19. Januar 2020

Welcome on Board

Mit solider DLC-Arbeit namens „The Kraken“ erweitert „The Surge 2“ sein brachiales Dystopie-Portfolio

Lesezeit: 4 min.

Im letzten Jahr zählte die Fortsetzung des seinerzeit ordentlichen, wenn auch nicht restlos überzeugenden The Surge zu den positiven Überraschungen. Das nach wie vor bockschwere Action-RPG aus dem Hause Deck 13 baute mit der von vagabundierenden Cyborg-Kriegern besetzten Stadt Jericho City auf eine weitläufigere Spielwelt und bot in Sachen Gameplay und Story mehr Abwechslung als der Vorgänger (hier unser damaliges Testurteil). Wie für heutige Games mit mittelfristiger Langlebigkeit und einem Blick für Komplettversionen üblich, plante Deck 13 auch im Fall von The Surge 2 mit mehreren nachgeschobenen wie kostenpflichtigen Inhalten, um ihr dystopisches Süppchen beim Käufer weiter am Köcheln zu halten.

Neben eher kosmetischen und spielerisch eher nachrangigen Gimmicks wie Rüstungsteilen und Waffen für den selbsterstellten Brutalo-Cyborg, setzten die Macher immerhin einen Story-DLC um, der seit dem 16. Januar entweder als integrierter Teil des Season Pass (für rund 20 Euro) oder separat (für ca. 12 Euro) auf PS4, Xbox One und PC erhältlich ist. Pünktlich dazu erschien auch eine Premium Version von The Surge 2, sodass sich Neukäufer gar nicht mehr mit der Sammelei von Einzelcontent aufhalten müssen.

Besagter DLC trägt den bedeutungstechnisch leicht angeschwängerten Titel The Kraken und schickt uns im Rahmen der regulären Kampagne zu einem gigantischen Flugzeugträger, auf dem (wie generell bei den Ereignissen in The Surge 2) Kämpfe gegen extrem aggressive Gegner und eine perfekte Balance zwischen Attacke, Ausweichen und Parieren Vorrang vor allzu viel Geschichte haben. Von einem Funkspruch an einem bestimmten Punkt der Haupthandlung angelockt, können wir via Boot in das ohne den DLC bisher nicht vorhandene bzw. zugängliche Gebiet des Flugzeugträgers vorstoßen und erleben zunächst eine angenehme Designüberraschung.

Anders als in den zerbröselten, von Stahl und Beton dominierten Straßen von Jericho City und dessen futuristischen Innenanlagen, bekommen wir in The Kraken eine scheinbar heile US-Vorstadt-Idylle mitsamt grüner Gärten und Barbecue-Grill vorgesetzt. Allerdings braucht es nicht allzu viel Fantasie (Stichwort Flugzeugträger), um schon vor dem Gespräch mit einem etwas seltsamen Typ zu begreifen, dass der Kybernetikschrecken einer völlig degenerierten Gesellschaft im kriegerischen Ausnahmezustand auch hier nicht Halt gemacht hat. Angeleitet von einer leicht zwielichtigen Technikerin, ist es unsere Aufgabe, den Flugzeugträger von einer gefährlichen KI namens Cain zu befreien und zumindest ein wenig Frieden in das pseudoidyllische Flugzeugträgerörtchen zu bringen.

Dazu müssen wir wie im Maingame relativ kleine, aber sehr verwinkelte und geschickt miteinander verbundene Areale nach Durchgängen und Gegenständen durchkämen, wobei sich uns neue Gegnerklassen in den Weg stellen. Die sind leider nur optisch von den üblichen Gegnern zu unterscheiden und auch beim Loot macht sich leichte Ernüchterung breit. So schnell wie sich der anfängliche Vorstadteffekt abnutzt, hat man sich auch an das Gebiet mit seinem Kino, einem Autopark und mehreren Schächten im Inneren des Flugzeugträgers gewöhnt.

Außer der Technikerin und ihres grillenden Gatten, erwartet uns auf Figurenebene nur noch Cain, der sich mit ein paar Voice-Botschaften meldet und ansonsten als Antagonist blass bleibt. Richtig an Profil gewinnt er hingegen zumindest im finalen Bosskampf, den erfahrene The Surge-Recken schon nach gut einer Stunde erreicht haben dürften. Zuvor wartet zwar auch ein Zwischenboss, der allerdings dem wirklich fordernden Cain nicht mal ansatzweise das Wasser reichen kann. Hat man Cain trotz aller Schwierigkeit besiegt und das knapp gehaltene Finale der Story inklusive Ausrüstungsbelohnung abgehakt, bittet uns ein weiterer Funkspruch zurück zur eigentlichen Kampagne von The Surge 2 und damit schnell wieder weg vom Flugzeugträger. Ein kleiner atmosphärischer Gardinenwechsel also – nett, aber wie die Episode einer handelsüblichen Sitcom auch nicht weiter erwähnenswert nach Abschluss.

The Kraken beweist somit mal wieder, wie ambivalent DLCs in der Bewertung perspektiviert werden können. Einerseits ist dieses Zusatzkapitel letztlich mit seinen knapp zwei Stunden Spielzeit nichts mehr als ein Häppchen, das es qualitativ für den Genuss des Gesamtspiels nicht zwingend braucht und welches weder technisch noch spielerisch oder inszenatorisch irgendetwas handfest neu oder anders macht. Andererseits könnte man aber ebenso konstatieren, dass ein DLC wie The Kraken gar nicht mehr will als das und man für einen einigermaßen überschaubaren Preis ein Stück weit mehr angenehm unterhalten wird.

Eine ärgerliche Sache, die schon fast eine Frechheit am Kunden ist und leider ebenfalls immer wieder bei DLCs auftritt, darf an dieser Stelle jedoch nicht verschwiegen werden. Wie man nämlich den DLC nach Erwerb und Download startet, wird nicht proaktiv verraten (dafür scheint es ja das Netz und YouTube als Nachschlagewerke zu geben) und wer The Surge 2 schon durchgespielt hat, muss tatsächlich nochmals stundenlang die bereits absolvierte Kampagne meistern, ehe besagter Funkspruch die Überfahrt zum Flugzeugträger in Gang setzt. Daher ist The Kraken letztlich „am besten“ geeignet für Spieler, die jetzt erst The Surge 2 zum ersten Mal spielen und The Kraken so wie eine normale Quest einfach innerhalb der regulären Kampagne einschieben können. Dass die Entwickler aber nicht daran gedacht haben, den DLC beispielsweise optional einfach über das Hauptmenü zur Verfügung zu stellen, ist einfach unüberlegt und fast schon dreist.

Fazit

Kleiner The Surge 2-Nachschlag ohne Tiefgang und echte Abwechslung, der aber bei Atmosphäre und Action das hohe Niveau des Maingames hält.

The Surge 2 DLC: The Kraken • Deck 13/Focus Home Interactive • Action-RPG • PS4/Xbox One/PC

Abb. © Deck 13/Focus Home Interactive

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