25. Mai 2023

„Renfield“ – Ein High Concept Dracula

Wer kennt das nicht: Stress mit dem Boss, Insekten Essen, mordlüsterne Gangster ...

Lesezeit: 3 min.

In den 80er Jahren wurde der Begriff „High Concept“ geprägt, mit dem Filme gemeint waren, die in einem Satz zusammengefasst werden oder in einem Meeting gepitcht werden konnten. Dass mag zum einen der verkürzten Aufmerksamkeitsspanne durch das damals in Hollywood mehr als beliebte Kokain geschuldet gewesen sein, zum anderen aber auch der Notwendigkeit, den Zuschauer in einem zwei Minuten Trailer von einem Kinobesuch zu überzeugen.

Dass die Filmlandschaft momentan zu weiten Teilen aus Fortsetzungen, Remakes und Verfilmungen von bekannten Stoffen besteht, mutet da wie eine konsequente Weiterführung an, gelegentlich kommen jedoch immer noch Filme ins Kino, die ihr High Concept oft schon im Titel tragen. Unlängst ging es daher in „Cocaine Bear“ um einen Bären auf Koks, bei „Renfield“ ist die Sache einen Tick komplizierter. Dass es sich bei Renfield um den Assistenten von Graf Dracula handelt, dürfte nicht ganz zur Allgemeinbildung gehören, auch wenn zum Beispiel bei Francis Ford Coppolas Dracula-Film immerhin Tom Waits die Rolle spielte.

Doch Chris McKays „Renfield“ erzählt nicht einfach die klassische Dracula-Geschichte aus Sicht einer Nebenfigur. Was sich Robert Kirkman (Comic-Autor und Co-Creator von „The Walking Dead“; im Shop) ausgedacht hat, ist eine ganze Spur komplizierter, lässt sich aber als High Concept-Pitch auf den Satz reduzieren: Renfield steckt in einer toxischen Beziehung mit Dracula.

Dementsprechend beginnt der Film beim Gespräch einer Selbsthilfegruppe, bei der mitfühlende, wohlmeinende Leidensgenossen Renfield (Nicolas Hoult) raten, sich endlich von seinem Boss zu lösen, Selbstvertrauen zu entwickeln, endlich einmal an sich selbst zu denken, nicht wissend, dass dieser Boss der Fürst der Finsternis ist. Der ist allerdings nach einem Beinahe-Tod kaum mehr als Fleisch und Adern und erwartet von Renfield, mit frischem Blut gefüttert zu werden.

Entfernt erinnert das an das an Clive Barkers „Hellraiser“ und ähnlich garstig sieht der hinter viel Latex kaum zu erkennende Nicolas Cage aus, der ein viertel Jahrhundert nach „Vampires Kiss“ endlich den Ur-Vampir spielt. Leider nur in einer Nebenrolle, aber ein Dracula-Spin-Off könnte bei einem Erfolg von „Renfield“ anstehen.

Im New Orleans der Gegenwart spielt die Geschichte, die es leider nicht wagt, den ungewöhnlichen, originellen Ansatz wirklich ernst zu nehmen und konsequent zu folgen. Stattdessen wird eine etwas wirre Story um eine Gangsterfamilie erzählt, die zum einen Draculas Mittel zur Weltherrschaft werden soll, zum anderen einst den Vater der Polizistin Rebecca (Awkwafina) ermordet hat. Und in diese Polizisten verliebt sich Renfield, nachdem er ihr bei einem Shootout in einer Bar das Leben gerettet hat, denn, wie es in einem modernen Film offenbar unvermeidlich ist: Renfield hat Superkräfte, die er durch das Schlucken von Insekten erweckt. Das bietet Anlass für ausgesprochen blutige Sequenzen, bei denen soviel Blut über die Leinwand spritzt, dass Dracula Monate davon satt werden würde.

Mit dem Original-Dracula (im Shop) hat das nur noch bedingt zu tun, sorgt aber für eine ganze Reihe unterhaltsamer und bisweilen auch pointierter Momente. Auch wenn das Konzept am Ende nicht ganz ausgereift wird, vieles in dem erfreulicherweise kurz und knackigen 90 Minuten Film Stückwerk bleibt, als Beispiel eines High Concept-Stoff kann „Renfield“ überzeugen.

Renfield • USA 2023 • Regie: Chris McKay • Darsteller: Nicolas Cage, Nicholas Hoult, Awkwafina • Kinostart: 25. Mai 2023

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