25. November 2021 2 Likes

Arno Schmidt: „Schwarze Spiegel, gezeichnet von Nicolas Mahler“

Philosophisch-experimentelle Science-Fiction vom Minimalismus-King

Lesezeit: 2 min.

Das Minimalismus-Genie Nicolas Mahler („Nachgestalten“, im Shop) hat sich das eigentlich eher öden Genre der Comic-Literaturadaptionen in den letzten Jahren auf unvergleichliche Art und Weise zu eigen gemacht und stellt diesen Umstand in seiner achten Adaption erneut eindrucksvoll unter Beweis. Der springende Punkt ist einfach: Mahler versucht nicht sklavisch Romane in Bilder zu gießen, ein Medium ins andere zu transferieren, der Österreicher kürzt radikal, stellt um, fügt hinzu – wer eine seiner Bearbeitungen aufschlägt, kriegt nicht einfach die Vorlage in Bildern, sondern den Blick Mahlers auf die Vorlage, er macht sie sich komplett zu eigen. Diesen Ansatz behält der überaus produktive Künstler bei seiner Fassung des philosophisch-experimentellen Kurzromans „Schwarze Spiegel“ (1951) von Arno Schmidt (1914-1979) bei. Geschildert wird das Umherstreifen eines Mannes (in der Vorlage hat dieser Züge von Schmidt, der Comic macht deutlich, dass es sich um den Schriftsteller selbst handelt), nachdem der dritte Weltkrieg fast die ganze Menschheit ausgelöscht hatte. Schließlich baut sich der Mann in der Lüneburger Heide ein Haus und begegnet dort nach sieben Jahren ohne menschliche Gesellschaft einem anderen Menschen – einer Frau.

Schmidts gesellschaftspessimistischer Text – dem Mann ist Gesellschaft zwar durchaus nicht Unrecht, anderseits ist er aber nicht gerade unglücklich über das Ende der Menschheit, denn die „dreht sich seit etlichen tausend Jahren immer in dem nämlichen Zirkel von Torheiten, Irrtümern, und Missbräuchen“ – ist der letzte Teil der Trilogie „Nobodaddy’s Kinder“, die außerdem aus „Aus dem Leben eines Fauns“ (1953) und „Brand’s Haide“ (1951) besteht. Von den letztgenannten beiden Geschichten und von weiteren wie „Das steinerne Herz“ wurden Textstellen entliehen und in „Schwarze Spiegel“ eingeflochten. Das Gleiche gilt für diverse Bildmotive. Die von Schmidt kultivierte Raster-Erzählweise, das heißt, die Handlung zerfällt in kurze Absätze, Momentaufnahmen von Wahrnehmungen – der Leser ist gezwungen die Lücken zu schließen – nebst der experimentellen Art mit Sprache umzugehen, findet sich bei Mahler nahezu unverändert wieder, was diesen Band vielleicht nicht gerade zu seinen einfachsten macht. Aber man sollte sich davon nicht schrecken lassen, denn der für ihn so typische, extrem reduzierte Zeichenstil könnten für ein Endzeitszenario nicht passender sein und vermittelt angemessene Karg- und Einsamkeit, sprich das Ganze ist – auf seine ganz eigene Weise – sehr atmosphärisch. Und natürlich findet sich auch der ebenso typische, sehr subtile Humor, während der Text etwa vom Liebemachen spricht, sehen wir zwei heiße Suppentöpfe auf dem Herd, einer kocht über.

Sicher, anspruchsvolle(re) Kost, aber mit Stil und Witz – da darf man gespannt sein auf das nächste Unterfangen im Kosmos des Strichmännchen-Gurus: „Romy Schneider: Alle Filme neu angeschaut und gezeichnet von Mahler“ (im Shop).

Abb.: © Suhrkamp Verlag 2021

Arno Schmidt: Schwarze Spiegel, gezeichnet von Nicolas Mahler • Suhrkamp, Berlin 2021 • 192 Seiten • Hardcover: 24€

 

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