem Fall nicht gleich das Kino bedeutet, sondern Netflix. Dort läuft nun die vierteilige Serie „Life’s a Glitch with Julien Bam“, inszeniert von Bams Bruder Shawn Bu, der vor einigen Jahren den ziemlich spektakulären Star Wars-Fan-Film „Darth Maul Aprrentice“ gedreht hat (https://www.youtube.com/watch?v=Djo_91jN3Pk).

Hier nun spielt Bam eine Variante seiner selbst, also einen erfolgreichen Youtuber, der ein wenig des Erfolgs müde ist. Nach einer Preisverleihung fährt er mit seinem Sidekick Joon Kim (Joon Kim) gegen einen Antennenmast und landet in einem Paralleluniversum. Dort ist Joon der erfolgreiche, ist als J$$N Gangsterrapper, während Bam erfolglos ist und Taxi fährt.

Das Ziel ist nun nicht nur jedem „Zurück in die Zukunft“-Kenner klar: Nach Hause kommen, ein Plan, der natürlich leichter gesagt als durchzuführen ist. Zum Glück gibt es jedoch eine Quantenphysikerin namens Lia (Safira Robens), die über die Existenz paralleler Welten forscht und dem Duo helfen kann.


Die Quantenphysikerin und der Star

Beginnt man „Life’s a Glitch with Julien Bam“ ohne Vorwissen zu schauen, als über 40jähriger Mensch, der ganz gewiss nicht zur Zielgruppe von Julien Bams Youtube-Kanal ist, der ohnehin diese ganzen Youtube-Spielereien, das Kommentieren von anderen Youtube-Videos, nicht zuletzt die Sprache der Jugend und jungen Erwachsenen wenn überhaupt nur aus der Ferne kennt, ist man zunächst irritiert. Wie reden die da? Ist das tatsächlich ernst gemeint oder doch eine Parodie?

Man könnte nun leicht in Ergüsse über den kulturellen Verfall abdriften, man kann aber auch einfach weiterschauen, was Bam und Kollegen da so erzählen und muss feststellen, dass die insgesamt gut zweistündige Serie erstaunlichen Witz entwickelt.

Durchaus pointiert werden Klischees ironisiert, von erfolgreichen Youtubern und ihren derangierten Fans, über den Attitüden von Möchtegern-Gangster-Rappern bis hin zu Mittelalterfans (!) bekommen viele Gruppen ihr Fett weg, und Bam und Kim erweisen sich als bemerkenswert souveräne Akteure. Man will nicht unbedingt sagen Schauspieler, schließlich agieren sie hier nur mehr als Variationen ihrer selbst, doch jahrelange Präsenz vor der Kamera haben doch zu einer gewissen Lässigkeit geführt.

Wer jedoch schauspielerisch herausragt ist Madieu Ulbrich, der als Bams Konkurrent Diego brilliert und eine wunderbare Parodie eines betont toughen Gangsterrappers abliefert, der jedoch ein überraschendes Faible für Quantenmechanik hat. Zu sehen wie er mit „Wallahs“ oder „Ich feier Dichs“ um sich schmeißt, später gar als König der Mittelalter-Cosplayers das Schwert führt, macht viel Spaß und trägt dazu bei „Life’s a Glitch with Julien Bam“ zu einem kurzweiligen Vergnügen zu machen, das nicht zuletzt Außenstehenden interessante, ja, soziologische Einblicke in die Weiten der zeitgenössischen Jugendkultur liefert.

Life’s a Glitch with Julien Bam • Regie: Shawn Bu • Darsteller: Julien Bam, Joon Kim, Safira Robens, Madieu Ulbrich • vier Episoden, jetzt bei Netflix

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