Der Roman des Monats

Isaac Asimov

„Die Stahlhöhlen“

Es sind zwei unterschiedliche Lebensprinzipien, die Isaac Asimov in seinem Roman „Die Stahlhöhlen“ aufeinander prallen lässt: auf der einen Seite die übervölkerte Erde, deren Bewohner in riesigen Kuppelstädten konzentriert sind; auf der anderen Seite die Gemeinschaft der Äußeren Welten, ehemaligen Erdkolonien, die den genetisch perfektionierten „Spacern“ genug Lebensraum bietet. Beide Sphären halten Abstand voneinander, da keine Seite so recht etwas mit der anderen zu tun haben möchte. Doch nun geschieht ein Mord, der die mühsam eingehaltene Balance aus dem Gleichgewicht zu bringen droht.

Das Opfer ist Roj Sarton, ein hochrangiger Robotiker in Spacetown, der in Sichtweite von New York City gelegenen Basis der Spacer. Doch überraschenderweise wollen diese den Fall nicht unter sich klären, sondern bestehen auf einem Erdenmenschen als Ermittler. Commissioner Julius Enderby beauftragt seinen Studienfreund  Elijah „Lije“ Baley mit dem Fall, wohl wissend, dass dieser mit der zweiten Bedingung kaum einverstanden sein wird: Ihm wird ein Spacer als Partner zugeteilt – allerdings ein Kunstmensch. R. Daneel Olivaw (das „R.“ steht für „Roboter“) ist ein Prototyp und äußerlich nicht von einem Menschen zu unterscheiden. Tatsächlich wurde er nach dem Ebenbild seines Schöpfers geformt – eben jenem Roj Sarton, dessen Tod nun aufgeklärt werden soll. Baley ist von all dem verständlicherweise wenig begeistert.

Doch hinter dem Mord steckt mehr, als es zunächst den Anschein hat. Den in ihren „Stahlhöhlen“ hausenden acht Milliarden Menschen drohen langfristig Hungerkatastrophen, während die überzüchteten Spacer gegen ihre Degeneration ankämpfen. Ganz offensichtlich ist eine neue Form der Kooperation erforderlich, bei der den humanoiden Robotern eine besondere Rolle zukommt. Genau damit ist die irdische Sekte der „Traditionalisten“ nicht einverstanden, die ein naives Naturverständnis propagiert und künstliche Lebensformen ablehnt. Baley und Olivaw können nicht ahnen, wie nah sie deren Vertretern schon sind …  

Isaac Asimov (1919–1992) gehört auch außerhalb des Genres zu den bekanntesten Namen der Science-Fiction, was nicht zuletzt seiner klassischen „Foundation“-Trilogie (1951–53, im Shop) zu verdanken ist. Berühmt wurde er jedoch mit seinen Robotergeschichten, die in „I, Robot“ (1950, dt. „Ich, der Roboter“, im Shop), „Earth Is Room Enough“ (1957, dt. „Geliebter Roboter“, im Shop) und „The Bicentennial Man“ (1976, dt. „Der Zweihundertjährige“, im Shop) gesammelt sind und sich immer wieder mit den von Asimov formulierten „Robotergesetzen“ beschäftigen. Dies gilt auch für die SF-Krimis um Elijah Baley und R. Daneel Olivaw, die grundsätzlich für sich stehen, aber die beiden genannten Werkbereiche im Sinne einer übergreifenden „Future History“ miteinander verbinden.

Asimov entwickelt „Die Stahlhöhlen“ gradlinig und ohne Abschweifungen; der Roman setzt auf einen schnörkellos-funktionalen Stil und zahlreiche Dialoge. Dabei werden die Folgen der Überbevölkerung – ganz anders als etwa in John Brunners nicht minder berühmtem Roman „Schafe blicken auf“ – recht moderat und sachlich geschildert. Dennoch weist die Geschichte weit über das herkömmliche „Wer ist der Täter?“ des Kriminalromans hinaus. Asimov lässt zwei Kulturen aufeinanderprallen, denen er jeweils keine Dauerhaftigkeit bescheinigt; eine Lösung ist nur in einem „dritten Weg“ zu finden, der auf eine Verschmelzung beider Lebensmodelle hinausläuft. Von vergleichbarer Aktualität ist auch die gefürchtete Übernahme von Arbeitsplätzen durch Maschinen; auch hier setzt Asimov auf Kooperation, wie nicht zuletzt die sich entwickelnde Freundschaft zwischen den beiden ungleichen Hauptfiguren verdeutlicht. Letztlich hat der Roman jenseits des leicht veralteten Frauenbildes überraschend wenig Staub angesetzt, auch wenn eine heutige Umsetzung natürlich gänzlich anders aussehen dürfte.

 „The Caves of Steel“ wurde in Deutschland zuerst 1956 unter dem Titel „Der Mann von drüben“ verlegt. Die aktuelle Ausgabe bietet die ungekürzte Übersetzung von Heinz Nagel in einem lesefreundlicheren Neusatz an. Und: Der zweite Roman um Elijah Baley und R. Daneel Olivaw ist unter dem Titel „Die nackte Sonne“ (im Shop) ebenfalls gerade neu erschienen.

von Kai U. Jürgens

Isaac Asimov

Die Stahlhöhlen

Ist eine Zusammenarbeit zwischen Robotern und Menschen möglich?

Zu Beginn des 30. Jahrhunderts ist die Menschheit gespalten: Die einen leben auf der Erde, zusammengepfercht unter riesigen Kuppeln, die anderen – die sogenannten „Spacer“ – haben sich auf fremden Planeten niedergelassen. Doch mit der räumlichen Trennung entwickeln beide Parteien auch ganz unterschiedliche Weltanschauungen, vor allem, was die auf der Erde verpönten Roboter betrifft. Elijah Baley von der New York City Police ist alles andere als begeistert von seinem neuen Fall: ein Diplomat der Spacer wird ermordet aufgefunden. Baley soll ausgerechnet zusammen mit einem Roboter ermitteln und so jede politische Ausweitung dieses unangenehmen Falles verhindern. Dass R. Daneel ein hochentwickelter Android ist, der von einem Menschen nicht mehr unterschieden werden kann, macht die Zusammenarbeit für Baley zunächst nicht einfacher …

Schlagworte

Weitere Leseempfehlungen:

Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.