13. Mai 2019

Fünfundvierzig Kilometer in fünftausend Sol

Ein Nachruf auf den Mars-Rover Opportunity, der dem Roten Planeten sehr viel länger getrotzt hat, als gedacht

Lesezeit: 3 min.

Der Mars ist (noch) fest in der Hand von Sonden und Robotern, und es werden immer mehr: das neueste Familienmitglied ist InSight, eine Sonde, die, wenn sie nicht gerade Selfies macht, die Marsoberfläche anbohrt, um Informationen über seismische Aktivitäten und dadurch über den inneren Aufbau des Mars zu sammeln. (Für mehr Informationen rund um InSight empfehle ich den grandiosen Webcomic von The Oatmeal.) Doch vor kurzem mussten wir uns von einem Mitglied dieser Mars-Familie verabschieden: Am 13. Februar 2019 wurde die Opportunity-Mission nach unglaublichen fünfzehn Jahren auf dem Roten Planeten für beendet erklärt, und das gesamte Internet verabschiedete sich tränenreich von dem kleinen Kerl (warum uns das so betroffen machte, erklärte unsere Autorin Marina Lostetter in ihrer Gastkolumne).

Die Geschichte von Opportunity, von seinem Team liebevoll „Oppy“ genannt, begann 2003, als er gemeinsam mit Zwillingssonde Spirit seine Reise zum Mars antrat. Im Januar 2004 landeten beide erfolgreich auf einander gegenüberliegenden Seiten des Planeten. Die Mission war ursprünglich auf neunzig Tage angesetzt und sollte Aufschlüsse über mögliche Spuren von Wasser im Gestein geben und außerdem dabei helfen, die Messungen von Satelliten im Mars-Orbit genauer zu kalibrieren. Doch als nach neunzig Tagen beide Rover noch einwandfrei liefen, gab es keinen Grund, nicht weiter zu arbeiten – wenn man schon mal zwei Roboter auf dem Mars hat, lässt man sie nicht einfach nutzlos herumstehen.

Schon einmal sah es so aus, als wäre Oppy verloren: Im April 2005 hatte sich der Rover in einer Sanddüne festgefahren, und das NASA Team musste wochenlang verschiedene Szenarien simulieren, um die beste Strategie zu finden. Schließlich konnte Opportunity im Juni Schritt für Schritt langsam aus seiner misslichen Lage befreit werden. Die nächsten vierzehn Jahre kämpfte sich Oppy von Krater zu Krater, überstand Staubstürme, einen Fehler im Roboterarm und altersbedingte Demenz (er konnte nicht mehr richtig auf einen Teil seines Speichers zugreifen). Sein Zwilling Spirit verlor bereits 2010 den Kontakt zum Team, nachdem er im Vorjahr in weichem Untergrund steckengeblieben war, aber immerhin noch eine Weile stationär weiterarbeitete.

Opportunity hingegen fuhr mit seiner Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp einem Zentimeter pro Sekunde (zum Vergleich: eine Weinbergschnecke schafft nicht einmal einen Millimeter pro Sekunde, während die schnellste Schildkröte der Welt es auf achtundzwanzig Zentimeter pro Sekunde bringt) weiter über die Mars-Ebenen und -Krater. Und weiter. Und weiter. Insgesamt ganze 45,16 Kilometer weit. Er ist damit das am weitesten auf einem anderen Planeten gereiste irdische Objekt. Doch nichts währt für immer, vor allem keine Batterien: Oppys Ladung wurde schwächer und schwächer. Über jeden Marswinter, wenn die Solarzellen aufgrund schwächerer Sonneneinstrahlung seine Batterien nicht voll aufladen konnten, wurden seine Funktionen auf das Nötigste reduziert, und wenn die Sonne wieder stieg, ging es weiter. Bis Oppy im Juni 2018 in einen massiven, marsweiten Staubsturm geriet, der die Sonne über Monate hinweg fast vollständig verdunkelte, sodass die Solarzellen gar keine Energie mehr erzeugen konnten. Nach einigen Tagen schaltete er daher automatisch auf „Winterschlaf“, und der Kontakt riss ab. Curiosity, dessen Batterie auf dem Zerfall von radioaktiven Isotopen basiert, funkte derweil weiter Bilder und Informationen zur Erde und sammelte wertvolle Erkenntnisse über den Sturm und die Dynamik der Marsatmosphäre für die Wissenschaftler auf der Erde.

Als sich der Sturm nach mehreren Monaten endlich legte, versuchte Oppys Team hunderte Male, den Rover zu kontaktieren – ohne Erfolg. Man hoffte, dass aufkommende Winde eine eventuelle Staubschicht auf den Solarzellen beseitigen würden, aber Opportunity reagierte nicht mehr. Im Februar sendete Mission Control eine letzte Nachricht: Billie Holidays „I’ll Be Seeing You“, das mit den Zeilen endet:

“I’ll find you in the morning sun
And when the night is new.
I’ll be looking at the moon,
But I’ll be seeing you.“

Nach über fünftausend Sols (Marstagen) wurde die Opportunity-Mission für beendet erklärt. Es bleibt eine Vielzahl von neuen Erkenntnissen, beeindruckenden Fotos, neuen Fragen und das Wissen, dass ein kleiner, menschengemachter Roboter über fünfzehn Jahre lang auf einem anderen Planeten für uns geforscht hat. Und eine Menge sentimentaler Webcomics. Bye Bye, Oppy!

 

Judith Homann hat einen Master in Meteorologie von der Universität Innsbruck und interessiert sich insbesondere für extraterrestrische Wetteraktivitäten. Alle ihre Kolumnen finden Sie hier.

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