23. März 2021

„Little Nightmares 2“: Schaurig schöner Partnergrusel

Die Fortsetzung des Geschicklichkeitsabenteuers macht viel, aber nicht alles richtig

Lesezeit: 4 min.

Ein geheimnisvoll verschwommener Gang, flackernde Fernsehgeräte und ein kleines Männchen mit Papiertüte über dem Kopf – das sind nur einige der Zutaten, die uns das schwedische Studio Tarsier zu Beginn ihres zweiten Ausflugs in die Schauerwelten von Little Nightmares kredenzen (wir berichteten bereits). Schon bald gesellen sich vor weiteren düsteren Kulissen wie einem Wald, einer verwüsteten Stadt oder einer von dämonischen Kindern und einer monströsen Lehrerin bevölkerten Schule immer zahlreichere Facetten eines märchenhaft verzerrten Grauens hinzu, die wir mit unserem Papiertüten-Helden auf seiner Reise zu überstehen haben. Das müssen wir allerdings nicht allein. Denn bereits nach wenigen Minuten befreien wir einen weiteren Mitstreiter (nämlich den Gelbmantel-Protagonisten aus Teil 1), der uns fortan als (wie wir selbst) komplett stummer KI-Helfer nicht von der Seite weicht und uns sowohl bei Sprung- als auch Rätseleinlagen unterstützt.

Hierin besteht auch eines der wesentlichen Neufeatures im Vergleich zum Erstling, in dem wir noch allein unterwegs sein durften und in dem folglich keine Buddy- bzw. Teamelemente implementiert waren. Fast im Stil eines klassischen 2,5D-Sidescrollers bewegen wir uns von links nach rechts und meistern Fallen, Abgründe oder den unerbittlichen Angriff kleinerer wie größerer Feinde. Viel Erkundungsfreiheit lassen uns die Gebiete trotz optischer Weitschweifigkeit jedoch nicht. Es gibt im Grunde stets nur einen Pfad, an den wir uns zu halten haben, obwohl speziell das Artdesign immerhin dazu einlädt, sich jede Ecke zumindest anzusehen.

Das erinnert nicht nur spielerisch an ähnlich sinistre Indie-Kollegen wie Inside oder Limbo, zumal wir auch in Little Nightmares 2 (seit Mitte Februar für PS4, Xbox One, Switch und PC erhältlich; für PS5 und Xbox Series X später in diesem Jahr) sehr oft sterben, wenn uns beispielsweise eine plötzlich herabstürzende Kiste erschlägt, wir in Abgründe fallen oder uns etwa besagte Lehrerin mithilfe ihres riesigen Halses blitzschnell zwischen Bücherregalen entdeckt und kurzerhand auffrisst. Ähnlich wie die eben genannten Adventures mit erhöhtem Geschicklichkeitseinschlag, ist jeder der vielen Tode nur von kurzer Dauer, da vor jeder unmittelbaren Herausforderung ein Checkpoint gesetzt wird. Frust kommt allerdings dennoch manchmal auf, denn die Macher geben viel zu strikt vor, wie genau wir beispielsweise das Schleichen um Gegner oder gar die eingeflochtene Kampfmechanik anzugehen haben.

Werden wir etwa von Feinden wie einem schießwütigen Jäger entdeckt, haben wir so gut wie nie eine Chance zu entkommen und da die Steuerung recht behäbig daherkommt, ist es eher nervig, mit herumliegenden Gegenständen wie Hämmern oder Rohren anstürmende Gegner umzuhauen, die uns beim ersten Kontakt sofort erledigen. So kam es im Test oft vor, dass gerade die Schleich- und Schlagsituationen nach zigfachem Scheitern an den Nerven zehrten, während die in der Regel sehr simplen Such-, Kletter- oder Schieberätsel angenehm locker von der Hand gingen. Meist müssen etwa Kisten als kleine Treppenhilfe verschoben oder Energiezellen für bestimmte Mechaniken in den Gebieten gefunden werden. Nur selten gibt es halbwegs fordernde Kopfnüsse, wenn wir beispielsweise auf einem Schachbrett die Figuren richtig setzen müssen, um einen dahinterstehenden Mechanismus zu öffnen.

So richtig überzeugt Little Nightmares 2 also weniger beim zumindest soliden Gameplay als vielmehr bei der Inszenierung der zwar im Grunde sehr schaurigen, aber stets subtilen Angstkulisse. Ob Wald, Schule oder Leichenkammer, hier werden gerade typische Kinderängste ins Groteske übersteigert und trotz sehr brutaler Motive wie Mobbing unter Kindern dank wunderschön pittoresker Grafik und Dunkelfilter so präsentiert, dass wir tatsächlich das Gefühl haben, ein modernes Schauermärchen zu erleben. Eine klassische Story mit klar verständlichem Plot sucht man hier allerdings vergebens. Doch die Andeutungen und Verknüpfungen der Motive im Verbund mit dem Heldenduo gibt genug Stoff an die Hand, um sich selbst einen Reim auf das Gespielte zu machen. Speziell die Fokussierung auf eine in jedem Gebiet zentrale, vor allem übermächtige Antagonistenfigur geht im Verbund mit unseren beiden nur bedingt wehrhaften Charakteren wunderbar auf.

Somit ist denn neben den bereits genannten Punkten die größte Kritik an Little Nightmares 2, dass wir bereits nach gut 6 Stunden den Abspann zu Gesicht bekommen und sich der Wiederspielwert in sehr engen Grenzen hält. Ein bisschen Sammelkram hin oder her macht schließlich nicht wirklich viel aus. Mithilfe einer Kapitelanwahl lässt es sich aber nochmal in so manche Passage schlüpfen und Szenen wie die, in der wir uns in der Leichenhalle mittels Taschenlampe gruselige Mannequinpuppen vom Leib halten müssen, bleiben nicht nur zartbesaiteten Gemütern sicher länger im Gedächtnis.

Ebenfalls richtig fein gestaltet sich die Spielführung durch die einzelnen Areale. Da es keinerlei Dialoge oder Lesestoff in Form von Zetteln oder anderweitigen Hinweisen gibt, müssen sich das Geschehen und damit unsere Herausforderungen selbst erklären und die Macher uns folglich mithilfe einer sehr pointierten Lichtstimmung durch das Geschehen leiten. Diese unterstützt die ohnehin perfekt an das Thema angepasste Ästhetik wunderbar und auch der dezente Klangteppich untermalt das surreal angehauchte Art Design unerwartet variabel, ohne sich plärrend in den Vordergrund zu drängeln wie bei so vielen Genrekollegen.  Da passt es gut ins Bild, dass uns gravierende technische Probleme erspart bleiben (unser Testmuster war für PS4) und es nur schade ist, nicht beide Figuren im Koop gleichzeitig mit einem weiteren Mitspieler durch das Abenteuer begleiten zu können.

Wer also ein wenig Frustresistenz an der ein oder anderen (Kampf-)Stelle mitbringt und für aktuell rund 30 Euro Lust auf ein nicht langes, aber dafür prägnantes Gruseladventure ohne Zombietrash und Co. hat, dürfte wie schon beim Vorgänger auch diesmal seine Freude mit Little Nightmares haben.

Fazit

Intensiv und wunderschön: Little Nightmares 2 fasziniert als ästhetisch herausragendes Schauermärchen, wobei es kleinere Abzüge bei Steuerung, Balance und Spieldauer gibt.

Little Nightmares 2 • Tarsier Studios • Action-Adventure/Plattformer • PS4/Xbox One/PC/Stadia/Switch (bald auch PS5/Xbox Series X)

Abb. © Bandai Namco Entertainment

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