19. September 2020 1

„Raised by Wolves“ - Hilfe, mein Papa ist ein Android!

Warnung und Versprechen: Dies ist eine Serie von Ridley Scott

Lesezeit: 3 min.

Wikipedia verrät: „Als Wolfskinder werden Kinder bezeichnet, die in jungen Jahren eine Zeit lang isoliert von anderen Menschen aufwuchsen und sich deshalb in ihrem erlernten Verhalten von normal sozialisierten Kindern unterscheiden.“ Doch was wäre, wenn diese Wolfskinder, die auf einem unwirtlichen Stern namens Keplar-22b aufwachsen, erst als Sechslinge, später nur noch eins namens Campion (Winta McGrath), nicht von Menschen aufgezogen werden, sondern von zwei Androiden, die sich Vater (Abubakar Salim) und Mutter (Amanda Collin) nennen? Und was, wenn die Welt von „normal sozialisierten Kindern“ eine Welt ist, die von religiösem Fanatismus geprägt ist, in der das Gros der Menschen an einen Gott namens Sol glaubt, die Kriegerkaste dieser Welt gleichzeitig Laserwaffen trägt, aber auch Umhänge und Helme, die aus dem Kostümfundus des Kreuzfahrerdramas „Kingdom of Heaven“ zu stammen scheinen? Und übrigens gerade dabei sind, die Erde zu vernichten?

Das ist der Ausgangspunkt von „Raised by Wolves“, einer spektakulären Serie, die der Drehbuchautor Aaron Guzikowski initiiert hat, die sich aber vor allem anfühlt, als wäre sie direkt aus dem Hirn von Ridley Scott entsprungen. Wohlgemerkt nicht dem Ridley Scott von „Alien“ und „Blade Runner“, sondern dem von „Prometheus“ und „Alien: Covenent“, also einem inzwischen 82jährigen Regisseur, der sich mit zunehmender Intensität mit den großen Fragen der Menschheit beschäftigt: Die Vergänglichkeit der menschlichen Existenz, das Wesen des Glauben, der ewigen Frage, ob es Gott gibt und wenn ja, was seine Pläne sind.

Gleich in den ersten 15 Minuten der ersten Folge packt Scott soviel Handlung wie manch andere in eine halbe Serienstaffel, zeigt die ersten Gehversuche der zwei Androiden und ihrer per künstlicher Befruchtung erzeugten Sprösslinge. Sie leben in Bienenstock-Häusern, tragen Lumpen und pflanzen in Kreisform Getreide an. Im Boden von Keplar-22b finden sie riesige Skelette, über den entfernten Bergen stehen drei Monde, doch das Überleben der Kleinfamilie ist spätestens dann in Gefahr, als mit Campion nur noch ein menschliches Wesen überlebt hat.

Ein Notsignal lockt die Arche an, mit der die Überlebenden Menschen von der Erde fliehen konnten, dummerweise allesamt „Mithraics“, wie die dominierende Glaubensgemeinschaft des 22. Jahrhunderts heißt. Mutter hält sie für Fanatiker, dabei ist sie selbst eine fanatische Atheistin. Kaum etwas scheint ihr wichtiger, als Campion davon abzuhalten, etwas anderem zu trauen als der Wissenschaft. Doch mit der Ankunft einer bunten Gruppe junger Menschen, die als Ersatzgeschwister gedacht waren, aber eigene Gedanken entwickeln, ändern sich alles.

Kennt man Ridley Scotts Filme der letzten Jahre, kommen viele Aspekte der ersten Folgen von „Raised by Wolves“ bekannt vor. Und auch der Stil ist typisch Scott: Bilder von gestochener Schärfe, bedrohliche Klänge, nahtlos verwoben sind intime Szenen voller philosophischer Gedanken und bildgewaltige Momente. Wohin die Reise führt lässt sich noch nicht genau sagen, doch auch wenn Scott bei den weiteren Folgen nicht mehr Regie geführt hat, darf man gespannt sein.

Raised by Wolves • Creator: Aaron Guzikowski • Darsteller: Amanda Collin, Abubakar Salim, Winta McGrath • 10 Folgen, Sky/TNT

Kommentare

Bild des Benutzers andreas10

Nachdem er schon meinen geliebten Xenomorph ruiniert hat, bleib ich skeptisch.

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