2. September 2016 2 Likes

Sternenkrieg im Kinderzimmer

oder „Wie kommt die Nuss in die Tomate?“

Lesezeit: 6 min.

Erstmal ein, zwei oder auch drei ganz persönliche Gedanken zum Thema „Trashfilm“: Ursprünglich wurde mit dem Term „Trashfilm“ eigentlich ein Film von deutlich minderwertiger Machart bezeichnet (bitte nicht verwechseln mit dem „B-Film“, denn der hat in erster Linie schlichtweg weniger gekostet als ein „A-Film“, die im Deutschen weit verbreitete Annahme, dass „B-Film“ für „Billigfilm“ steht, ist so nicht ganz richtig). Trashfilmen wird im Allgemeinen entweder mit Verachtung begegnet oder man feiert sie aufgrund einer gewissen Schadensfreude, denn Inkompetenz bringt natürlich auch immer eine gewisse Portion Komik mit sich, man kennt das ja von Kollegen aus dem Büro.

Nun hat sich seit ein paar Jahren ein extrem seltsames Phänomen breit gemacht, es wird praktisch alles unter „Trash“ wegsortiert und ausgelacht, was offenbar nicht den von immer teurer (und seelenloser) werdenden Studioproduktionen aus Hollywood vorgegebenen Standards entspricht. Filme, die schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben, gelten spätestens mit dem Auftauchen der Remakes als minderwertig, Arte zeigt „Trash“-Reihen mit handwerklich herausragenden Beiträgen wie „Blut auf den Lippen“, die – wenn man schon unbedingt in Schublädchen denken will – eigentlich eher im Arthouse-Sektor zu Hause sind und auf Tele 5 werden in der Show „Die schlechtesten Filme aller Zeiten“, kurz „SchleFaZ“, die unterschiedlichsten Titel von zwei Moderatoren „lustig“ runtergeputzt. Dabei spielt es absolut keine Rolle, ob kompetent inszenierte, teils auch von der Kritik anerkannte Werke wie „Knochenbrecher im wilden Westen“ oder „Blackula“ auf dem Programm stehen oder Fließbandproduktionen aus der berühmt-berüchtigten Asylum-Schmiede, die sich, am Rande bemerkt, auch nur oberflächlich gesehen für ein Format dieser Art anbieten, denn wer sich mal das ein oder andere Interview mit der Bude zu Gemüte geführt hat, wird feststellen, dass hier die Trash-Connaisseure im Endeffekt die Doofen sind, denn die Macher wissen ganz genau, was sie da tun und verdienen damit auch gutes Geld. Soviel zum Thema Schadensfreude.

Natürlich, es finden sich auch „echte“ Trashfilme bei „SchleFaZ“, aber selbst da stellt sich die Frage, ob solch eine „Höhö“-Rezeption zwangsläufig immer die Richtige ist, denn: Zeugen Filme dieser Art oftmals nicht in erster Linie von Leidenschaft? Von einer großen Leidenschaft, die mit einem ebenso großen Scheitern verbunden ist, weil die emotionale Triebkraft weitaus größer war, als es die Realität eigentlich gestattet? Ist nicht genau das eigentlich eher sympathisch als auslachenswert? Vielleicht handelt es sich bei einem Kandidaten wie dem in diesen Zusammenhang so häufig zitierten „Plan 9 aus dem Weltall womöglich sogar um eine der größten Liebeserklärungen aller Zeiten und nicht um ein Kicher-Event?

Wie auch immer: Es ist jedenfalls zu hoffen, dass diese Welle der fehlgeleiteten Häme bald wieder aufhört und das Rezeptionsvermögen schnell wieder differenzierter wird, denn dann bekommen auch Filme wie „Sternenkrieg im Weltall“ wieder all die Liebe, die ihnen letztendlich gebührt und werden nicht als Partygag wegsortiert.

Klar, das japanische Science-Fiction-Abenteuer würde sich für die Tele-5-Reihe prima eignen, denn es ist – auf den ersten Blick – nicht gut gemacht und reichlich bizarr, aber spätestens beim zweiten Hinsehen wird schnell klar, dass auch hier Häme völlig unangebracht ist und das Publikum nicht über den Film, sondern mit dem Film lachen sollte, denn die Macher können durchaus was, sie machen es nur auf ihre Art und die offensichtlichen „Mängel“ resultieren nicht unbedingt aus fehlendem Talent, sondern schlichtweg daraus, dass die technischen Mittel einfach gefehlt haben, man es aber trotzdem probiert hat, weil „geht nicht, gibt’s nicht“. Es ist genau dieses gnadenlos unbekümmerte Scheitern, das die „Star Wars“-Version von Regie-Legende Kinji Fukasaku („Battle Royale“) so ungemein drollig wirken lässt, die Schuhe, die man sich anzieht, sind eigentlich viel zu groß, aber egal, Augen zu und durch. Dabei handelt es sich trotz mancher doch sehr suboptimaler Effekte weder um einen Trash- noch um einen B-Film, „Sternenkrieg im Weltall“ war mit einem Budget von ungefähr 6 Millionen Dollar der im Entstehungsjahr teuerste japanische Film aller Zeiten, die „Star Wars“-Macher konnten allerdings trotzdem auf fünf Milliönchen mehr zugreifen.

