4. Juni 2015 3 Likes

Suit up!

NASA feiert „50 Jahre Spacewalk“ mit einer Dokumentation

Lesezeit: 3 min.

Vor 50 Jahren war es bei der NASA Standard, dass quasi jede Woche ein „erstes Mal“ gefeiert wurde: Der erste amerikanische Astronaut im Orbit, das erste erfolgreiche Andock-Manöver und eben auch der erste Weltraumspaziergang eines Amerikaners, wohlgemerkt. Denn wie schon beim ersten Satelliten waren auch hier die Russen schneller, wenn auch nur wenige Wochen.

Nach wie vor gehörte Weltraumspaziergänge, oder „extravehicular activities“ (kurz EVAs), wie die NASA sie in ihrem unnachahmlichen Duktus nennt, zu den riskanteren Manövern im All. Der menschliche Körper ist perfekt an das Leben auf der Erde, unter Schwerkraft und mit einer atembaren Atmosphäre angepasst; alles Dinge, die in der endlosen Schwärze fehlen. Trotzdem legen jedes Jahr die Astronauten auf der ISS die klobigen, sperrigen Druckanzüge an, manövrieren sich aus der Schleuse und führen Arbeiten durch, die eben nicht von Robotern erledigt werden können. Ob das menschliche Gehirn das überhaupt verkraften würde, war so lange umstritten, bis es eben jemand ausprobierte. Der Psychiater Eugene Brody erklärte 1959 auf einem Symposium noch, dass das Verlassen der Erde mit all ihren von uns nur unbewusst wahrgenommenen, aber ungemein wichtigen Eigenschaften sehr wahrscheinlich sogar bei den Besten der Besten, die für das Weltraumprogramm ausgewählt wurden, Schizophrenie auslösen würde.

Der allererste Weltraumspaziergang in der Geschichte der Menschheit, der von dem sowjetischen Kosmonauten Alexej Leonow im März 1965, zweite einerseits, dass Schizophrenie eher nicht das Problem ist, machte andererseits aber auch die Gefahren deutlich, die damit verbunden sind: Leonows Druckanzug war während seiner 12 Minuten Aufenthalt im Vakuum so steif geworden, dass er seine Knie nicht mehr bewegen konnte. Bei der Rückkehr in seine Woschod-Kapsel konnte er deswegen nicht, wie geplant, mit den Füßen zuerst einsteigen, sondern musste mit dem Kopf voran in die Schleuse. Dort ließ er dann so viel Druck aus dem Anzug ab, dass er sich drehen und die Schleusenklappe schließen konnte – ein lebensgefährliches Unterfangen. Auch Ed White, der erste Amerikaner auf einem Weltraumspaziergang, hatte mit den Tücken des Druckanzugs zu kämpfen – aber noch weitaus mehr mit seiner Umgebung, die ihn so sehr faszinierte, dass er nicht mehr in das Schiff zurückkehren wollte. CAPCOM Gus Grissom in Houston und Pilot James McDivitt mussten ihn, wie die Missionstranskripte (hier einsehbar, ab S. 50) zeigen, regelrecht überreden, wieder einzusteigen. Als White sich endlich auf die Luke zubewegt, sagte er: „Das ist der traurigste Moment meines Lebens.“ Er brauchte 25 Minuten, um sich in seinem Anzug wieder ins Schiff zu quetschen und die Luke zu schließen. McDivitt war, ebenso wie Leonows Pilot Pawel Beljajew, angewiesen, die Versorgungsleinen der Weltraumspaziergänger, die sie mit dem Schiff verbanden, durchzuschneiden und die Astronauten im Orbit zurückzulassen, sollte ihnen eine Rückkehr in die Raumkapsel nicht möglich sein.

Bis heute ist das Ein- und Aussteigen des „eckigen“ Astronauten durch die runde Luke der schwierigste Teil bei einem EVA, davon kann auch der kanadische Astronaut Chris Hadfield (im Shop) ein Liedchen singen. „Weltraumwahnsinn“ allerdings war nach Ed Whites Ausflug allerdings kein Thema mehr: Astronaut Clayton Anderson etwa drückte sich sehr viel prosaischer aus, als er zum ersten Mal aus der Schleuse schwebte: „Ziemlich dunkel hier.“

Noch viel mehr Geschichten rund um das Thema gibt es auf nasa.gov/suitup. Die komplette Doku von Jon Cryer kann man sich auf dem YouTube-Kanal der NASA ansehen.

Bild: Astronaut Thomas Reiter bei seinem Spacewalk 2006/ESA

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