„Ich hatte nur den Film vor Augen“
Die neuen „Blade Runner“-Comics: Im Gespräch mit Zeichner Andrés Guinaldo
1968 veröffentlichte Philip K. Dick seinen berühmten Science-Fiction-Roman „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“, den Regisseur Ridley Scott 1982 als „Blade Runner“ verfilmte und unsterblich machte. Während Konzeptkünstler Syd Mead den Look der damals weit entfernt wirkenden Zukunft des Jahres 2019 prägte und z. B. die ikonischen Spinner-Flugautos designte, spielten Harrison Ford, Rutger Hauer und Sean Young die Hauptrollen. Der Film wurde ein Klassiker und beeinflusst seither die gesamte Science-Fiction sowie unser Bild der Zukunft. Bei Panini erscheinen seit Ende März die neuen offiziellen „Blade Runner“-Comics, die sich den Fällen der Replikantenjägerin Aahna „Ash“ Ashina widmen, die für die Polizei von Los Angeles ermittelt. Geschrieben werden ihre Abenteuer in der düsteren Neon-Zukunft von Drehbuchautor Michael Green („Blade Runner 2049“, „American Gods“) und Comic-Autor Mike Johnson („Batman/Superman“, „Star Trek“), die Zeichnungen stammen vom spanischen Künstler Andrés Guinaldo, der u. a. schon „Gotham City Sirens“, „Justice League Dark“ und „Captain America: Steve Roger“s bebilderte. Im Interview spricht Guinaldo darüber, wie es ist, seinen Teil zum großen multimedialen „Blade Runner“-Franchise beizutragen.
Hallo Andrés. Wann hast du die Welt von „Blade Runner“ zum ersten Mal betreten?
Ich erinnere mich daran, als Kind den Film im Fernsehen gesehen zu haben. Natürlich hat er mich schockiert. Am Anfang schätzte ich vor allem seinen Look: die Lichter der Stadt, das Design des Spinners, den Dampf aus der Kanalisation. Später achtete ich beim Anschauen des Films mehr auf seine Geschichte, seinen philosophischen Anspruch und die Tiefe seiner Charaktere. Speziell die Figur Roy Batty. Die großartige Interpretation von Rutger Hauer. „Blade Runner“ ist ein Film, den ich von Zeit zu Zeit immer wieder ansehe.
Hast du noch andere Science-Fiction-Favoriten?
Ich bin ein großer Fan des klassischen Kinos. Schon immer hegte ich große Bewunderung für Klassiker wie „Der Tag, an dem die Erde stillstand“ oder „Invasion der Körperfresser“. Das allegorische Vermögen des Genres hat mich stets fasziniert.
Du hast viele Superhelden für DC und Marvel gezeichnet. Ist dein künstlerischer Ansatz ein anderer, wenn du einen Cyberpunk-Krimi wie „Blade Runner“ umsetzt?
Alle Genres haben ihre Regeln, an die man sich halten muss. Die Welt der Blade Runner ist im Film bereits sehr gut dargestellt. Es ist schwer, ein Science-Fiction-Werk aus der Zeit nach „Blade Runner“ zu finden, das nicht Echos des Films verarbeitet. Das macht die Arbeit auf dem Referenz-Level einfacher. Allerdings gestatte ich es mir, etwas von meinem eigenen Stil einzubringen, ohne dabei zu vergessen, die Vision der Autoren wiederzugeben. Der Weg ist abgesteckt, aber du zögerst nicht, neue Dinge einzuführen. Ich liebe Noir-Krimifilme noch mehr als Science-Fiction-Streifen, deshalb genieße ich diese Arbeit wirklich sehr.
Filmdesigner Syd Mead prägte nicht bloß die Welt von „Blade Runner“, sondern unsere kollektive Vorstellung von Zukunfts-Szenarien. Erzeugt das Druck, wenn man in diesem Universum arbeitet?
