1. Januar 2019 2 Likes 1

Das erste Weltraum-Highlight des Jahres!

Heute fliegt die NASA-Sonde New Horizons am Kuiper-Gürtel-Objekt „Ultima Thule“ vorbei

Lesezeit: 4 min.

1992 war das Rotkehlchen „Vogel des Jahres“, Bill Clinton wurde zum Präsidenten der USA gewählt, und unser Sonnensystem wurde eine Nummer größer, als Dave Jewitt und Jane Luu von der University of Hawaii ein kleines Objekt namens 1992QB1 entdeckten, das die Sonne jenseits der Neptunbahn in einem Abstand von 40 Astronomischen Einheiten umkreist. Die Suche nach solchen Objekten, über deren Existenz der holländische Astronom Gerard Kuiper in den 1950er Jahren spekuliert hat, ist ausgesprochen mühsam. Die größten KBOs (Kuiper Belt Objects) erscheinen, wenn überhaupt, nur als winzige Lichtpunkte im Teleskop, weswegen man sie lange für ferne Sterne gehalten hatte. Im Gegensatz zu „echten“ Sternen bewegen sie sich allerdings, wenn auch sehr langsam. Um ein KBO zu finden, muss man also immer denselben Bereich des Himmels über Tage hinweg beobachten und die Bilder dann miteinander vergleichen.


MU69 (eingekreist) wurde über mehrere Wochen hinweg von Hubble beobachtet

Heutzutage wird vor allem das Hubble-Teleskop dazu benutzt, um nach KBOs Ausschau zu halten, was erst seit Ende 1993, nachdem das Teleskop repariert wurde, möglich ist (unter anderem deswegen suchten die beiden Voyager-Sonden nicht nach ihnen, als sie den Kuiper-Gürtel durchquerten – wir wussten schlichtweg nicht, dass sie da sind). Seit 1992 wurden mehr als 3.100 Objekte im Kuiper-Gürtel gesichtet, und die Astronomen gehen davon aus, dass es insgesamt mehrere Hunderttausend KOBs gibt, deren Durchmesser größer ist als 30 Kilometer. Einige davon kommen uns hin und wieder entgegen: die kurzperiodischen Kometen, die von der Schwerkraft des Neptun aus ihren Bahnen gerissen und ins Innere Sonnensystem katapultiert werden, wo sie dann von der Sonne wieder zurück in die eisigen Außenregionen geschleudert werden. Doch die überwiegende Mehrzahl der KBOs bleibt dort, wo sie vermutlich seit der Entstehung des Sonnensystems sind: weit, weit weg.

Eines davon ist (486958) 2014 MU69. Es wurde im Juni 2014 von Hubble entdeckt und bekam die Kleinplanetennummer 486958. Es hat einen Durchmesser von schätzungsweise 25 Kilometern und braucht 293 Jahre, um unsere Sonne einmal zu umkreisen. Und es steht seit seiner Entdeckung im Fokus der Astronomen, denn die Raumsonde New Horizons, die 2014 noch auf ihrem Weg zum Zwergplaneten Pluto war, MU69 würde erreichen können. Ein Jahr später war es dann soweit: New Horizons schloss ihre Primärmission, den Vorbeiflug an Pluto, ab und machte sich auf den Weg in den Gürtel. Nach mehreren Kurskorrekturen hat New Horizons heute ihr nächstes Ziel erreicht: „Ultima Thule“, so der Spitzname von MU69, ist etwa 6,5 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt, was diesen Flyby zu dem am weitesten von der Erde entfernten macht.


Die ersten Aufnahmen von Ultima Thule, die New Horizons gemacht hat

Live dabei sein können wir nicht, denn die Signallaufzeit zwischen New Horizons und der Erde liegt bei 6 Stunden, 7 Minuten und 48 Sekunden. Aber in den nächsten Tagen und Wochen werden wir sicherlich einiges über Ultima Thule erfahren. Die Sonde wird in einem Abstand von 3.500 Kilometern an dem KBO vorbeifliegen und dabei Daten sammeln und Bilder machen, die sie dann in den nächsten Monaten zur Erde zurückschickt (ganz so wie beim Pluto-Flyby). Über Monate hinweg stand Ultima Thule unter Beobachtung des Hubble-Weltraumteleskops und anderer Teleskope auf der Erde, wobei hauptsächlich nach möglichen Gefahren für die Sonde wie etwa kleinere Gesteinsbrocken Ausschau gehalten wurde. Bei einer Fluggeschwindigkeit von 58,536 km/h könnten selbst reiskorngroße Staubkörner die Sonde irreparabel beschädigen. Die Auswertung der Teleskopbilder brachte Erstaunliches zutage: Ultima Thule hat entweder eine sehr ungewöhnliche Form, oder das KBO besteht aus zwei Objekten, die einander in einem sehr engen Orbit umkreisen (und sich dabei möglicherweise berühren). Kleinere Monde oder gar ein Ringsystem scheint Ultima Thule nicht zu haben – gute Nachrichten also für die Sonde. Genau werden wir das allerdings erst wissen, wenn New Horizons die ersten Daten zur Erde geschickt hat.

Das gilt auch für das Aussehen von Ultima Thules Oberfläche. Bisher wissen wir nur, dass sie rötlich ist, was von den Kohlenwasserstoffen herrührt, die von der Sonne kommen und auf das KBO treffen. Als Faustregel gilt: je länger das passiert, desto röter wird das Objekt – und daraus schließen die Forscher, dass Ultima Thule schon sehr, sehr lange im Kuiper-Gürtel seine Bahn zieht. Es könnte sogar sein, dass die sich seit der Entstehung des Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren nicht verändert hat. Damit bekommen wir heute, wenn alles klappt, einen wirklich exklusiven Einblick in die Geschichte unseres Sonnensystems. Drücken wir also die Daumen, dass alles klappt, und freuen wir uns auf die ersten Bilder von den Grenzen unseres Sonnensystems!


Zum Pluto und noch weiter: Die Flugbahn der Sonde durch das Sonnensystem

Alle Bilder © NASA/JPL

Kommentare

Bild des Benutzers Lichtecho

Danke für den ausführlichen Artikel! Die Signallaufzeit ist so hoch, dass wir nicht live dabei sein können, aber theoretisch könnten wir ja mit 6 Stunden Verzögerung den Vorbeiflug "live" beobachten. Aber auch das geht nicht, weil die Raumsonde nicht gleichzeitig Daten aufnehmen und übertragen kann. Für die Übertragung muss die Sonde so gedreht werden, dass die Antenne zur Erde zeigt. Man kann also entweder Daten sammeln oder übertragen.

New Horizons zeigt uns drei Dinge: Da draußen warten spannende Welten, wir können sie ohne SF-Technologien erreichen, wir stehen am Anfang der Erkundung unseres Sonnensystems. Unser Sonnensystem ist unser kosmisches Zuhause und wir leben in einer Zeit, in der wir es entdecken. Wie ein kleines Kind, das Jahr für Jahr seinen Erkundungsradius um das elterliche Haus erweitert, bis es seine Stadt kennengelernt hat.

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