„Murderbot“: Eine Literaturadaption, die fast alles richtig macht
Unser Freund, der Killerroboter
Wenn es eine TV-Serie gibt, die von der diezukunft.de-Redaktion und von Legionen an weiteren Sci-Fi-Fans mit Hochspannung erwartet wurde, dann ist das wohl „Murderbot“, die Apple TV+ Adaption von Martha Wells’ enorm populärer Reihe aus Novellen, Kurzgeschichten und Romanen um einen neurotischen SecurityUnit-Androiden mit finstererer Vergangenheit (er metzelte aufgrund einer Softwarefehlfunktion einst 57 Minenarbeiter nieder). Der SecUnit genannte Androide hat einen ausgeprägten Hang zum Sarkasmus, ist süchtig nach trashigen Soap-Operas und entdeckt langsam aber sicher seine Zuneigung zu Menschen, obwohl er sie die meiste Zeit eigentlich ziemlich dämlich findet.
Die immense Sogkraft der Geschichten, hierzulande unter „Tagebuch eines Killerbots“, „Der Netzwerkeffekt“, „Übertragungsfehler“ und „Systemkollaps“ (alle im Shop) erschienen, liegt dabei nicht unbedingt in den Plots, sondern in der wohl einzigartigen Perspektive. „Murderbot“ wird aus der Sicht eines Protagonisten erzählt, der in Science-Fiction-Romanen oder Filmen für gewöhnlich nur gesichtslose Randfigur ist, dazu dient, vom Helden über den Haufen geknallt zu werden. Dazu ist es Wells gelungen, die Figur so geschickt zu porträtieren, dass sich den Lesern eine Reihe von Anschlussmöglichkeiten bieten: Das Aussehen wird nur vage beschrieben und die Charakterisierung ist so angelegt, dass sich da wohl viele auf die ein oder andere Art wieder finden werden.
So ist es SecUnit beispielsweise äußerst unangenehm, wenn ihn Menschen direkt ins Gesicht schauen, weswegen er sich am liebsten hinter seinem Helm verschanzt. Es ist jedenfalls kein Wunder, dass sich im Netz zahlreiche Diskussionen über die faszinierende und ungemein einnehmende Figur finden, die verblüffend an Sheldon Cooper aus der Sitcom „The Big Bang Theory“ (2007 - 2019) erinnert. Während die Macher von „The Big Bang Theory“ aber schnell begannen, Cooper auszustellen, über ihn zu lachen, begegnet Wells ihrer Figur fortwährend auf Augenhöhe, taucht – vor allem mittels ständiger innerer Monologe, ein prägnantes Stilmittel der Reihe – tief in die Welt des „Anderen“ ein.
An Internetdiskussionen werden dank der TV-Serie wohl nun noch so einige dazukommen, denn SecUnit wird vom schwedischen Darsteller Alexander Skarsgård gespielt, der in seinem Heimatland fünfmal zum sexiest man und 2009 vom People Magazine gar zu den 100 sexiest men alive gewählt wurde und dementsprechend bis zum heutigen Tag immer mal wieder als Model aktiv ist. Wohl nicht unbedingt ein Darsteller, den man mit einem von einem dubiosen Megakonzern produzierten Androiden als erstes verbinden würde. Aber vielleicht liegt hier ein Meta-Gag der Serie, ein derart geiler Typ wie Skarsgård kann ja wohl nur vom Fließband eines dubiosen Megakonzerns gefallen sein. Wie auch immer: Der ungemein charismatische Schwede erweckt Murderbot mit exzellent ausbalanciertem, perfekt auf dem Punkt gebrachten Schauspiel – nie zu human, nie zu roboterhaft – zu faszinierendem Leben. Das Interessante dabei: Der Uncanny-Valley-Effekt, der eigentlich von so einer Figur ausgeht beziehungsweise von Skarsgårds tollem Schauspiel erzeugt wird, wird durch den Einsatz der inneren, vor trockenen Sarkasmus triefenden Monologe, geschickt torpediert.
Die anderen Figuren wirken da ein wenig wie – allerdings sehr charmante – Staffage. Aber das ist in der ersten Novelle „Systemausfall“ (enthalten in „Tagebuch eines Killerbots“), auf der die Serie basiert, nicht anders – das Geschehen kreist im Kern eben um die Weltwahrnehmung und Entwicklung eines Kunstwesens.
Was in Form eines enorm unterhaltsamen, temporeichen (pro Episode: 20-30 Minuten), actionreichen, Comedy-Thrillers dargereicht wird, der sich – vor allem angesichts Katastrophen jüngerer Zeit wie „The Electric State“ – erfreulicherweise relativ eng an die literarischen Vorlage klammert, der Akzent wurde allerdings deutlich mehr in Richtung Comedy verschoben. Während Wells schlafwandlerisch an der Grenze zwischen ernst und lustig wandelt, verorten die Serienmacher den Stoff deutlicher (unter anderem gibt es Murderbots Lieblings-Soap „The Rise & Fall of Sanctuary Moon“ auszugsweise zu sehen), was nicht durchwegs funktioniert, anderseits schwappt das Ganze aber nie in reinen Klamauk über.
Der vielleicht schönste Gag ist, dass man einer literarischen Reihe um einen fernsehseriensüchtigen Androiden eine Fernsehserie spendiert hat, von der man nicht genug bekommen wird.
Wer die Bücher liebt, wird die Serie lieben und wer die Serie liebt, wird die Bücher lieben.
(Da ist es schön zu hören, dass die Showrunner Paul und Chris Weisz Bock auf mehr haben, jetzt muss nur noch Apple grünes Licht geben.)
Abb. © Apple TV+
Murderbot • USA 2025 • Regie: Toa Fraser, Roseanne Liang, Paul Weitz, Chris Weitz • Darsteller: Alexander Skarsgård, David Dastmalchian, Sabrina Wu, Jennifer Sendaula, Akshay Khanna • Apple TV+
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