14. Mai 2018 1 Likes

Von Nerds, Genies und Visionären

Walter Isaacson beschreibt in „The Innovators“ die digitale Revolution

Lesezeit: 3 min.

Hätte ich diesen Text vor 150 Jahren geschrieben, würde ich die Technik, mit der ich meine Gedanken aufs Papier bringe verstehen: Einen Bleistift oder Tinte und Feder zu begreifen ist einfach, auch vor 50 Jahren wäre es ein leichtes gewesen, die Mechanik einer Schreibmaschine zu verstehen. Doch zu begreifen, wie sich durch das Drücken auf Tasten meines Notebooks Zeichen auf dem Monitor formen, wie ich nebenbei via Wifi im Internet recherchiere und den Text dann per Email an den Redakteur schicke, der ihn Online postet, wo er theoretisch weltweit zu lesen sein wird? Die moderne, von Technologie geprägte Welt zu begreifen ist kaum noch möglich, zu komplex ist die Technik geworden und einfacher wird es nicht werden: Wie wird es erst sein, wenn dank Quantencomputern tatsächlich auch nur annähernd so etwas wie Künstliche Intelligenz möglich sein wird?

Um diese und viele andere Fragen kreist Walter Isaacsons „The Innovators“, dessen umständlicher deutscher Untertitel „Die Vordenker der digitalen Revolution von Ada Lovelace bis Steve Jobs“ andeutet, welch weiter Bogen hier geschlagen wird. Isaacson, der im Lauf der Jahre Biographien über Henry Kissinger, Benjamin Franklin, Steve Jobs und zuletzt Leonardo da Vinci geschrieben hat, konzentriert sich diesmal nicht auf eine Person, einen Mann, muss man sagen, sondern auf dutzende, auch hier meist Männer, die auf die ein oder andere Weise zu den technologischen Entwicklungen beigetragen haben, die unsere Zeit und die absehbare Zukunft prägen werden, die für eine derart rasante Entwicklung und Veränderung des menschlichen Miteinanders gesorgt haben, die in der Geschichte wohl ihres gleichen sucht.

Seine Erzählung mag zwar von Männern dominiert sein, doch sie beginnt Mitte des 19. Jahrhunderts mit einer Frau: Ada Lovelace, deren theoretische Überlegungen den Entwicklungen ihrer Zeit weit voraus waren: Schon um 1840 schrieb sie über die Unterschiede zwischen einer bloßen Rechenmaschine und einem wirklichen Computer, stellte Fragen zur Möglichkeit der Künstlichen Intelligenz, die über 100 Jahre später Alan Turing als Lady Lovelace’s Objection bezeichnen sollte.

Es macht fraglos Sinn, ein Buch über die Entwicklung der Computer mit Lovelace zu beginnen, aber es ist gewiss auch eine ideologische Entscheidung, denn von Ideologie ist Isaacsons Buch geprägt: Immer wieder betont er die Notwendigkeit, dass eine brillante theoretische Idee nicht reicht, sondern nur im Verbund mit einer entsprechenden praktischen Umsetzung Erfolg haben kann. Im Gegensatz zu seinen Monographien ist „The Innovators“ daher geprägt von Duos: Gordon Moore und Robert Noyce, Bill Gates und Paul Allen, Steve Jobs und Steve Wozniak, Sergey Brin und Larrx Page, Duos, die mit ihren Firmen Intel, Microsoft, Apple und Google technische Revolutionen in gigantischen kommerziellen Erfolg umgesetzt haben.

Denn auch diese Ideologie prägt Isaacsons Buch und Denken: Ein unerschütterlicher Glaube an den Kapitalismus, an die positive Kraft von Innovation, Entwicklung und Fortschritt. Durch und durch amerikanisch ist sein Buch dann auch, was aber auch bedeutet, dass es faszinierende, mitreißende Erfolgsgeschichten beschreibt, von klugen, innovativen Köpfen berichtet, die – um es pathetisch zu formulieren – mit ihrem originellen Denken dazu beitrugen und -tragen, das Schicksal von Millionen, ja Milliarden Menschen positiv zu beeinflussen.

Auch nur einen Funken Skepsis angesichts der immer mächtiger werdenden Technologie-Konzerne, der Unwägbarkeiten einer zunehmenden Vernetzung der Menschheit oder auch der Tatsache, dass es für einen Laien kaum noch zu verstehen ist, wie unsere moderne Welt funktioniert, darf man hier nicht erwarten. Dafür aber eine enorm reiche Geschichte der digitalen Revolution, die zwar nicht verständlich macht wie die Technik funktioniert, aber wie die Menschen tickten, die sie möglich machten.

Walter Isaacson: The Innovators – Die Vordenker der digitalen Revolution von Ada Lovelace bis Steve Job • C. Bertelsmann, München 2018 • 640 Seiten • € 26

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.