Es setzt mich ehrlich gesagt kein bisschen unter Druck. Syd Meads Arbeit an den Designs ist eine wundervolle Vorgabe, um ihr zu folgen. Ich hatte als Einfluss auch nur den Originalfilm vor Augen. Besonders am Anfang haben wir versucht, das zu reflektieren, was im Film zu sehen ist. Ich denke, das ist etwas, das man dem Film und seinen Fans schuldig ist, um dann von hier aus etwas Neues zu erschaffen, ohne den Geist des Originals zu betrügen.
Wie würdest du den Spirit eurer neuen „Blade Runner“-Comics denn beschreiben?
Diese Serie will das Universum von „Blade Runner“ über das hinaus erkunden, was im Film gezeigt wurde. Es geht uns keineswegs nur darum, nicht die Essenz zu verlieren, sondern im Gegenteil darum, diese Essenz so gut wir können zu bereichern. Die Leser können dem vertrauen, was diese beiden fantastischen Autoren uns anbieten. Ich kann jedem versichern, dass wir als Kreativteam die besten Absichten haben und das Vermächtnis von „Blade Runner“ weiter erhalten und erneuern – in dem wundervollen Medium, das der Comic ist.
Michael Green ist sehr aktiv in Film und Fernsehen. Sorgt das für einen spürbaren filmischen Vibe in den Comic-Scripts von ihm und Mike Johnson?
Ich habe bereits an vielen Comics mit tollen Autoren zusammengearbeitet, und ich kann sagen, dass die Arbeit von Michael und Mike zum Besten gehört, das zu zeichnen ich je die Ehre hatte. Ich liebe es, dass sie auf das Voiceover zurückgreifen, das so charakteristisch für den Film noir ist, mit scharfen, trockenen und direkten Sätzen. Wirklich, man ist von der ersten Seite an am Haken.
Mit Ash habt ihr eine brandneue Figur für das „Blade Runner“-Universum kreiert. Kannst du uns ein bisschen etwas über den kreativen Prozess erzählen?
Ich denke, es war smart von Michael und Mike, das Geschlecht der Hauptfigur zu wechseln. Nicht aus Gründen der Political Correctness, sondern weil man einen anderen männlichen Protagonisten im „Blade Runner“-Universum automatisch in Konkurrenz zu Rick Deckard gestellt hätte, und das wäre unfair gewesen. Die Erschaffung von Ash eröffnet eine Vielzahl von Möglichkeiten. Nichtsdestotrotz wollten wir uns zunächst nicht von der Ästhetik entfernen, die der Film etabliert hat. Darum erinnert uns Ashs Outfit an den typischen Film noir im Kino: weiter Regenmantel, Krawatte, Hemd … wie ein Blade Runner sie tragen würde. Ansonsten war es wichtig, eine Hauptfigur zu erschaffen, die sogar noch taffer als Deckard ist. Ohne Empathie für andere, jedoch mit einem Hintergrund, den wir im Verlauf der Geschichte entdecken werden.
Was hat dir beim Zeichnen der ersten Storyline am meisten Spaß gemacht?
Das größte Vergnügen bereitete mir zweifellos die Neugestaltung der Stadt Los Angeles. In der Lage zu sein, das zu zeichnen, was mir als Kind beim Anschauen des Films die meiste Freude machte. Wobei Marco Leskos Farben zusätzlich dabei helfen, uns an das Licht im ursprünglichen Film zu erinnern.
Und war auch etwas besonders schwierig während der Arbeit?
Wenn man mag, was man tut, sind Schwierigkeiten nur selbstgeschaffene Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Ich wusste allerdings nicht genau, ob meine Neuinterpretation von L. A. Fans des Films gefallen würde. Aber den Kritiken nach zu urteilen scheint es so, als würden die Leute den Comic ausgesprochen mögen, und die Darstellung der Stadt ist sogar einer der Aspekte, der ihnen am besten gefällt. Also, Test bestanden … denke ich? (lächelt)
Auf jeden Fall! Vielen Dank für das Gespräch.
Michael Green, Mike Johnson, Andrés Guinaldo: Blade Runner 2019 Band 1 • Stuttgart 2020, Panini • 116 Seiten • €15,00 • Leseprobe
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