1. Oktober 2018

Gott schaut mal vorbei

Der Urknall, die Geschicke der Menschheit und eine korsische Gummiente

Lesezeit: 4 min.

Neulich hat mir ein Kollege, nennen wir ihn Tomas, von seinen Ferien erzählt. Er war auf Korsika. Wie es so war? Schön warʼs! Er hatte das Eiland bislang nur aus dem dafür zuständigen Asterix-Heft gekannt, das aber nicht zu seinen Lieblingsheften zählte. Asterix als Legionär sei besser. Oder Asterix bei den Schweizern – allerdings auch wieder kein Grund, zum Urlaub ins abenteuerlich überteuerte Land der Eidgenossen zu fahren. Korsika also: von Null auf 2500 Meter aus der Meerestiefe, wildromantische Gebirge, viele Höhlen, der brühendheiße Poniente, der aus dem Westen weht, dann wieder pustet der Mistral, kühl und trocken, und die klare Sicht, die er bringt. Korkeichen und Zwerghirsche, allerdings auch Taranteln und Schwarze Witwen. In der Straße von Bonifacio kann man Wale und Delfine schauen. Ajaccio sei natürlich ein Muss; das Geburtshaus Napoleon Bonapartes, der, wie man weiß, aus allerdings niedrigem korsischem Adel stammte und nach dem heute der Flughafen der Stadt benannt ist. Übrigens sei ihm, Tomas, in einer der Höhlen eine Erleuchtung zuteil geworden. Das korsische Essen sei bekömmlich, mit Gewürzen wüssten sie umzugehen, die Korsen: Macchia und Lavendel, Wacholder und Thymian. Stufatu-Eintopf mit Lamm und Ziegenkäse – ein Gedicht. Dazu passt Herbstbier oder einer dieser sagenhaften dunkelroten Rotweine.

Was denn für eine Erleuchtung?, hakte ich ein.

Och, meinte er, so eine Erleuchtung halt. Eine Vision, besser: Audition. Ein unverhofftes Stimmenhören. Er habe sich (seine Frau hätte dem gemeinsamen Töchterchen noch am Strand beim Sandburgenbauen zur Hand gehen müssen) interessehalber in eine der Höhlen begeben, und da wäre eben diese Erleuchtung über ihn gekommen. Sie hätte ihm mitgeteilt, das Universum sei von einer purpurfarbenen Gummiente erschaffen worden, die auch heute noch die Geschicke der Menschheit leite. Weswegen er, Tomas, dieser ihm geoffenbarten Religion den Namen Purple Rubber Duck Religion gegeben habe.

Sehr treffend, lobte ich. Und jetzt?

Wie, und jetzt?

Müsse er jetzt nicht auf Mission gehen? Die Menschen bekehren? Sie von seiner prophetischen Einsicht in die kosmischen Zusammenhänge unterrichten? Lehrsätze und Gebote verkünden, gewisse Speisen verbieten, andere fordern, eine Zukunft in Herrlichkeit verheißen? Was man eben so tut als Religionsstifter.

Er dachte nach. Nein, eigentlich nicht, sagte er dann. Die Offenbarung habe nichts dergleichen von ihm verlangt, und es habe sich ihm irgendwie der Eindruck vermittelt, der Purpurfarbenen Schöpfungsgummiente sei an ihrer Schöpfung auch gar nicht allzu viel gelegen. Sie habe die Welt eher nebenbei gemacht, sozusagen mit links.

Eine Gummiente – mit links? Wie ich mir das vorzustellen hätte?

Gar nicht, sagte Tomas. Es ist transzendent.

Aber immerhin, zitierte ich den Glaubenssatz seiner Religion, lenke diese Gummiente doch die Geschicke der Menschheit?

Ja, schon, gab Tomas zu. Aber manchmal wird ihr das zuviel, da hält sie sich eher zurück und schaut später noch mal vorbei. Oder sie leitet eher kleinere Abschnitte der Menschheitsgeschicke, Pferderennen auf der Trabrennbahn zu Gelsenkirchen etwa oder die Geschäfte eines Drugstores in Dunwoody, das liege bei Atlanta, was eine 40.000-Seelen-Gemeinde sei.

Ziemlich sprunghaft, deine Entengottheit.

Deswegen ja auch aus Gummi, versetzte Tomas.

Ich nickte sachkundig. Also: keine Mission, keine Verkündigung, keine heiligen Schriften?

Eher nicht, bekräftigte Tomas. Vielleicht werde er ab und an eine SMS schreiben oder eine Nachricht über WhatsApp, etwas in der Art eben. Aber so eine richtige Kirche, mit Klerikern und Messdienern und güldenen Entenstatuen und Kirchensteuer, nein, das schwebe ihm nicht vor, und die Offenbarung habe ja auch wie gesagt nichts dergleichen verlangt.

Listig fragte ich: In welcher Sprache die Botschaft eigentlich ihm zu Ohren gekommen sei? In Korsisch, was ja nahe gelegen hätte?

Es war, erinnerte sich Tomas, eher so eine mentale Sprache. Vielleicht korsisch, aber wie mit Untertiteln, oder simultan übersetzt.

Ins Englische? Wegen Purple Rubber Duck?

Nein, das habe er selbst, Tomas, so verfügt. Immerhin sei Englisch die Weltkirchensprache und die Weltverkehrssprache, da schien ihm eine englische Titulierung seiner Religion irgendwie zeitgemäß.

Ich entschloss mich, Tomas offen und ungeschminkt meine Meinung zu sagen; ich sagte: Tomas, mir scheint, dir liegt an dieser Offenbarung überhaupt nichts.

Naja, gab er zu. Dann schaute er mich an, lächelte und sprach: Stimmt. Was soll ich mit einer Religion? Du kannst sie haben!

Da stehe ich jetzt also und habe eine Religion, allein, mir fehlt der Glaube. Was mache ich damit?

Möchte sich ihr vielleicht jemand anschließen? Bekenntnisse und Bekehrungsberichte gehen an „Purple Rubber Duck Religion“. Bitte nur ernst gemeinte Zuschriften.
 

Hartmut Kasper ist promovierter Germanist, proliferanter Fantast und seines Zeichens profilierter Kolumnist. Alle Kolumnen von Hartmut Kasper finden Sie hier.

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