2. August 2020 1 Likes

Zeitreise in die 60er: „The Umbrella Academy“ Staffel 2

Die fantastische Netflix-Serie geht weiter – warmherzig und weird

Lesezeit: 3 min.

Netflix’ The Umbrella Academy, die Adaption der andersartigen Superhelden-Comics von Multitalent Gerard Way und Zeichner Gabriel Bá, gehörte 2019 zu den Serien-Highlights im fantastischen Genre-Bereich – und darüber hinaus. Seit dem 31. August kann die Fortsetzung der mehr als nur etwas anderen Science-Fiction- und Superhero-Serie gestreamt werden.

In der ersten Season sahen wir, wie der geniale, aber herzlose Professor Hargreeves sieben Kinder mit außergewöhnlichen Fähigkeiten adoptierte und als Umbrella Academy zu den Verteidigern der Zukunft auszubilden trachtete. Dabei erschuf er jedoch eine schwer dysfunktionale Superfamilie: Luther (Tom Hopper) mit dem starken Affenkörper saß lange sinnlos auf dem Mond fest; Allison (Emmy Raver-Lampman) verlor wegen ihrer Gabe, andere mit ihrer Stimme zu beeinflussen, das Sorgerecht für ihre kleine Tochter; Diego (David Castaneda) lebte seinen Heldenkomplex als messerwerfender Rächer aus; Nummer Fünf (Aiden Gallagher) vegetierte wegen seiner Zeitreisekräfte ewig in der Postapokalypse dahin und wurde letztlich zum Top-Killer des Komitees für Zeitreiseangelegenheiten, der noch immer den Körper eines Schuljungen hat und sich scheinbar nie umzieht; die labile Vanya (Ellen Page) wurde so mächtig, dass sie die Welt aus den Angeln heben konnte; und Klaus (Robert Sheehan) litt in Vietnam, kann kaum trocken bleiben und sieht Geister – etwa Ben (Justin H. Min), das tote siebte Mitglied der Umbrella Academy. Am Ende der Auftaktstaffel sorgten Vanya und ihre Geschwister für den Weltuntergang, krachte der gesprengte Mond in die Erde. Nummer Fünf teleportierte sie per Zeitreise in letzter Sekunde davon …


Der neue Chef des Komitees. The Umbrella Academy, Netflix

Hier macht die zweite Staffel mit ihren abermals zehn Episoden direkt weiter. Die vermeintlichen Helden landen an unterschiedlichen Punkten in den 1960ern. Im wenig liberalen Dallas jener Ära haben sie zwischen Homophobie und Rassismus alle ihr Päckchen zu tragen, bis die Truppe endlich wieder im selben Jahr steckt. Doch das nächste Problem lässt nicht lange auf sich warten: Die Apokalypse ist der Umbrella Academy gefolgt und scheint in diesem Zeitstrang nun mit ihrem Auftauchen, ihrem jüngeren Vater und der Ermordung von Präsident Kennedy zusammenzuhängen. Aber sind Luther, Diego, Nummer Fünf, Vanya und Co. die richtigen, um dieses Schlamassel zu lösen und den Dritten Weltkrieg sowie die nukleare Apokalypse zu verhindern (mit der die erste Episode klotzend beginnt)? Daran darf bei so vielen Altlasten und neuen persönlichen Verstrickungen und Schwierigkeiten gezweifelt werden, zumal alte Bekannte, neue schwedische Killer und andere mitmischen, wobei Lila (Ritu Arya) sicher den größten Gewinn des Ensembles darstellt und der neue Chef des Komitees mit seinem Goldfisch-Avatarkörper köstlich aussieht.


Neu im Ensemble: Lila (Ritu Arya). The Umbrella Academy, Netflix

„The Umbrella Academy“, „The Boys“ und – mit Abstrichen – „Preacher“ und „Doom Patrol“ zeigen, wie gute Comic-Adaptionen im Luxusserienfernsehen von Heute gehen: Nah genug am Original, aber doch weit genug weg und so selbstständig und innovativ, dass Kenner der Comics gepackt und überrascht werden. Was Jeremy Slater, Steven Blackman und Co. aus den charmanten und interessanten Comics von Way und Bá gemacht haben, ist z. B. wirklich hervorragend: Eine in jeder Hinsicht autonome Serie mit einem eigenen, souveränen Rhythmus und Style, die zu gleichen Teilen verrückt, brutal, schräg, fantasievoll, krass, witzig und warmherzig ist. Vor allem die Warmherzigkeit, die alle einzelnen und gemeinsamen Handlungsstränge um die kaputten „Helden“ zusammenhält, lässt einen diese Serie lieben. Aber auch die Wirkung des Soundtracks, der die tolle Zeitreisegeschichte begleitet, sollte wieder keineswegs unterschätzt werden. Außerdem bekommt man Rassenunruhen und ein allgemein apokalyptisches Feeling in den 60ern in diesem Sommer 2020 erschreckend leicht zu fassen.


Rassenunruhen in den 60ern. The Umbrella Academy, Netflix

Zehn großartige, stilsicher inszenierte Folgen und keine einzige falsche dramaturgische oder ästhetische Entscheidung, keine nicht super gespielte Szene: Macht die Schirme auf – in der zweiten Staffel von „The Umbrella Academy“ regnet es moderne Serienperfektion. Wer diese Comic-Adaption bisher nicht zu seinen Lieblingsserien zählte, tut das spätestens nach der zweiten Runde.

Bilder: Christos Kalohoridis/Netflix © 2020

The Umbrella Academy – Staffel 2 • Creator: Gerard Way, Gabriel Bá, Jeremy Slater, Steve Blackman • Darsteller: Ellen Page, Tom Hopper, David Castaneda, Emmy Raver-Lampman, Aiden Gallagher, Robert Sheehan u. a. • Laufzeit: 10 Episoden mit je ca. 50 Min.

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