8. Januar 2015 3 Likes

Wir sind die Roboter

Ein futuristischer Nostalgieabend mit Kraftwerk in Berlin

Lesezeit: 3 min.

Um Punkt 20.00 waren die Computer hochgefahren und der Beamer warmgelaufen. Und auch wenn die Konzerte der legendären Düsseldorfer Electro-Pioniere Kraftwerk inzwischen als perfekt inszenierte multimediale Events ablaufen: Am Ende stehen da doch vier Menschen auf der Bühne, vier ältere, graumelierte Herren in hautengen Catsuits mit Gittermuster. Etwaige Bauchansätze werden gnädigerweise von den breiten Synthesizern verdeckt, mit denen die Klänge produziert werden, die – man muss es so sagen – die Musik revolutionierten. Für acht Konzerte sind Kraftwerk in diesen Tagen zu Gast in Berlin, passenderweise in der minimalistischen Architektur der Neuen Nationalgalerie, die demnächst grundsaniert wird. An diesem Abend bevölkern aber noch einmal weit über tausend Menschen die edlen Hallen, in denen sonst Meisterwerke der Moderne hängen. Es sind meist Herrschaften gesetzteren Alters, bei denen man davon ausgehen darf, dass sie das ein oder andere Kraftwerk-Album auf Vinyl (die älteren werden sich erinnern) zu Hause im Plattenschrank stehen haben.

Dementsprechend gesittet geht es zu, Wein wird in richtigen Gläsern und nicht in Plastikbechern ausgeschenkt und im Souterrain empfängt der Hauptsponsor VW die geladenen Gäste in einer luxuriösen Lounge. Längst sind Kraftwerk ein Produkt geworden, das ebenso von vergangenem Ruhm lebt wie viele andere Altherrenbands, die seit Jahren keine oder keine relevante Musik mehr aufgenommen haben und von vergangenen Taten lebt. Aber was für Taten! Wenn die ersten Klänge von „Radioaktivität“ oder „Autobahn“ oder „Computerliebe“ oder oder oder durch die Nationalgalerie wummern (alles in eher gedämpfter Lautstärke von der man nicht weiß, ob sie die Architektur oder die Ohrmuscheln der Zuhörer schützen soll) brandet ekstatischer Jubel auf.

Von der Originalformation ist nur noch Mitgründer Ralf Hütter dabei, der inzwischen von Fritz Hilpert, Henning Schmitz und Falk Grieffenhagen unterstützt wird. Gemeinsam halten sie das Produkt Kraftwerk am Leben, dessen Einfluss auf die Musikgeschichte nicht hoch genug eingeschätzt werden kann: Hört man Kraftwerk, dann meint man immer auch unzählige andere Songs zu hören, die sich vom Original inspirieren ließen oder es ganz einfach kopierten. Was nicht zuletzt auch für die visuelle Gestaltung gilt, die oft ebenso eindrucksvoll und einflussreich war, wie die Musik.

Dass die aktuellen Konzerte von Kraftwerk als 3D-Konzerte bezeichnet werden, bei denen man mit wackligen 3D-Brillen aus Pappe in Richtung Bühne start, nun ja. Meist sind die auf eine Leinwand hinter den Musikern projizierten 3D-Effekte ähnlich überflüssig wie das 3D in einem Großteil des aktuellen 3D-Kinos. Da schweben mal Raumschiffe, mal überdimensionale Geigen durchs All oder landet ein UFO vor der Nationalgalerie. Doch gerade bei der visuellen Begleitung zu einem Titel wie „Autobahn“ entsteht ein interessanter Kontrast aus alt und neu: Gleichermaßen betont altmodisch wirken die kaum ausgearbeiteten Landschaften, die Spuren der Autobahn, der VW-Käfer (mit dem passenden Kennzeichen „D-KR 70“) und sind doch so offensichtlich mit moderner Computertechnik produziert, wie sie weder Mitte der 80er Jahre und schon gar nicht Mitte der 70er existierte.

So spielen Kraftwerk mit ihrer Legende, bedienen sich dem Verlangen nach Nostalgie, sind aber gerade was die Bühnenshow angeht doch immer noch der Zeit voraus. In Zeiten künstlich produzierter angeblicher „Superstars“ ist es besonders hübsch anzusehen, wenn da zur Zugabe „Wir sind die Roboter“, nur noch vier Roboterfiguren auf der Bühne stehen, die sich eckig bewegen und doch mehr Charisma ausstrahlen als so mancher echte Künstler. So konsequent das Konzert von den Roboter quasi zu Ende spielen zu lassen sind Kraftwerk dann aber doch nicht: Ganz am Ende spielt jeder der Musiker ein Solo, verbeugt sich am Bühnenrand und holt sich den ganz persönlichem Applaus ab, der auch für diese betont kalten, mechanischen Popstars das Salz der Suppe ist. Nachdem als letzter Ralf Hütter die Bühne verlassen hat, wabert der Sound noch eine Weile dahin bis endgültig die Lichter angehen und die Massen visuell und akustisch beglückt in die Berliner Nacht entschwinden. So perfekt durchgestylt, so nostalgisch dieser Abend auch war, am Ende war es vor allem eins: Ein großes Konzert.

Kraftwerk, Neue Nationalgalerie, bis 13. Januar, offiziell ausverkauft, aber Kurzentschlossene könnten versuchen an der Abendkasse einige der Restkarten zu ergattern.

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