27. Mai 2014

Kurztrips in alternative Welten

Oliver Henkels Alternativwelt-Kurzgeschichtensammlung „Wechselwelten“

Lesezeit: 2 min.

Zuletzt wurde an dieser Stelle ja hinlänglich erörtert, dass der Alternativweltroman noch immer zum Spannendsten gehört, was die Science Fiction zu bieten hat. Doch es müssen nicht ausschließlich Romane sein, die in kontrafaktische Geschichtsverläufe und alternative Zeitlinien entführen – man erinnere sich nur an Fritz Leibers großartige Kurzgeschichte „Versäum nicht den Zeppelin!“, die 1976 nicht umsonst mit dem Hugo und dem Nebula Award prämiert wurde (auf Deutsch abgedruckt in „Die besten SF-Stories aus The Magazine of Fantasy and Science Fiction 43: Das Geschenk des Fakirs“, Heyne, München 1976).

Oliver Henkel tut sich seit beinahe 15 Jahren als Autor deutschsprachiger Alternativweltromanen hervor, darunter Werke wie „Die Zeitmaschine Karls des Großen“, „Kaisertag“, „Im Jahre Ragnarök“ oder „Die Fahrt des Leviathan“. Doch der 1973 in Lübeck geborene, mit dem Deutschen Science Fiction Preis ausgezeichnete Henkel verfasste auch schon kürzere Erzählungen aus Welten, in denen vieles, aber nicht alles anders ist – in denen der Verlauf der bekannten Historie in jedem Fall an einem entscheidenden Punkt komplett auf den Kopf gestellt wurde.

„Die Kombination von Alternativwelt und Kurzgeschichte ist eine besondere Herausforderung“, sagt Henkel im Gespräch. „Einerseits ist es genrebedingt wichtig, die Andersartigkeit und die Besonderheiten der fiktiven Welt, immerhin Grundlage und Existenzberechtigung der gesamten Story, greifbar zu machen. Andererseits aber fehlt im Unterschied zum Roman der Platz, um die Erklärung der Hintergründe tiefschürfend und detailgesättigt in die Handlung zu integrieren.“

Ehe sich der Autor versehe, so Henkel weiter, habe er sich dann womöglich längst im Netz der Exposition verfangen, indem er seine Alternativwelt durch klobige Erklärungen charakterisiert, um rasch den Boden für die eigentliche Geschichte zu bereiten. Dies könne Henkel zufolge allzu leicht eine ähnliche Wirkung entfalten wie der Erzähler aus dem filmischen Off, der die Zuschauer zu Beginn eines Streifens erst einmal mit all dem vertraut machen muss, was der Drehbuch-Schreiber nicht in der aktiven Handlung unterzubringen vermochte. Und Autoren wissen ja: Show, don’t tell.

„Diese Fallgruben zu umgehen“, so Henkel, „und dabei das Wesentliche einer Alternativwelt auf begrenztem Raum zu vermitteln, macht kürzere Erzählungen für mich zu einer Herausforderung.“

Wie Henkel diese Herausforderung in den einzelnen Alternativwelt-Storys und -Fragmenten gemeistert hat und wie sich etwa ein Brief von Joseph Goebbels an Walt Disney gelesen hätte, kann man nun in der Neuauflage von Henkels ursprünglich vor zehn Jahren als Book-on-Demand erschienener Kurzgeschichtensammlung „Wechselwelten“ nachlesen, mit sieben Happen aus alternativen Versionen der DDR oder der Vereinigten Staaten von Amerika.

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