5. Dezember 2019 1 Likes

Jedem Neuanfang wohnt ein Zauber inne

„Ascender“: Das magische „Descender“-Sequel von Jeff Lemire und Dustin Nguyen

Lesezeit: 2 min.

Zehn Jahre sind vergangen, seit die Harvester-Robotergiganten im Serienfinale von Autor Jeff Lemires und Zeichner Dustin Nguyens gefeierter Comic-Serie „Descender“ den Status quo eines technologisch geprägten Universums weggepustet haben. In „Ascender“ leben Menschen und Aliens auf ihren abgelegenen Planeten jetzt größtenteils ohne verbotene Technologie wie etwa Raumantriebe. Die diabolische Magierin namens Mutter und ihre fiesen, zum Teil vampirischen Schergen wachen streng über das neue Zeitalter der Magie und verfolgen alle, die noch etwas mit Hardware-Überresten oder gar der Rebellion zu tun haben. Als eines Tages ein kleiner bellender Roboter den Weg der jungen Jägerin Mila kreuzt, verändert sich Milas von Unterdrückung und Einsamkeit beherrschtes Leben an der Seite ihres verbitterten Vaters schlagartig …

Der „Ascender“-Auftaktband „Die verwunschene Galaxie“ ist der Beweis dafür, dass kosmische Magie nicht nur in „Star Wars“ funktioniert. Die Verwandlung von Science-Fiction in Science-Fantasy schadet dem eigenständigen Comic-Universum von Lemire („Sweet Tooth“, „Gideon Falls“) und Nguyen („Batman: Little Gotham“, „Authority: Revolution“) kein bisschen. Ganz im Gegenteil. Plötzlich weht viel mehr ein angenehm frischer, magischer Wind durch die Galaxie der Schrotter, in der Tim-21, Andy, Rover, Telsa und Co. in „Descender“ gefährliche Abenteuer erlebten. „Descender“ nach 32 US-Heften und sechs Sammelbänden zu beenden und durch die neue Serie „Ascender“ zu ersetzen, erweist sich obendrein als cleverer, durchdachter Schachzug: Fans der ersten abgeschlossenen Serie bleiben natürlich trotzdem dran, und für interessierte, designierte Neueinsteiger haben der frische Titel und die Nummer Eins eine attraktive Signalwirkung – besser als aufgeblähte Endlosserien, besser als ewige Relaunches.

Doch der kanadische Comic-Alleskönner Jeff Lemire, der aktuell unglaublich viele Creator-Owned-Stoffe und Corporate-Jobs gleichzeitig jongliert, trägt diesem Konzept auch inhaltlich Rechnung. Wer bis dato nie etwas von „Desender“ gelesen hat, kommt mit „Ascender“ problemlos zurecht und hat das Gefühl, dem gelungenen Auftakt einer neuen Serie beizuwohnen; wer wiederum „Descender“ komplett intus hat, freut sich über alte Bekannte in neuen Rollen und mutig fortgeführte Schicksale. Der amerikanisch-vietnamesische Zeichner Dustin Ngyen agiert – neben einigen Mitgliedern des Ensembles – als Konstante und Verbindung. Er macht schließlich genau das, was er schon in „Descender“ tat und was ihm immerhin zwei Eisner Awards als bester Painter/Multimedia Artist einbrachte: er entzückt mit seinen hübschen und luftigen, manchmal fast skizzenhaft-leichten Aquarellbildern, die zur magischen neuen Space Opera „Ascender“ sogar noch besser passen als zum Vorgänger, falls das überhaupt geht. Es verblüfft zudem nach wie vor, dass Nguyen in diesem zarten Stil alles abbilden kann, selbst Gewalt und Verlust.

Mr. Lemires „Black Hammer“-Universum hat unter dem massiven Ausbau zuletzt spürbar gelitten. „Ascender“ ist dagegen eine wohltuende, wohldosierte Fortsetzung von „Descender“, die sich nicht in der eigenen Kontinuität und Mythologie verliert, sondern diese zu ihrem Vorteil und zum Neudurchstarten nutzt. Einerseits das perfekte Sequel, andererseits ein mitreißender, wunderschöner Auftakt voller Science-Fiction-Comic-Magie.

Jeff Lemire & Dustin Nguyen: Ascender Bd. 1: Die verwunschene Galaxie • Splitter, Bielefeld 2019 • 136 Seiten • Hardcover: 19,80 Euro

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