Streaming-Tipp: „The Outsider“
Das Böse in uns - Richard Price adaptiert Stephen King
Auf diese Kombination muss man erst einmal kommen: Richard Price und Stephen King. Der eine bekannt für seine rohen, realistischen Beschreibungen der amerikanischen Realität, der andere bekannt für übersinnliche, mystische Erzählungen über das Kleinstadt-Amerika. Doch schon in dieser Beschreibung deutet sich die Überlappung von Themen an, die Price wohl inspirierte, sich der Adaption des Romans von King anzunehmen.
Das Ergebnis heißt „The Outsider“ und erinnert anfangs deutlich mehr an Price‘ letzte, großartige Serie „The Night of“, als an die Welt von King. Ein Mord ist geschehen, ein überaus brutaler Mord, der die Kleinstadt Cherokee City erschüttert. Ein Kind wurde getötet und schnell steht ein Verdächtiger fest: Terry Maitland (Jason Bateman), der allseits geschätzte Baseball Coach und Familienvater. Für den Polizisten Ralph Anderson (Ben Mendelsohn) ist der Fall klar und warum auch nicht: Auf der Leiche des ermordeten Jungen, im Minivan, den Terry ganz eindeutig benutzte, finden sich zahllose Fingerabdrücke. Es ist also klar, das Terry der Täter ist.
Doch sein Anwalt findet schnell Videoaufzeichnungen, die ganz eindeutig beweisen, dass Terry zum Zeitpunkt der Tat hunderte Meilen entfernt war. Terry ist also ganz eindeutig der Täter und ganz eindeutig unschuldig, ein Mysterium, mit dem sich die Geschichte ganz langsam in Kingsche Gefilde bewegt.
Zwar wird Terry schon in der zweiten Folge vom Bruder des Opfers getötet, doch für Anderson ist der Fall noch lange nicht erledigt. Zu auffällig sind die Parallelen zu einem Ereignis, das Anderson selbst schwer belastet: Sein Kind wurde vor nicht langer Zeit ebenfalls ermordet und so ermittelt der inzwischen vom Dienst freigestellte Polizist auf eigene Faust. Bald steht ihm die Ermittlerin Holly Gibney (Cynthia Erivo) zur Seite, mit deren seltsamen Eigenarten und Fähigkeiten die Serie dann endgültig bei King angekommen ist.
Die besten King-Adaptionen sind in der Regel jene, die es wagen, sich weit von der Vorlage zu entfernen, die eine typisch Kingsche Ausgangsidee nehmen und sie zu etwas eigenem machen. Genau das macht Richard Price bei „The Outsider“, einem klassischen Slow Burn, wie er früher, als eine Serie von Anfang an, praktisch schon vor der ersten Werbeunterbrechung kicken musste, kaum möglich war. Hier lässt sich Price Zeit, etabliert langsam die Welt von Cherokee City, eine abgehängte, konservative Kleinstadt, in die langsam das Böse eindringt.
So wie Price in „The Night of“ zeigte, wie ein unbescholtener Mann mit Migrationshintergrund in die Mühlen der amerikanischen Justiz geriet, am Ende zwar wieder frei kam, aber für immer gezeichnet war, erzählt er auch hier von Vorurteilen und Misstrauen. Das Kingsche Mysterium, das Böse, das sich immer neue Wirte sucht, dient ihm dabei nur als Aufhänger. Das mag King-Fans, die nach unmittelbarer Spannung verlangen, enttäuschen. Wer sich dagegen auf eine langsame Reise in die Abgründe der Psyche begeben will, für den ist „The Outsider“ wie gemacht.
The Outsider • Creator: Richard Price • Darsteller: Ben Mendelsohn, Cynthia Erivo, Bill Camp, Paddy Considine, Mare Winningham, Jason Bateman • zehn Folgen, jetzt bei Sky verfügbar
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