20. März 2019 3 Likes

Filmreifer Krimi mit SF-Tiefgang

Thomas Carl Sweterlitsch’ neuer Roman „Am Ende der Zeit“

Lesezeit: 2 min.

Nach seinem Cyberpunk-Debütroman „Tomorrow & Tomorrow“ schrieb der amerikanische Science-Fiction-Autor Thomas Sweterlitsch (im Shop) „The Gone World“, das als „Am Ende der Zeit“ soeben auf Deutsch erschienen ist. Doch bereits 2015, drei Jahre vor Fertigstellung und Erscheinen des Buches im englischsprachigen Original, wurden die Filmrechte nach Hollywood verkauft. Regisseur Neill Blomkamp („District 9“, „Chappie“) will den Roman verfilmen und arbeitete in der Zwischenzeit für seine „Oats Studios“-Kurzfilmreihe bereits mehrfach mit Sweterlitsch als Drehbuchautor zusammen, zudem landete er in der Danksagung zu „Am Ende der Zeit“.

Sweterlitsch’ Roman konzentriert sich auf die NCIS-Spezialagentin Shannon Moss. Sie gehört zu den wenigen Auserwählten, die wissen, dass man mittels Quantenschaum, Schwarzen Löchern und speziellen Schiffsantrieben durch den Tiefenraum und die Tiefenzeit in so genannte irreguläre Futurverläufe reisen kann. Das nutzen Moss und ihre Navy-Kollegen, um in der Zukunft Informationen zu sammeln, die sie dann bei ihrer Rückkehr in die Gegenwart des Jahres 1997 für Ermittlungen einsetzten. Doch es geht nicht nur um die Aufklärung von Verbrechen wie Moss’ aktuellem Fall, hinter dem sich wesentlich mehr verbirgt als die brutale Ermordung einer Familie. Es geht vor allem darum, herauszufinden, wie man die Menschheit vor der Apokalypse retten soll, die aus der Zukunft immer näher rückt. Moss hat sie auf einer ihrer Reisen in ein mögliches Morgen bereits erlebt: den Schnee, die Kälte, die weißen Bäume, das helle Licht und die Menschen, die wie kopfüber Gekreuzigte scharenweise in der Luft hängen …

„Am Ende der Zeit“ braucht rund 50 Seiten, um abzuheben. Eine unheimliche Szene, die auch in die erste Staffel von „True Detective“ gepasst hätte, ist schließlich die Initialzündung, und dann legt Thomas Sweterlitsch so richtig los. Lange hat niemand mehr Zeitreisen und Quanten so innovativ und gekonnt eingesetzt. Sweterlitsch sorgt mit seinem Konzept dafür, dass einem zwischendurch regelrecht das Gehirn kribbelt, und fordert die Konzentration und die Vorstellungskraft seines Leser mehr als einmal heraus. „Am Ende der Zeit“ dringt in die Tiefen des SF-Genres vor und wendet sich eher an fortgeschrittene Reisende durch die Zukunftsliteratur, und selbst für solche stellt es hin und wieder eine willkommene Herausforderung und Grenzerweiterung dar. Die klassischen Krimi-Anfänge lassen einen nicht diese kühn komponierte Science-Fiction-Story zwischen Dick, Gibson, Nolan, VanderMeer und Garland erwarten, die neben Hard-SF um Quanten auch noch Fragen zur Konsistenz und Echtheit der Wirklichkeit abhandelt, Transhumanismus und utopischen medizinischen Fortschritt einbaut und eine spektakulär fremdartige Alienwelt sowie eine nichtstandardmäßige Apokalypse biblischen Ausmaßes involviert.

Gut möglich, dass Sweterlitsch am Ende etwas zu viel will – das Interesse von Hollywood und den Millionendeal kann man nach der beeindruckenden Lektüre dennoch problemlos nachvollziehen. Obwohl man den klugen Stoff instinktiv eher bei Christopher Nolan („Inception“, „Interstellar“) sieht, darf man gespannt darauf sein, was Neill Blomkamp daraus macht.

Thomas Carl Sweterlitsch: Am Ende der Zeit • Heyne, München 2019 • 477 Seiten • E-Book: 11,99 Euro • (Leseprobe)

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