13. April 2018 1 Likes 1

So schön kann Stille sein

„A Quiet Place“ – Der neue Sci-Fi-Horrorfilm

Lesezeit: 4 min.

Stille ist ein unverzichtbares Gut bei der Entwicklung der menschlichen Psyche. Wir brauchen Ruhe, um uns geistig entfalten zu können und wenn diese einem Mensch vorenthalten bleibt, wird er nachweislich verrückt. Wie wichtig Stille ist – und welch immenses Stilmittel sie ist – zeigt uns auch Regisseur John Krasinski im neuen Sci-Fi-Horrorfilm „A Quiet Place“, in dem er auch vor der Kamera neben seiner Ehefrau Emily Blunt zu sehen ist.

Wir werden ins Jahr 2020 verfrachtet, in der die Menschheit fast komplett ausgerottet wurde und sich die Überlebenden in winzigen Familienkommunen ballen, während sie in der Stille vor einem für den Zuschauer noch unbekannten Grauen Schutz suchen. Jenes Grauen entpuppt sich dann schnell als eine Rasse von Monstern, welche ihre Opfer blitzschnell durch übermäßige Geräusche und Ton ausmacht. Die fünfköpfige Familie um Krasinski verliert dann zugleich den jüngsten Sohn und wir springen über ein Jahr in die Zukunft. Immer noch spürbar vom Verlust gezeichnet, versucht die kleine Familie gekonnt in der neuen Welt still und heimlich zu überleben. Furcht und Sorge breiten sich jedoch am familiären Horizont aus, während sich die vier auf die anstehende Geburt eines neuen Sprösslings vorbereiten, der im Bauch der Mutter heranreift.

Der komplette Film stützt sich auf das kleine Ensemble, das neben Emily Blunt und John Krasinski mit den beiden relativen Neulingen Noah Jupe und Millicent Simmonds auftrumpft. Gerade die junge Simmonds, welche in die Rolle der tauben Tochter schlüpft, zeigt sich verletzlich aber entschlossen auf der Leinwand. Ihre immense schauspielerische Leistung wird einem aber erst wirklich bewusst, nachdem klar wird, dass Millicent Simmonds auch im echten Leben seit frühen Jahren taub ist. Die zarten Interaktionen zwischen der Familie gehören zu den eindringlichsten Szenen, die das starke Drehbuch zu bieten hat. Blunt und Krasinski verleihen ihren Gegenstücken eine greifbare Intensität, während sie gemeinsam über Kopfhörer einem iPod lauschend Arm in Arm tanzen, und – komplett wortlos – die unglaubliche Anspannung der nahenden Geburt im Raum zu schweben scheint.

Neben der schauspielerischen Leistung darf die Musik bei solcher Wortkargheit nicht zu kurz kommen. Der mehrfach für den Oscar nominierte Komponist Marco Beltrami, der schon etlichen Genre-Filmen seinen Sound verlieh, bringt jeder Szene die passende tonale Gewichtung und zeigt mit zarter Streichmusik die Liebe der Familie zueinander, und die Entschlossenheit mit erhöhten Tempi, wenn zu erledigende Arbeit ansteht. Besonders zum Strahlen kommen der Tonschnitt und die musikalische Untermalung jedoch, wenn der Film nötige Spannung aufbauen will. Die unerwartet wenigen Jump-Scares, die der Film bietet, hauen mit einer Brachialität auf den Zuschauer ein, während tiefe, bassartige Trompeten die Anspannung aufbauen.

Gerade die erwähnten Jump-Scares, welche bereits seit etlichen Jahrzehnten zu den überstrapazierten Teilen des Horrorgenres gehören, werden in „A Quiet Place“ clever genutzt und gar emotional an den Zuschauer gebunden. Sie sind nicht bloß Mittel zum Zweck, um Nervenkitzel auszulösen; sie bedeuten auch Leben und Tod für den kleinen Cast. Und wie viele quasi überflüssige Geräusche der menschliche Körper eigentlich produziert, wurde im Kinosaal unter Beweis gestellt, als irgendwo im Publikum ein Magen hörbar knurrte und sich die Anspannung mit lautem Gelächter aller kurz löste. Unter welcher Anspannung man in den knapp 90 Minuten steht, wird einem immer wieder in den ruhigen Szenen nach dem Knall bewusst. Denn „A Quiet Place“ versteht es wie kein anderer Film in den letzten Jahren fast still und heimlich Druck beim Zuschauer aufzubauen, bis es unweigerlich zur Loslösung kommt.

Den Höhepunkt erreicht der Sci-Fi-Horror jedoch bereits im Mittelteil, wenn sich die verschiedenen Plotfäden überschneiden, es zum ersten wirklichen Feindkontakt mit den Ungetümen kommt und sich alles wörtlich in einem inszenatorischen Feuerwerk entlädt. Hier ergänzen sich Ton, Kameraschnitt und die Leistung der Schauspieler zu einer atemberaubenden Inszenierung. Dann prescht der Film beinahe ohne Atempausen bis zum Finale durch, bleibt dabei durchaus spannend, jedoch ohne allzu clevere Ideen, von denen die erste Hälfte noch angereichert war.

Weitere positive Erwähnung soll auch Special Effects-Berater Scott Farrar finden, der bereits bei Industriegigant „Industrial Light & Magic“ anheuerte und für das Kreaturen-Design zuständig war. Dass dem Zuschauer die Kreaturen zunächst vorenthalten bleiben, ist im Sci-Fi und Horror bei weitem nichts Neues. Dass der Film jedoch nichts an Spannung oder Glaubhaftigkeit nach der Enthüllung verliert, ist der guten Inszenierung und Nutzung der bis zu letzten Sekunde unüberwindbar wirkenden Kreaturen zu zuschreiben. Besonders erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Krasinski wie auch Farrar Neulinge im Horrorbereich sind.

John Krasinskis nächstes Projekt steht bereits in den Startlöchern, denn er soll sich an den Sci-Fi-Thriller „Life on Mars“ wagen, der nach dieser Kurzgeschichte von Cecil Castellucci adaptiert wird.

„A Quiet Place“ ist seit dem 12. April 2018 in den deutschen Kinos zu sehen.

A Quiet Place • USA 2018 • Regie: John Krasinski • Darsteller: John Krasinski, Emily Blunt, Millicent Simmonds, Noah Jupe, Cade Woddard

Kommentare

Bild des Benutzers Doctor Flamenco

Hab den Film zwar noch nicht gesehen, aber die Prämisse scheint mir ziemlich dreist von Malerman's Roman "Bird Box" kopiert zu sein.

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