„Transformers“-Ausstellung
Ein Besuch im Museum Frieder Burda
Beim Begriff Transformers denkt wohl jeder sofort an die berühmte Filmreihe aus dem Hause Michael Bay und liegt auch hier nicht verkehrt, denn das Hollywood-Franchise des Krachbumm-Regisseurs hat es jetzt in ein renommiertes baden-württembergisches Museum geschafft – und zwar ins Museum Frieder Burda im beschaulichen Baden-Baden.
Aber der Reihe nach. Der Titel der Ausstellung war für die Überschriftenzeile zu lang, deswegen nun komplett: „Transformers – Meisterwerke der Sammlung Frieder Burda im Dialog mit künstlichen Wesen“. In der von Udo Kittelmann kuratierten Ausstellung bewegen sich Besucher inmitten einer laut Werbetext „konspirativen Konstellation“. Das heißt: Zahlreiche Werke der Kunstgeschichte, von Georg Baselitz, William N. Copley, Pablo Picasso, Gerhard Richter, Andy Warhol und anderen aus der Sammlung Burdas wurden mit Arbeiten von vier Künstlern der Generation Post-Internet konfrontiert. Die Zusammenstellung versteht sich als „hybride und visionäre Versuchsanordnung“, die „unbekannte Erfahrungsräume öffnet“. Um einiges schlichter formuliert könnte man wohl auch einfach sagen hier treffen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufeinander und es entstehen gewisse Irritationen, die den Besuch der Ausstellung noch einige Zeit nachhallen lässt.
Zu den Künstlern:
Louise Clement ist mit drei so genannten Repräsentantinnen vertreten, lebensechte Kopien ihrer selbst, die sich als Gäste der Ausstellung eingefunden haben und auf den Sitzgelegenheiten anzutreffen sind. Die Avatare, deren Skelette aus Metall und deren Hüllen aus Silikon bestehen, sind mit einem Chatbot ausgestattet, der – bei mir und anderen, die auf ein Schwätzchen gehofft hatten, lief es allerdings eher holprig – Unterhaltungen möglich macht. Dennoch eine interessante Erfahrung, denn mir waren die Damen inmitten der Besucher zuerst tatsächlich nicht aufgefallen und der Umstand, dass die Repräsentantinnen bei näherem Hinsehen an Sexpuppen erinnern, wirkt gerade in diesem Rahmen wunderbar schräg.


Das mit Abstand süßestes Ausstellungsstück wurde von Ryan Gander beigesteuert: Durch ein frisch aufgebrochenes Loch in einer Wand schaut die animatronische Skulptur einer weißen Maus raus, die mit der Kinderstimme von Ganders zur Entstehungszeit neunjähriger Tochter stotternd und stammelnd irgendwelchen Phrasen von sich gibt, ohne so Recht zu Wissen, was sie eigentlich sagen will. Eventuell die Folge eines durch die Begegnung mit der Welt ausgelösten Schocks …?
Aber nun zu den Transformers. Das Thema kommt deutlich weniger spektakulär daher als im Kino: Von Timur Si-Quin wurden die Kinoplakate des ersten Films von 2007 zu einer mit Pflanzenblättern überwucherten Serie namens „Mainstream“ zusammengestellt, die auf die Verschmelzung von Organischem und Technischem im 21. Jahrhundert hinweisen soll. So amüsant es auch ist, dass ausgerechnet Plakate zu einem Film von Michael Bay, den wohl weltweit niemand ernsthaft auch nur im allerkühnsten Traum mit dem Wort „Kunst“ in Verbindung bringen würde, zu Kunst verarbeitet wurde: Letztendlich dennoch eine reichlich merkwürdige, irgendwie banal anmutende Galerie. Bizarrer ist nur noch das Statement von Si-Quin, der keine Trennung zwischen Kommerz und der natürlichen Welt sieht und den Umstand, dass unsere Lebenswelt von Werbung durchzogen ist, sehr schön findet. Entschuldigung, aber: Hä?


Das unbestrittene Highlight der Ausstellung ist die „Female Figure“ von Jordan Wolfson und die steht in einem weißen, steril wirkenden Raum, den nur Gruppen zu sechs Besucher betreten dürfen. Zu sehen bekommt man ein animatronisches Go-Go-Girl mit platinblonden Haaren, weißen Handschuhen und Overknee-Stiefeln in einem weißen Negligé, das den erstaunlich knackigen Roboter-Hintern kaum bedeckt. An sich ein höchst erfreulicher Anblick, allerdings ist der Körper der Androidin, die mit dem Rücken zum Zuschauer dasteht und in einen Spiegel blickt, voller schwarzer Schmutzflecken. Zudem trägt sie eine grüne Halbmaske mit langer Nase, in der sich Gesichterkennungssoftware verbirgt, die ermöglicht, dass die Figur die Besucher aus dunklen, feindseligen Augen ansieht. Sieben Minuten lang tanzt das Girl zu Popsongs und gibt mit der Stimme des Schöpfers Statements wie „My mother is dead. My father is dead. I’m gay. I’d like to be a poet. This is my house“ von sich. Natürlich tut sich hier ein größerer Bedeutungsraum auf, in dessen Kern vor allem das Wort Sexismus kreist, aber letztendlich ist das Gefühl, dass diese Vorführung erzeugt, vielleicht entscheidender als der Sinn, denn „Female Figure“ wirkt wie ein nur allzu reales Teilstück einer sich hoffentlich nie in ihrer Gänze manifestierenden Dystopie.
Insgesamt hätte es gerne ein paar mehr künstliche Wesen geben dürfen, im Dialog zwischen den Meisterwerken der Sammlung Frieder Burda und den Wesen gab es ein deutliches Ungleichgewicht. Allerdings ermöglichte einem die „Female Figure“ immerhin das, was der Science-Fiction-Film nur schwer möglich machen kann: Das unmittelbare Empfinden einer potentiellen Zukunft. Und abgesehen davon: Die alten Meister sind so oder so immer eine Reise wert.
Final noch ein Hinweis: Die Ausstellung bietet für Familien, Kinder und Jugendliche ein Begleitprogramm an, das unter aus anderem aus Workshops besteht, in denen Roboter aus Pappe gebastelt oder Roboter gemalt werden können.
Weitere Infos gibt’s auf der Webseite des Museums (die Ausstellung läuft noch bis zum 30.04.2023).
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