Reingeschaut: „Daredevil: Born Again“ – Wiedergeburt des ewig Gleichen
Uralter Wein in abgenutzten Schläuchen
Die 27. Marvel-Serie „Daredevil: Born Again“, ein „spirituelles Sequel“ zu den zwischen 2015 und 2018 von Netflix veröffentlichten ersten drei Staffeln, ist mal wieder ein wunderbares Beispiel, wieso die ganze Marvelgrütze mittlerweile so tot ist, wie sie toter nicht sein könnte. Dabei klang der ursprüngliche Ansatz mal wieder ganz gut: Matt Corman und Chris Ord („Covert Affairs“, 2009-2014) wollten abgeschlossene Episoden, einen leichteren Ton, weniger Action, weniger Gewalt. Des Weiteren hatte man eine Gerichtsserie im Sinn, der Fokus sollte mehr auf dem Brotjob des gehörnten Superhelden liegen, Matt Murdock würde erst in der vierten Folge in seinem Daredevil-Outfit zu sehen sein, zudem sollten die beliebten Nebenfiguren Karen Page und Foggy Nelson nicht mehr auftauchen.
Kurz: Man hatte was anderes vor. Für was anderes war man bei Marvel aber noch nie sonderlich empfänglich und so stießen die ersten sechs abgedrehten Episoden auf wenig Gegenliebe in der Chefetage, worauf Corman, Ord und die angeheuerten Regisseure ihren Hut nehmen mussten. Dario Scardapane, Drehbuchautor von vier Folgen und Produzent von „The Punisher“ (2017-2019), hatte die Ehre die Serie zu überarbeiten und erhielt dabei Unterstützung vom gefeierten Indie-Duo Aaron Moorhead und Justin Benson, das immerhin für eine visuell attraktive Umsetzung von drei der insgesamt neun Episoden sorgten.
Die „neue, kreative Richtung“, die man laut Studio einschlagen wollte, äußerte sich wenig überraschend darin, dass man mehr oder weniger das Gleiche kriegt wie zuvor, nur noch eine Schippe draufgelegt wird und dementsprechend fokussierte sich das Marketing darauf, dass „Born Again“ noch finsterer und blutiger als die Vorgängerstaffeln ist – inhaltlich gibt’s dagegen kaum was Neues.
Erzählt wird von Murdock, der die mitternächtlichen Aktivitäten als Daredevil an den Nagel gehängt hat und nur noch im Gerichtssaal für das Gute kämpft. Doch als ein vermeintlich geläuterter Wilson Fisk wieder auf der Bildfläche erscheint und Bürgermeister von New York werden will, ist klar, dass die beiden über kurz oder lang aneinanderrasseln werden. „Born Again“ verhält sich dabei zu den anderen Staffeln in etwa wie neulich „Alien: Romulus“ zum Rest der „Alien“-Filmreihe: Man dockt an die Marvel-Serie an, aber nicht zu sehr, neues Publikum soll schließlich ebenso mitgenommen werden.
„Born Again“, dessen Soundtrack sogar Choräle und Streicher auspackt, um den heiligen Ernst der Show nach Hause zu funken, fühlt sich vor allem in Hinblick auf die dominierende Murdock-/Fisk-Arc wie ein Remake an, das nur noch einen Tick mehr küchenpsychologisiert. Das äußert sich darin, dass nicht mehr nur Murdock wie gewohnt mit seinem Superhelden-Dasein hadert und hadert und hadert, sondern Fisk und seine Frau regelmäßig zur Paartherapie gehen. Dramaturgische Entwicklungen irgendeiner Art folgen daraus nicht: Es ist jederzeit klar, dass Murdock wieder in sein Kostüm steigen wird und Fisk nach wie vor durch und durch ein ultrabrutaler Bösewicht ist – sie können halt nicht anders.
Zwischendrin finden kleinere Storys statt, in denen reihenweise Figuren aus der zweiten und dritten Reihe des Marvel-Universums auftauchen, auch mal abserviert, aber wohl vor allem an den Start gebracht werden – die Serie gehört jetzt schließlich zur fünften Phase des MCU. Ein Special mit dem Punisher, der hier einen Gastauftritt hat, ist bereits in Arbeit und wird 2026 zusammen mit der zweiten Staffel von „Born Again“ veröffentlicht.
Jedenfalls fühlt sich alles wie immer an, aber man kennt das ja von Marvel: Wichtig ist nur eins – das es weiter, weiter und weiter geht.
Daredevil: Born Again • USA 2025 • Regie: Diverse • Darsteller: Charlie Cox, Margarita Levieva, Wilson Bethel, Jon Bernthal, Vincent D’ Onofrio, Deborah Anne Woll • Disney+
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