27. November 2017 1 Likes

Nieren fürs Weltall

Wann der Weltraumtourismus kommt, steht in den Sternen

Lesezeit: 4 min.

Heute habe ich mit Blue Origin ein Hühnchen zu rupfen.

Falls Ihnen dieser Name nichts sagt: Blue Origin ist ein von Amazon-Chef Jeff Bezos gegründetes privates Raumfahrtunternehmen und einer der Hauptkonkurrenten von SpaceX. Ein erklärtes Ziel dieser Firma ist es, so schnell wie möglich Touristen ins All zu befördern. Vor kurzem verkündete der Geschäftsführer Bob Smith, dass es spätestens im April 2019 so weit sein soll.

Eigentlich hätte ich bei dieser Nachricht Freudensprünge machen müssen, immerhin ist es mein Lebenstraum, einmal den Weltraum zu bereisen, obwohl ich als Science-Fiction-Autor wohl niemals genug verdienen werde, um mir eine solche Reise leisten zu können. Wer weiß, vielleicht bin ich mit dem Alter  zynischer geworden – doch als ich davon erfuhr, habe ich weder Freudensprünge gemacht noch mich bei meiner Bankberaterin erkundigt, was meine Nieren gerade auf dem freien Markt wert sind. Nein, meine erste Reaktion bestand darin, mich über diese Nachricht maßlos zu ärgern.

Es ist doch immer dasselbe. Elon Musk ist ein weiteres Paradebeispiel dafür. In der kürzlich erschienenen und ziemlich spannenden Biographie der Journalistin Ashlee Vance wird er nicht nur als Ausnahmegenie beschrieben, sondern auch als jemand, der ständig völlig unhaltbare Terminversprechen in die Welt setzt: Ganz zweifellos werden wir nächste Woche den Mars besiedeln. Bis Weihnachten wird der Tesla Roadster serienreif sein. Spätestens zu Neujahr. Oder im Februar. Februar 2021.

Da Musk tatsächlich ein Genie ist, löst er seine Versprechen immer früher oder später ein. Doch Termine einzuhalten ist seine Sache nicht. Ich zweifle nicht daran, dass es mindestens teilweise sein Verdienst sein wird, wenn wir irgendwann auf dem Mars landen. Trotzdem – diese ständige, völlig willkürliche Terminfestlegung geht mir auf die Nerven.

Ganz besonders in der Weltraumforschung, wo ja alles immer fünfmal so lange dauert wie geplant. Man sollte meinen, dass Musk, Bezos und Smith inzwischen von der Videospieleindustrie gelernt haben – die wird auch ständig von verschobenen Erscheinungsterminen geplagt und muss sich mit verärgerten Fans herumschlagen, weil (zum Beispiel) Fallout 5 immer noch nicht fertig ist.

Dabei habe ich eigentlich durchaus Vertrauen in diese Firmen. Wenn SpaceX in der Lage ist, eine Rakete in die Stratosphäre zu schießen, sie eine Kehrtwende vollführen und wieder sicher auf der Erde landen zu lassen, um sie später noch einmal zu verwenden, dann sollte es ja wohl kein Problem darstellen, ein paar Touristen ins All zu befördern. Wäre es also nicht besser, ich würde einfach den Mund halten und abwarten? Nein und nein. Erstens lasse ich mir den Mund nicht verbieten, und zweitens ist es alles andere als einfach, Personen ohne Astronautenausbildung regelmäßig und einigermaßen sicher ins All zu befördern (und darum geht es ja schließlich beim Weltraumtourismus). Meiner Meinung nach nimmt Blue Origin den Mund ziemlich voll. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie es tatsächlich bis 2019 schaffen.

Schon im April berichtete TechCrunch, dass die Firma ihren ersten bemannten, für Ende 2017 angesetzten Testflug auf 2018 verschoben hat. Und nur ein Jahr nach einem Weltraumflug mit ausgebildetem Personal dasselbe mit Touristen zu versuchen, ist schlicht und einfach ein Ding der Unmöglichkeit. So etwas dauert eine Ewigkeit. Ich würde ja gerne glauben, dass es möglich ist – wie gesagt, ich wäre bereit, für einen Flug ins All mehrere Körperteile zu verkaufen. Und selbstverständlich pflegen Leute wie Elon Musk ihre Vorhaben in die Tat umzusetzen. Die Frage ist nur: Wann?

Zugegebenermaßen kann auch ich nicht vorhersagen, wann der erste Tourist im Weltraum sein wird, aber ich hoffe, dass es passiert, bevor wir in einem von einem Tweet ausgelösten Atomkrieg sterben. Und ich hoffe, dass diese Reisen ins All mehr bieten werden, als gerade geplant ist. Bisher werden die Passagiere CNN zufolge lediglich „kurzzeitig die Schwerelosigkeit erleben und die atemberaubende Aussicht genießen“.

Ich will aber mehr als nur kurzzeitig die Schwerelosigkeit erleben. Ich will mehr als nur zehn Minuten durch ein kleines Fenster starren. Ich verkaufe doch keine Niere für eine bessere Busfahrt auf der Erdumlaufbahn.

Ich habe ein faszinierendes Foto gesehen, auf dem eine Astronautin auf der Internationalen Raumstation – leider konnte ich ihren Namen nicht herausfinden – auf einem riesigen Bullauge oder so ähnlich liegt und staunend die Erde unter sich betrachtet. Genau das will ich, und ich gebe mich nicht mit Weniger zufrieden. Ich erwarte, dass SpaceX, Blue Origin oder wer auch immer das bis nächsten Dienstag möglich machen – anderenfalls schreibe ich eine TripAdvisor-Kritik, die sich gewaschen hat.
 

Rob Boffard wurde in Johannesburg geboren und pendelt als Autor und Journalist zwischen England, Kanada und Südafrika. Er schreibt unter anderem für „The Guardian“ und „Wired“. Seine Romane „Tracer“ (im Shop) und „Enforcer“ (im Shop) sind im Heyne-Verlag erschienen. Alle seine Kolumnen finden Sie hier.

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