„A Quiet Place: Tag Eins“ - Höher, schneller, weiter, aber leider nicht besser
Der nächste Teil der stillen Reihe beginnt laut, wird dann aber arg leise
Fast immer folgen Fortsetzungen dem Muster des zunehmenden Exzesses, muss es gegen mehr Gegner gehen, mit aufwändigeren Waffen gekämpft werden. Auch die Horror-Thriller-Reihe „A Quiet Place“, die vor sechs Jahren noch so, ja, ruhig, begann, beginnt im dritten Teil (der ein Prequel ist), exzessiver als je zuvor.
Nicht mehr auf dem Land spielt der Film um eine mysteriöse außerirdische Invasion von Kreaturen, die zwar blind, aber extrem lärmsensibel und blutrünstig agieren, sondern in der Metropole New York. Dort lebt die todkranke Samira (Lupita Nyong’o) in einem Hospiz und wartet auf den Tod. Allein die Katze Frodo lässt sie noch nahe an sich ran, von Menschen hat sie genug. Nur mit dem Versprechen auf ein Stück Pizza lässt sich Samira zu einem Ausflug nach Manhattan überreden – der rapide endet, als die Invasion der Kreaturen beginnt. Den ersten Ansturm überlebt Samira, doch als die Regierung die Überlebenden auffordert, sich nach Süden zu bewegen, um dort von Booten gerettet zu werden, macht sich Samira auf den Weg nach Norden. Neben Frodo hat sie noch einen Begleiter, den Engländer Eric (Joseph Quinn), der Anfangs nicht von ihrer Seite weicht und ihren Blick auf das Leben für ein paar letzte Momente verändert.
Größer könnte der Kontrast nicht sein: Begann „A Quiet Place“ mit dem Bild einer typischen amerikanischen Kleinstadtstraße, völlig menschenleer, nur eine Ampel bewegte sich sanft im Wind, zeigt die erste Einstellung des Prequels „A Quiet Place: Tag Eins“ die Hochhausschluchten von New York, wo allein in Manhattan 1,6 Millionen Menschen für einen konstanten Lärmpegel von – wie eine Einblendung informiert – 90 Dezibel sorgen. Mit solchen betonten Kontrasten geht es weiter, die für eine Weile eine ungewöhnliche, originelle Version des nun schon zum dritten Mal variierten Konzepts um lärmsensible außerirdische Kreaturen versprechen, die dann jedoch zunehmend ins Leere läuft.
War vor allem der erste Film betont ruhig, durch die Notwendigkeit zu schweigen, sogar über weite Strecken ein Stummfilm, geht es hier anfangs betont laut zu: Als wäre man in „Independance Day“ schlagen außerirdische Raumschiffe ein, rasen dutzende der Kreaturen durch die Schluchten Manhattans und sorgen für ein atemloses Chaos, das sicher nicht zufällig an den 11. September erinnert, als mit Schutt und Asche bedeckte Gestalten durch die Straßen taumelten, so wie es hier die neue Hauptfigur Samira tut.
Ein starker Beginn, doch danach wird es schnell behäbiger. Arg forciert mutet Samiras Begegnung mit Eric an, der so eine blasse Figur bleibt, dass selbst die Katze Frodo interessanter wirkt. Wenn allerdings eine Katze meist das aufregendste Element in einem vorgeblichen postapokalyptischen Horror-Thriller darstellt, dann stimmt da etwas nicht. Nach ansprechendem, teilweise auch mitreißendem Beginn verliert „A Quiet Place: Tag Eins“ zunehmend den Drive, spult das inzwischen dann auch schon aus drei Filmen bekannte Programm ab: Möglichst leise Proviant oder Medikamente besorgen, die im Kern dann doch eher doofen Kreaturen mit bewusst gesteuertem Lärm ablenken und vor allem schneller Rennen als die Aliens. Der Versuch, die Perspektive zu ändern, nicht mehr der von Emily Blunt gespielten Mutter und ihren Kindern beim Überleben zu folgen (das passiert dann im voraussichtlich nächsten Jahr ins Kino kommenden Sequel) wird von Michael Sarnoski am Ende nur halbherzig umgesetzt. Was anfangs wie eine willkommene Exzess-Steigerung mit mehr Außerirdischen, mehr Menschen, mehr Horror wirkte, wechselt dann bald doch wieder in sehr ruhige, schweigsame Gefilde, die aber nie die schier atemlose Spannung erreichen, wie es im ersten Film gelang. Am Ende wirkt „A Quiet Place: Tag Eins“ dadurch etwas halbgar, schafft es nur in Ansätzen, das Franchise in neue, originelle Richtungen zu führen und wärmt stattdessen bald die bekannten Muster einfach noch einmal auf.
A Quiet Place: Tag Eins • USA 2024 • Regie: Michael Sarnoski • Darsteller: Lupita Nyong’o, Joseph Quinn, Alex Wolff • ab 27. Juni im Kino
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