5. März 2018 1 Likes

Wie viel Butter gehört auf einen Meteor?

Die Erde kann sich eigentlich gut gegen Attacken verteidigen – aber nur von außen

Lesezeit: 4 min.

Hey, haben Sie einen Augenblick Zeit? Und haben Sie Lust auf Popcorn?

Das war keine ernstgemeinte Frage. Jeder auf diesem Planeten möchte gern Popcorn essen – mit Ausnahme derer, die in diesem Augenblick Popcorn essen oder gerade welches gegessen haben. In diesem Sinne: Machen Sie sich Popcorn und erfahren Sie faszinierende Dinge über den Weltraum. Und sollten Sie diese Dinge gar nicht so faszinierend finden, haben Sie immerhin Popcorn. Eine Win-Win-Situation.

Popcorn gelingt am besten auf dem Herd mit etwas Öl. Sonst gibt es eigentlich nichts zu tun. Ich würde Ihnen allerdings empfehlen, Ihr Popcorn mit Butter und Salz zu verzehren. Und während Sie das tun, können Sie ja mal drüber nachdenken, wie diese wunderbar fluffigen, knusprigen Flocken entstanden sind.

In jedem Maiskorn steckt ein winzig kleiner Wassertropfen. Wenn man dieses Wasser erhitzt, wird es zu Dampf, und das Korn explodiert. Dabei dehnt sich seine Oberfläche schlagartig aus und kommt mit dem heißen Öl in Berührung. Jedes Popcorn wurde also sozusagen von innen heraus gekocht. Das Interessante daran: Derselbe Mechanismus schützt die Erde vor Asteroideneinschlägen.

Das soll keine Pointe sein, und das war auch kein Witz. Natürlich hat das Ganze nichts mit heißem Öl oder kleinen Wassertropfen und auch nichts mit Butter zu tun. Aber genau das Prinzip, das hinter dem ploppenden Popcorn steckt, verhindert, dass die Erde von gewaltigen Meteoren ausgelöscht wird.

So groß der Weltraum auch sein mag, die Erde – und so gut wie jeder andere Planet, Mond, Asteroid oder Komet – wird ständig von unzähligen kleinen Objekten beschossen, die durch das Universum sausen. Jeden Tag prasseln etwa 48,5 Tonnen davon auf unsere Atmosphäre ein. Wenn Sie jetzt denken, dass das meiste davon verbrennt und wir deshalb noch nicht in die Steinzeit zurückgebombt wurden, dann haben Sie recht – doch das erklärt nicht, weshalb manche Meteore (wie der Tscheljabinsk-Meteor von 2013, der von so vielen russischen Dashcams aufgezeichnet wurde) tatsächlich explodieren. Okay, vielleicht verträgt ihre Struktur die Hitze nicht und ja, sie könnten möglicherweise auch aus brisanten chemischen Verbindungen bestehen und so weiter, aber für einen Wissenschaftler – wie etwa dem Geophysiker Jay Melosh von der Purdue University in Indiana – ist „vielleicht“ und „möglicherweise“ als Erklärung zu wenig.

Melosh und seine Kollegen beobachteten diese über vierzig Tonnen Gestein, die wir täglich abbekommen, und entdeckten etwas Erstaunliches. Mithilfe von Computersimulationen fanden sie heraus, dass unsere Atmosphäre – unsere hauchdünne, kaum vorhandene Atmosphäre – in Wirklichkeit ziemlich hart im Nehmen ist.

Wenn sie ein böser Brocken aus dem All durchschlägt, machen sich die Luftmoleküle ans Werk. Sie erzeugen Reibung, die den Meteor im besten Fall verbrennt. Für hartnäckige Fälle dagegen muss ein schwereres Geschütz aufgefahren werden: Druck.

Die meisten Meteore sind porös wie steinerne Schwämme. Wenn sie in die Atmosphäre eintauchen, schieben sie eine Wand aus hochkomprimierter Luft vor sich her. Das wäre nicht so schlimm, würden sie dadurch nicht hinter sich einen Unterdruck erzeugen. Und aus dem Physikunterricht ist uns allen ja noch bekannt, wo die Luft hinwill. Um dorthin zu gelangen, bohrt sie sich durch den Meteor. Die winzigen Luftmoleküle dringen in die Gesteinsporen ein – mit dem Ergebnis, dass sich der Meteor genauso verhält wie ein Popcorn. Er schmeckt nur nicht so gut (und daran wird auch der größte Haufen Butter nichts ändern). In einem Meteor ist zwar kein Wassertropfen, aber der Effekt ist ungefähr der gleiche. Bumm.

Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich bin darüber sehr froh. Wir leben in einer Zeit, in der es einem Land möglich ist, ohne einen Tweet der Warnung mit Atombomben um sich zu werfen; in einer Zeit, in der das Klima eine ordentliche Abreibung bekommt; in der sich lärmende und gefährliche Idioten vermehren wie die Karnickel. Und doch hat es unser Planet so eingerichtet, dass uns – egal, was auf dem Boden passiert – kein Meteor gefährlich werden kann (bis zu einer gewissen Größe jedenfalls). Um diesen Mechanismus außer Kraft zu setzen, müsste die Menschheit schon die ganze Atmosphäre vernichten, und dann hätte sie weiß Gott größere Probleme als ein paar Weltraumfelsen.

Aber das wird nicht passieren. Obwohl, wenn man genauer drüber nachdenkt, ist das gar nicht so sicher. Immerhin ist die Menschheit ziemlich gut darin, Dinge zu zerstören, die irgendwann einmal als unzerstörbar galten.
 

Rob Boffard wurde in Johannesburg geboren und pendelt als Autor und Journalist zwischen England, Kanada und Südafrika. Er schreibt unter anderem für „The Guardian“ und „Wired“. Seine Romane „Tracer“ (im Shop) und „Enforcer“ (im Shop) sind im Heyne-Verlag erschienen. Alle seine Kolumnen finden Sie hier.

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