2. Juli 2021 2 Likes

„A Quiet Place 2“: Größer, lauter, genauso gut

Die Rückkehr zum stillen Örtchen

Lesezeit: 4 min.

„A Quiet Place Part II“ könnte als Umschreibung aller Kinosäle Deutschlands und der Welt gelten, und als euphemistischer Blickwinkel des zweiten Lockdowns. Gestern war es dann aber so weit, als landesweit die großen Kinoketten öffneten und auch endlich, über ein Jahr nach dem ursprünglichem Zieldatum, „A Quiet Place 2“ in den europäischen Ländnern für die große Masse zugänglich wurde, nachdem er bereits ab dem 24. Juni 2021 in diversen Auto- und Freiluftkinos veröffentlicht wurde. Und wie auch die Pforten der Lichtspielhäuser sich der Welt hin nach öffnen, erweitert auch der einst so intime, gar beschauliche Horrorstreifen die eigenen Horizonte und wächst vom Familiendrama zum Gemeindedrama, ohne dabei jedoch die eigenen Wurzeln – und Stärken – zu vergessen.

Der von John Krasinski geschriebene und dirigierte Film setzt quasi punktgenau an das Ende des Erstlings an und schickt die Überlebenden der Abbott-Familie von der verwüsteten Farm in die weitere Umgebung hinaus, wo sie neben weiteren geräuschempfindlichen Monstern auch mit anderen Überlebenden zu kämpfen haben und auf Verbündete stoßen. Neben Krasinskis Ehefrau Emily Blunt als weibliches Familienoberhaupt Evelyn kehren auch Krasinski selbst, der Superstar des Erstlings, die gehörlose Millicent Simmonds, und Noah Jupe in der Abbott-Formation zurück. Zu den Neulingen der stillen Welt zählen der eigenbrötlerische Emmett (Cillian Murphy) und vielen aus „Gladiator“ bekannte Djimon Hounsou. Während Evelyn verzweifelt versucht, einen neuen Unterschlupf bei einer der anderen Gemeinden, die in „A Quiet Place“ angedeutet wurden, zu finden, macht die taube Regan (Simmonds) mit ihrem Bruder eine weitreichendere Entdeckung. Auf einem Radiokanal läuft der Song „Beyond the Sea“ von Jack Lawrence in Dauerschleife, hinter dem Regan eine versteckte Nachricht vermutet. Und nachdem sich am Ende des Erstlings ihr Hörgerät in Verbindung mit Mikrofonrückkoppelung als Geheimwaffe herausstellte, möchte sie dies im großen Stil über das Radio verbreiten.


Mit der herausragenden Eröffnungssequenz bleibt „A Quiet Place 2“ nicht nur gegenwärtig

„A Quiet Place 2“ macht von Haus aus viele Sachen richtig, die auch den Erstling so stark machten. Etliche der spannungsgeladenen Sequenzen mit den nach wie vor Furcht einflößenden Monstern sind mit einem gekonnten Auge gefilmt und in Szene gesetzt, während sich die Zuschauer in ruhigen, intimeren Momenten von den Strapazen der Monsterjagd erholen können und der wiederkehrenden Streichmusik lauschen. Den klügsten Kniff landet „A Quiet Place 2“ vermutlich allerdings bereits mit der Eröffnung, die nicht nur John Krasinskis Vaterrolle Lee eine wohlverdiente Bühne verschafft, sondern auch in Form eines Rückblickes zum Tag 1 der Katastrophe den starken Kontrast zur stillen Dystopie zeigt – und sogleich den Ursprung der Monster andeutet. Mit seinen brüsken 97 Minuten Laufzeit erinnert der Film an eine vergangene Ära, die heute kaum mehr vorstellbar ist. Es wird keine Sekunde Zeit mit Nichtigkeiten verplempert, beinahe alles trägt zum großen Gesamtbild bei und gibt der Welt Schliff. Bereits der Erstling schaffte es mit wenig Gezeigtem, viel über die Welt und Gepflogenheiten der Abbotts preiszugeben und die Dystopie des stillen Ortes zu zeichnen – und so auch die Fortsetzung. Alle Ideen werden konsequent weitergedacht, von kleinen Anspielungen und Erinnerungen des Erstlings befeuert. Wenn das Debüt der „Quiet Place“ ist, könnte die Fortsetzung auch „A Quiet County“ heißen. Und wenn wir dem Gegebenheiten des Films folgen gar ein dritter „A Quiet State“, „Country“ oder gar „World“? So werden besonders durch Cillian Murphys Rolle die Nachbarkommunen beleuchtet und im Verlauf auch die größere Welt, und welche Schrecklichkeiten der Mensch als Wesen mit sich bringt, im wörtlichen und übertragenen Sinne.

Wo „A Quiet Place 2“ allerdings leicht strauchelt, ist überraschenderweise bei der sonst ausgezeichneten Charakterzeichnung der Figuren. Während die Sprösslinge der Abbotts mehr Scheinwerferlicht abbekommen und auch gute Momente liefern, bleibt bis zum Schlussakt mit Ausnahme von Regan eine Weiterentwicklung aus. Auch Murphys Emmett bleibt unerwartet blass, was gerade im Hinblick der wenigen Figuren der Welt vergeudetes Potenzial zu sein scheint. Emmett wirkt häufig eher wie ein wörtliches Vehikel für Regan, die sich beide viel Zeit auf dem Schirm teilen, während Jupes‘ Noah und Evelyn in anderen Teilen der Geschichte sich das Brot verdienen. Durch diese zwei parallel laufenden Handlungsstränge offenbart sich aber auch der cineastisch und optisch größte Kracher der Films, nämlich die perfekt abgestimmten Schnittwechsel. Alle Scharmützel mit den selektiv-empfindlichen Monstern laufen quasi immer zeitgleich ab, während in Handlungsstrang A eine feurige Explosion in die Gänge gebracht wird und plötzlich in Strang B in einem wundervollen Schnitt anderes Kampfesfeuer brennt. Diese fortlaufenden Juxtapositionen sollten jeden Kamerafreund beglücken und daran erinnern, welche Erlebnisse es meist nur auf der großen Leinwand gibt.

Mit „A Quiet Place 2“ erfindet John Krasinski das Rad in keiner Weise neu, aber rollt es konsequent in der gegebenen Richtung fort. Wer mit dem Erstling nicht warm wurde, wird es garantiert auch nicht mit der Fortsetzung. Aber für alle, die „A Quiet Place“ genießen konnten, bekommt man hier einen ordentlich frischen Nachguss.

„A Quiet Place 2“ ist seit dem 24. Juni 2021 in deutschen Kinos zu sehen.

A Quiet Place 2 • USA 2021 • Regie: John Krasinski • Darsteller: Emily Blunt, John Krasinski, Cillian Murphy, Millicent Simmonds

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