14. Dezember 2016 1 Likes

Mal wieder ein guter King

„11.22.63“ - Zurück in die Vergangenheit

Lesezeit: 4 min.

Mit Stephen-King-Adaptionen ist es immer ein bisschen problematisch: So toll die Bücher auch sind, bei den Film- oder Serienverwurstungen verhält es sich ein wenig wie bei den Überraschungseiern, nur dass man nicht wirklich die Hoffnung haben kann, dass jede siebte gelungen ist, oftmals dauert es noch wesentlich länger bis mal wieder eine King-Adaption reinpurzelt, der man tatsächlich seinen Segen geben kann. Und so war auch bei „11.22.63“, die TV-Mini-Serie basiert auf den gleichnamigen Bestseller (deutscher Titel: „Der Anschlag“; im Shop), berechtigte Skepsis angebracht: Würde man es schaffen den 1056-Seiten-Ziegelstein in angemessener Form auf den Fernsehschirm zu bröseln? Gleich vorweg: Jau, Mission erfolgreich erfüllt, Showrunner Bridget Carpenter, eine ehemalige Theaterautorin, die im Hollywood-Zirkus vor allem mit „Friday Night Lights“ (2006-2011) auf sich aufmerksam machte, hat den Stoff überraschend gut in den Griff gekriegt, indem sie eben nicht - generell ein klassischer Fehler vieler Buchkonvertierungen - sklavisch an jeder Seite hing, sondern ihren eigenen Weg verfolgte, eine alternative Fassung von „11.22.63“ bastelte, weswegen ein Buch-/Serienvergleich auch überflüssig ist, denn die Unterschiede sind zum Teil sehr groß, es heißt in den Credits folgerichtig auch einschränkend „based on the novel by Stephen King“. 

Erzählt wird die Geschichte von Jake Epping, einem geschiedenen Englischlehrer in einer nur vage herausgearbeiteten Lebenskrise, der eines Tages von einem geheimen Zeitportal in der Besenkamer (!) seines Lieblingsdinners erfährt, die einen exakt zum 21.10.1960, 11:58 Uhr zurückversetzt. Dabei ist es egal, wie lange man in der Vergangenheit lustwandelt, in der Gegenwart vergehen stets nur zwei Minuten. Al Templeton der Chef des Dinners und Entdecker des Zeitportals versucht schon seit einiger Zeit das Attentat auf John F. Kennedy zu verhindern, allerdings ist er todkrank und bittet darum Jake die Mission zu übernehmen. Der willigt ein, wie genreerfahrene Zuschauer aber wissen, bringen Zeitreisen so manche Probleme mit sich und so gerät auch Jake in allerlei Irrungen und Wirrungen…

Dass der Diner-Besenkamer-Zeitportal-Aufhänger ganz schön absurd ist, scheint auch den Machern bewusst zu sein, denn sonderlich vertieft wird da nichts, vielmehr mutiert die Geschichte schnell zum Politthriller mit leichtem Fantasy-Einschlag auf Basis einer der beliebten „Was wäre wenn….?“-Fragen (siehe zum Beispiel auch „The Man In The High Castle“). Das ist nicht immer atemberaubend spannend, so kommt es auch hier zum bei TV-Serien leider allzu oft vorkommenden Downer in Form eines etwas arg ausgewalzten Liebesgeplänkels, allerdings aber immer unterhaltsam (über die Logik wischen wir jetzt einfach mal weg, hey, Zeitreisegeschichte halt…). Verantwortlich dafür sind zwei Gründe: „11.22.63“ ist der Vorstoß des VOD-Anbieters Hulu in Sachen Premium-Content Titanen wie HBO den Thron madig zu machen und dementsprechend wird unter anderem mit Unterstützung von Entertainment-Papst J.J.Abrams und Meister King fett aufgetischt, sprich die Serie ist bestens ausgestattet. Die 1960er-Jahren werden dank allerlei Details, egal ob Frisuren, Autos oder Wohnungseinrichtungen mit besten „Mad Men“-Vibe zum Leben erweckt: Sieht immer ein wenig nach Katalog aus, macht aber trotzdem schwer was her. Dennoch verliert man sich aber nicht in „Früher war alles besser“-Nostalgie, so werden auch die allerhand unangenehmen Auswüchse wie Rassentrennung zumindestens am Rande gestreift, was den aufgefächerten Kosmos ungemein lebendig wirken lässt. Es macht, auch wenn der Puls gerade Pause hat, einfach Spaß zuzusehen, woran weiterhin ebenso die gelungene Besetzung ihren Anteil hat: Der häufig – wahlweise ganz leicht verschlafen oder verkifft wirkende (was jetzt keinesfalls negativ gemeint ist, sondern vielmehr Teil seines speziellen Charmes ist) – James Franco, der nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern auf den der Fokus voll und ganz gerichtet ist, der Mann stemmt die Serie, stellt mit einer wunderbar sympathischen, angenehm uneitlen, natürlichen Vorstellung erneut unter Beweis, dass er zum leading man geboren ist. Die restliche Besetzung (unter anderem Sarah Gadon, George MacKay und Chris Cooper) gibt sich keine Blöße, als echte Überraschung entpuppt sich aber Josh Duhamel: Man glaubt nicht, wie intensiv und wirklich Furcht einflößend der bisher unauffällige „Transformers“-Langweiler aufspielen kann, wenn man ihm die Gelegenheit dazu gibt.

Natürlich, wie bereits angesprochen sollte man sich über den großen Sinn bei „11.22.63“ nicht allzu intensiv die Hirse zerdrücken und klar, es gibt ein paar kleinere narrative Makel (wieso zum Beispiel Jake Epping, der ein Zeitreiseportal in der Besenkammer eines Diners verblüffend schnell akzeptiert, sich überhaupt Hals über Kopf in das nicht ganz ungefährliche Abenteuer stürzt, ist nicht unbedingt nachvollziehbar, für einen Mann, der vermeintlich am Boden ist, macht er einen verhältnismäßig ausgeglichen Eindruck und es wird auch überdeutlich, dass er seinen Job nicht ungern macht), aber die Serie hat nun mal auch die geschilderten Stärken, die eben voll und ganz ausgespielt werden und den Zuschauer federleicht über die 439-Minuten-Ziellinie tragen.

„11.22.63“ ist seit dem 10.11.2016 von Warner auf DVD und Blu-ray erhältlich.

11.22.63(USA 2016) • Darsteller: James Franco, Sarah Gadon, George MacKay, Chris Cooper, Cherry Jones, Daniel Webber, Kevin J. O’Connor, Lucy Fry

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