14. Dezember 2018 1 Likes

Hip-Hop-Spider

„Spider-Man: A New Universe“: Westliche Animation der Spitzenklasse

Lesezeit: 4 min.

Bereits die ersten Teaser-Trailer für Sonys animierten „Spider-Man: A New Universe“ sorgten vor über einem Jahr für Aufsehen und schienen westliche Animation, die Kunst eines Graffitis, Hip-Hop-Ästhetik und eine ganze Prise japanische Anime-Dynamik in einen Mixer zu werfen. Das Endprodukt, das nun auf den Kinoleinwänden der Welt flimmert, wird den hochgesteckten Erwartungen sogar mehr als gerecht.

Hinter Spider-Mans neuem Universum steckt das Regie-Autoren-Duo Christopher Miller und Phil Lord, die sich bereits durch „Lego: The Movie“ mit Erfolg bepinseln durften. Für die Story zeichnet Phil Lord selbst verantwortlich und für die Regie holten die beiden das äußerst fähige Gespann aus Bob Persichetti, Peter Ramsey und Rodney Rothman ins Boot.

Die Geschichte um den neuen Spider-Man, Miles Morales, geschaffen von den Comickünstler Brian Bendis und Sara Pichelli, spielt in einer Dimension, in der Alltags-Spinner Peter Parker längst zu einer Markenzeichen und Modequelle geworden ist und sich seit etlichen Jahren erfolgreich gegen Bösewichte wehrt. Als Bösewicht Kingpin sich dann aber an einer Dimensionsmaschine versucht, die die Welt zu zerstören droht, muss Peter Parker in heroischer Manier klein beigeben und sein Leben lassen, während Miles, der zufällig beim Sprayen in die Rolle des Zuschauers gerät, Peter das Versprechen gibt, Kingpin und die Dimensions-Maschine aufzuhalten.

Selbstverständlich wird Miles zwischenzeitlich von einer mysteriösen Spinne gebissen, die ihm Spideys Kräfte – und mehr – verleiht. Damit Miles aber in seiner Rolle als Spinnen-Frischling aufgehen kann, wird er tatkräftig von fünf weiteren Spinnen-Männern und -Frauen unterstützt, die beim Zünden der Maschine aus ihren Dimensionen gerissen wurden. Hierzu gehören die bereits durch Comics und Videospiele zu Kultikonen gewordenen Varianten wie Spider-Noir, einem düsteren Privatdetektiv, der punkigen Spider-Gwen, dem schrulligen Looney-Tune-artigen Spider-Ham oder auch Peni Parker, einer stark von Anime und Manga inspirierten japanischen, weiblichen Version Peters, die einen Mecha steuert mit Namen SP//dr. Um das Gespann abzurunden, gesellt sich eine ältere, weniger erfolgreiche Version des klassischen Peter Parkers dazu und nimmt die Rolle des griesgrämigen Mentors für Miles ein.


Spider-Man mal anders …

Miles ist zwar das schlagende Herz des Filmes, aber die verschiedenen Spinnen-Inkarnationen bringen jedoch Humor und Abwechslung ins Spiel. Während der leicht übergewichtige, ältere Peter eine Reflexionsfläche für Miles darstellt, in der er sich vielleicht in ferner Zukunft einmal sieht, so weiß er doch, dass er vieles besser machen kann. Spider-Noir stiehlt als trockener, scheinbar farbenblinder Misanthrop hingegen allen die Show, der im O-Ton von Nicolas Cage gesprochen wird (und im Deutschen von Cages gewohnter Stimme, Martin Kessler). Die etlichen Sprüche, die Jackie-Chan-artige Situationskomik und der Ton des Humors sorgen für einige Lacher, ohne dabei die Geschichte oder die Figuren zu vernachlässigen. Ebenso bietet die Geschichte rund um die dimensionsreisenden Spider-Women und -Men zahllose Easter Eggs für Fans und wartet mit einigen Wendungen auf. Selbst wenn man als Comickundiger einige der Enthüllungen bereits kommen sieht, so ist besonders eine um Miles’ Umfeld immer noch atemberaubend spannend und atmosphärisch inszeniert und stiehlt einem allein aufgrund des Soundtracks, dem Schnitt und der Wucht den Atem.


… als Schwein …


… und sogar als Mädchen – „Spider-Man: A New Universe“

Und wenn wir schon beim Atemstehlen und dem Soundtrack sind: Die geheimen Stars des Films sind der neuartige, einzigartige Look und die wunderbare musikalische Untermalung, ungeachtet dessen, ob es Eigenkreationen für den Soundtrack sind oder Titel aus der Musikgeschichte des Pop und Hip-Hops. Wenn Notorious B.I.G. oder Run-D.M.C. im Hintergrund laufen, während Miles durch die Gegend schlendert oder schwingt, verleiht das dem Film nicht nur einen eigenen Charme, sondern trägt deutlich zum Wesenszug und dem Feeling bei.

Mindestens ebenso wichtig, und nicht weniger auszeichnend, ist der animierte Look, der wie eine Mischung aus Sara Pichellis Comicseiten, moderner westlicher Animation, Ed Piskors Retro-Kunst, japanischer Animes und einer ganzen Menge Graffitis, wirkt. Sony Pictures und Sony Imageworks gehen nun sogar soweit, dass bereits ein Patent für den ihrer Ansicht nach einzigartigen Schaffungsprozesses vorgelegt wurde, um Nachahmern das Leben zu erschweren. Denn laut Sony wurde der Prozess der Animation von Grund auf neu erfunden. Jedem Frame liegt ein computergeneriertes Bild zugrunde, über das dann ein von Hand gezeichnetes gelegt wird. So kam es auch zum besonders zeitintensiven Prozess, bei dem eine Arbeitswoche für jede einzelne Sekunde des Films benötigt wurde. Und der Aufwand lässt sich mehr als sehen. Hinzu kommen noch Textblasen, Wortkästchen und zahllose Soundwords, die nicht nur zur Atmosphäre beitragen, sondern dem bereits sehr comichaften Film seinen ganz gewissen Charakter verleihen. Thwip!

Alles kommt auch zu einem runden Abschluss, während sich bei Miles eine ans Herz gehende, frische Origin-Story abzeichnet, die getragen wird von einer simplen, aber durch den Plot des Films verdeutlichten Message, die einem nicht so sehr auf die Nase gebunden wird, wie noch im Falle des „Lego“-Movies, sondern wahrlich verdient ist. Der einzige wirklich schwache Punkt des ansonsten fabelhaften „Spider-Man: A New Universe“, ist Youtuber und neuerdings Promi-Synchronsprecher Gronkh als Kingpin, der neben den anderen leistungsfähigen und charmanten Sprechern wie ein fauler Zahn heraussticht.

„Spider-Man: A New Universe“ ist seit dem 13. Dezember 2018 in den deutschen Kinos zu sehen.

Spider-Man: A New Universe • USA 2018 • Regie: Bob Persichetti, Peter Ramsey, Rodney Rothman

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