Neue Musik von Katy Perry und Playboi Carti
Zwischen Weltall und Hölle
In den letzten Tagen ging’s im Musikbusiness direkt vom Weltraum in die Hölle.
Die Sängerin Katy Perry koppelte „Not the End of the World“ aus ihrem aktuellen Album „Smile“ aus und schickte mit einem wirklich charmanten Video im Retro-Sci-Fi-Stil zum Jahresausklang noch mal positive Vibes ins coronageplagte Jahr. Inhaltlich dreht sich’s um Außerirdische, die Perry von einer dem Untergang geweihten Erde retten wollen, statt dessen aber die Schauspielerin Zooey Dechanel erwischen und mit ihr gemeinsam dafür sorgen, dass doch noch alles gut wird. Mir persönlich fehlt aktuell nicht ein Grund ein, wieso Außerirdische auch nur einen Finger für uns krumm machen sollten, aber egal, das Video ist sehenswert, der Song halt typischer, glatt gebügelte Retortenpop, aber so was ist gelegentlich auch mal nötig.
… und dann ist da Playboi Carti. Der Star der US-amerikanischen Trap-Szene schaffte 2017 mit einem nach ihm benannten Mixtape den Sprung in den Mainstream und scheint seitdem offenbar vor allem austesten zu wollen, wie viel er seinem Publikum zumuten kann. Mit dem Debütalbum „Die Lit“ blühte der Newcomer voll auf und gilt seitdem als – natürlich heiß umstrittener – Punk des Genres. Grund ist der radikale Ansatz: Während traditionellerweise der Rapper den Beat nutzt um groß zu glänzen, ist Cartis große Stärke seine Abwesenheit beziehungsweise supporten seine, mit einer merkwürdigen Baby-Stimme, in den Beat reingecroont, -gebrüllt oder gemurmelten, oft komplett unverständlichen, fragmentarischen Zeilen die psychedelischen, chaotischen, mit kaputtgehackten Samples, dreckigen Basslines und anderem Unkraut gewürzten Beats.
Kurz: Carti markierte den Endpunkt einer Entwicklung der letzten Jahre – das Genre wurde endgültig komplett auseinander genommen, plötzlich war nichts mehr, wie es mal war, lediglich die Feature-Gäste erinnern gelegentlich dran, dass da mal was war. Das Etikett „Trap“ wird letztendlich nur noch gezückt, weil bisher niemand so richtig weiß, was der Typ da eigentlich macht.
Das zweite Album „Whole Lotta Red“ wurde recht schnell nach „Die Lit“ angekündigt, dutzende Mal angeteasert, aber ebenso oft verschoben. Das hatte vor allem damit zu tun, dass eine Reihe von Songs geleaked wurde, weswegen Carti noch mal von vorne anfing. Der ganze Trubel um „Whole Lotta Red“ trug jedenfalls dazu bei, dass um das Album ein regelrechter Mythos entstand, der zusätzlich noch befeuert wurde als im April – zusammen mit einem höchst bizarren Video, dass eher an modernes Theater als an herkömmliche Videoclips erinnert – die Single „@Meh“ veröffentlicht wurde, die als erster Anheizer fürs Album dienen sollte (es aber dann doch nicht auf die Trackliste schaffte). Danach war erst mal wieder Ruhe, bis am 21.12. dann eine Website mit Merchandising, Cover (eine Hommage an das 70er-Jahre Punk-Rock-Magazine „Slash“) und Veröffentlichungsdatum online ging und sofort für gespaltene Gemüter sorgte, denn alles war mit umgedrehten Kreuz, Pentagrammen und anderen satanischen Symbolen gespickt. Logisch, für Heavy-Metal-Fans Alltag, aber in diesem Genre eben nun mal nicht. Und gerade im Land mit der größten christlichen Bevölkerung der Welt sorgt so eine Aktion schon für ordentlich Gesprächsstoff, zumal sich als ausführender Produzent und Gaststar Kanye West, also quasi die Hip-Hop-Inkarnation des Allmächtigen, an Bord befindet. Am 25.12. war’s dann soweit, „Whole Lotta Red“ wurde in die Welt geschickt, ebenso ein Musikvideo („M3tamorphosis“) mit leichten Endzeit-Vibes, in dem Carti und Kid Cudi in einem futuristisch anmutenden Gefährt durch die Nacht cruisen.
Das Album zieht – wie bei einem solchen Hype und so einem Musiker nicht anders zu erwarten war – bisher einen tiefen Graben durch’s Volk: Für viele absoluter Sondermüll, für andere der Beginn einer neuen Ära. Ich selbst hab noch zu keinem abschließenden Urteil gefunden, aber mir gefällt’s bisher ausgesprochen gut. Aber ich mag Herausforderungen und, ich geb’s ja zu, mir imponiert schon allein, dass so eine Nummer auf Major-Level abgezogen wird. Selbst wenn das Drumherum natürlich auch Branding ist, kann man letztendlich nur unschwer abstreiten, dass Carti – wieder – was Neues serviert hat. Und genau das ist der Weg.
Hier kann man sich das komplette Album anhören!
Große Abb. ganz oben aus „M3tamorphosis“ von Playboi Carti.
Kommentare
Was für ein Unterschied! Bei Perry hört man kaum zu, weil man zu sehr mit Zooey beschäftigt ist, und PC ist wie aus einer anderern Welt. Zwei grandiose Tracks!