Meta ist auch keine Lösung
Marvel versucht es in „Deadpool“ auf die ganz harte Tour
Ja, der Erfolg an der Kinokasse ist immer noch enorm, die Rotten Tomatoes, Meta Critic, Imdb-Ratings und was es sonst noch an Bewertungssystemen gibt, sind gleichbleibend überdurchschnittlich hoch, aber so langsam macht sich selbst bei den größten Fans ein klein wenig Langeweile breit. Zu viele, zu gleichförmige Superhelden-Filme hat es in den letzten Jahren gegeben, zu perfekt hat sich auf der einen Seite die ironische Disney-Marvel-Schiene, auf der anderen die düstere Warner-DC-Variante eingespielt, um noch wirklich zu überraschen.
Mit für Comic-Blockbuster-Superhelden-Filme winzigem Budget von gemutmaßten 40 Millionen Dollar wagt sich Marvel nun an einen der umstrittensten, aber auch beliebtesten Superhelden: Deadpool. Natürlich nicht unter dem Disney, sondern dem Fox-Label, warum, das wird schon nach wenigen Minuten deutlich: Nie hätte es im zwar von exzessiven, ausufernden Action Szenen wimmelnden, aber dennoch klinisch reinen Avengers-Universum so viel Blut, abgetrennte Köpfe und Fäkalsprache gegeben, wie allein in der Eröffnungssequenz von „Deadpool“.
Mit so viel Verve beginnt der Film, dass man fast das schon in diesen Momenten eklatante Problem dieses Ansatzes übersieht: Die bis zum Exzess ausufernde Selbstironie, dass fortwährende selbstreferenzielle Element, bei dem man oft zu spüren meint, wie sich Regisseur Tim Miller und seine Drehbuchautoren Rhett Reese und Paul Wernick vor Begeisterung über ihre Cleverness gegenseitig auf die Schultern klopfen. Ja, das ist bei dieser Figur Programm, das Brechen der „vierten Wand“ Konzept, doch was auf dem Papier funktioniert muss noch lange nicht auf der Leinwand gelingen, zumal sich die Macher dann doch nicht getraut haben, den Ansatz konsequent durchzuziehen.
Im Kern ist „Deadpool“ nämlich nichts anderes als eine klassische Origin-Story, in der breit erzählt wird, wie aus dem zynischen Arschloch Wade Wilson das zynische Arschloch Deadpool wird, der praktisch unverwundbar und unsterblich ist. Über weite Strecken inszeniert Miller diese Geschichte wie einen Standard-Superheldenfilm, der die Genre übliche Ironie nur gelegentlich ein wenig in Richtung Zynismus treibt. Dabei wird wie so oft vergessen, einen interessanten Gegenspieler zu etablieren (Game of Throne-Alumni Ed Skrein bleibt als Ajax sehr blass) und Frauenfiguren zu erfinden, die mehr als Pinups sind. Doch dies passt in den durchweg infantilen Ton, der Humor vor allem in allerlei Pipi-Kaka-Pimmel-Witzen sucht und nur manchmal findet.
Interessanter sind da schon die selbstreferenziellen Verweise auf die oft durchwachsene Karriere von Hauptdarsteller Ryan Reynolds oder auch die unterschiedlichen Schauspieler des Professor Xaviers. Die besondere Fähigkeit der Comicfigur Deadpool, praktisch hinter die Kulissen seiner eigenen Entstehung zu blicken und diese zu kommentieren, scheint in manchen Momenten auch in der Verfilmung durch, doch so recht traut man dem Braten dann doch nicht. Dass es in „Deadpool“ einmal nicht um die Rettung der Welt oder gar des ganzen Universums geht ist zwar eine sehr willkommene Abwechslung, doch am Ende bewegt sich der Versuch, einen ganz anderen Superhelden-Charakter zu etablieren nicht immer glücklich zwischen exzessiver Gewalt, Fäkalwitzen, Origin-Story und Metaebene.
Deadpool • USA 2016 • Regie: Tim Miller • Darsteller: Ryan Reynolds, Morena Baccarin, Ed Skrein, Gina Carano, T.J. Mills
Abb. © Twentieth Century Fox
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