Die Story geht so: Der Planet Jilutia war einst ein Paradies, alle haben sich lieb gehabt und die Fauna blühte, doch da kamen die bösen Gabanas und richteten ein Massaker an. Ein Grüppchen Überlebender will retten, was zu retten ist und schickt aus diesem Grund acht heilige Reyabe-Samen (die wie leuchtende Nüsse aussehen, was die deutsche Synchro auch entsprechend kommuniziert) los, welche acht mutige Krieger auswählen sollen. Das klappt auch, aber unsere unfreiwilligen Helden müssen nicht nur Jilutia, sondern auch die Erde retten, denn die Gabanas wollen in ihrem Machthunger ihr Gebiet erweitern…

„Star Wars“ startete im Frühling des Jahres 1977 in den USA, simultane, weltweite Starts lagen damals noch in weiter Ferne und so eroberten die lucaschen Sternenkrieger erst am 01.07.1978 die japanische Leinwände, was die findige Produktionsfirma Toei, deren Mitarbeiter natürlich bemerkt hatten, welche Geldsäcke Luke Skywalker im Rest der Welt nach Hause brachte, veranlasste kurzerhand ihren eigenen Sternenkrieg zu produzieren, der in den heimischen Lichtspielhäusern dann auch zwei Monate vor der Invasion der Amerikaner startete. Man sollte fairerweise allerdings noch anfügen, dass hier, anders als bei den Italienern etwa, die sich zu dieser Zeit auch gerne bei amerikanischen Vorbildern bedient haben (man denke etwa an „Star Crash - Sterne im Duell“ von 1978), Unternehmen dieser Art nicht ausschließlich aus rein kommerziellen Gründen erfolgten, sondern auch auf das japanische Selbstverständnis zurückzuführen sind: Was die Amis können, können wir schon lange!   

Das Ganze jedenfalls lediglich als kecke Mopserei abzutun, würde der Sache so oder so nicht ganz gerecht werden, denn Lucas hat sich für sein Weltraumepos bekannterweise ja ebenso beim japanischen Kino bedient – gleiches Recht für alle!

Die Abkupferei ergibt in diesem Fall in einer Sache sogar einen Tick mehr Sinn als bei der Vorlage: Die Gabana-Krieger mögen vielleicht etwas nach Darth-Vader aussehen, die vadersche Abendgarderobe wurde allerdings einer Samurai-Rüstung nachempfunden, weswegen die Kopie in diesem Punkt kulturell gesehen sogar näher liegt!

Klauerei hin- oder hier (Lucas muss Fukasakus Film übrigens auch gesehen haben, denn eine Szene zum Ende hin findet sich im fünf Jahre später entstandenen „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ (1983) wieder), was den „Sternenkrieg“ so eigen und so zauberhaft macht ist, man ahnt es bereits, der herrlich naive Charme der Umsetzung: Die Japaner können tricktechnisch den Amerikaner nicht das Wasser reichen und so wirkt alles eine ganze Spur kleiner und schräger, es düsen klar erkennbare, mit Liebe gestaltete Modellschiffe durch die Gegend, es gibt eingezeichnete Laserblitze, die Kostüme sind wahnsinnig bunt und der Chefbösewicht hat hier eine böse Mama im Rollstuhl, die von einem Mann mit aufgeklebter, silberner Hexennase gespielt wird!

Der rasante, sehr unterhaltsame Film wimmelt nur so vor kruden Schrulligkeiten: Da fliegen die Hauptdarsteller mit klar erkennbaren Atemschutzmasken in einer regelrecht psychedelischen Szene auf der Jagd nach Feuerkäfern durch das All, die Jilutianer sehen mit ihren Lorbeerblätterkränzen im Haar aus wie die vergessenen Statisten eines Bibelfilms, permanent tauchen irgendwo leuchtenden Nüsse auf, denen allergrößte Bedeutung beigemessen wird („Du, Meia, ich glaube er ist sauer, weil seine Nuss nicht zu ihm zurückgekommen ist!“) und in einer der besten Szenen ruft ein Bediensteter „Majestät, eben ist ein Illusier-Schiff gestartet!“ – und es segelt TATSÄCHLICH ein Schiff (!) durchs All, das aussieht wie eine spanische Galeone!!

Natürlich kann man das alles als Quatsch abtun, als „Trash“ weglachen, man kann darin aber auch einen herrlich wilden, vom kindlicher Lust am Basteln und Spielen dominierten Film sehen, ein Film, der lebt, der atmet und zum Staunen einlädt – das ist immerhin weitaus mehr als man über die letztes Jahr veröffentlichte, neueste Version der amerikanischen Variante sagen kann, der von den langen, kalten Fingern der Marketingabteilung das Herz aus dem zuckenden Leib gerissen wurde.

Eine wundervolle Perle auf einer ebenso wundervollen Blu-ray, nur leider ohne leuchtende Nuss.

„Sternenkrieg im Weltall“ ist seit dem 5.8.2016 auf Blu-ray und DVD erhältlich.

Sternenkrieg im Weltall (Japan 1978) • Regie: Kinji Fukasaku • Darsteller: Vic Morrow, Sonny Chiba, Philip Casnoff, Peggy Lee Brennan, Etsuko Shihomi, Tetsurô Tanba, Mikio Narita

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