22. Mai 2021

„Narita Boy“: Stylo-Action mit Techno-Sword

Angespielt: Ein Indie-Titel ganz im Geist der 80er

Lesezeit: 3 min.

Am schönsten ist es auch im Bereich der Videospiele, wenn man selbst als erfahrener Tester noch so richtig überrascht wird. So geschehen im Fall des jüngsten Debütstreichs des spanischen Entwicklerteams Koba, das uns mit Narita Boy eine so wunderbar abgefahrene, offensiv overstylte Hommage an die Zeit der Röhrenfernseher, Neon-Farben und Synthwave-Sounds kredenzt, dass Spieler, die in den 80ern zur Welt gekommen sind, aus dem Schmunzeln nicht mehr herauskommen. Narita Boy erschien digital Ende März für PS4, Xbox One, Switch und PC (je nach Plattform aktuell für rund 25 Euro zu haben) und blieb leider, trotz überwiegend sehr gutem Feedback auf Steam und Co., einer breiteren Community bislang verborgen.

So übersahen auch wir diese Indie-Perle, ehe ein glücklicher Zufallstipp gleich unsere Aufmerksamkeit in dessen Richtung lenkte. Daraufhin schnell für PC auf Steam die kostenlose Gratisdemo heruntergeladen (und anschließend die Vollversion) und los ging die wilde 2D-Achterbahnfahrt mit insgesamt angenehmer, wenn auch zuweilen bei Sprüngen leicht schwammiger Gamepadsteuerung. In Narita Boy dreht sich in Sachen Handlung alles auf einer Meta-Ebene um das Spiel gleichen Namens, dessen Schöpfer (ein herrlich klischeehafter IT-Nerd alter Schule) von einem fiesen Programm namens HIM seines Gedächtnisses beraubt wurde.

Motherboard, eine Art Hüterin des Spiels, aktiviert daraufhin uns, die wir als jugendlicher Spieler im Kinderzimmer gerade noch von unserer Mutter dazu aufgefordert wurden, endlich ins Bett zu gehen. Flugs in bester TRON-Manier in die digitale Pixelwelt eingesogen, bewegen wir uns nun in einer abgecyberspacten Spielewelt von links nach rechts bzw. oben wie unten und erkunden die wie ein Metroidvania aufgeteilten Areale voller virtueller Programme aka Bewohner und allerhand Retrofuturismus. Unser Ziel besteht darin, HIM sowie seine Schergen zu stoppen und somit das Gedächtnis des Spieleschöpfers zu reaktivieren und damit einen Übergriff von HIM auf die reale Welt zu verhindern. Na, wenn das nicht eine Story ist, bei der gerade 80er-Jahrgänglern das Herz aufgehen muss.

Präsentiert wird das Ganze in ausschließlich englischen (oder spanischen) Textboxen ohne Sprachausgabe, wobei man sich durchaus Zeit nehmen sollte für die Lektüre, um in die Welt vollständig einzutauchen. Die zeigt sich grafisch von Beginn an in feinster handgezeichneter Pixelgrafik mitsamt schicker Blur- und Farbeffekte, die eine, je nach Thema, sehr eigenwillige Stimmung kreieren. Nach kurzer Einführung in unsere Aufgabe erhalten wir unser wohl wichtigstes Utensil im Kampf gegen HIM, nämlich das Techno-Sword (Ähnlichkeiten zu Lichtschwertern aus anderen bekannten „Marken“ natürlich rein zufällig). Damit schalten wir mittels Attacken kleine wie größere (Boss-)Gegner aus, wobei erstere stets respawnen, wenn wir, Stichwort Metroidvania, mehrfach innerhalb der Gebiete hin- und herflitzen, um Türen oder Schalter zu aktivieren.

Zusätzlich besticht unser Aktionsrepertoire durch eine mehr oder minder genaue Sprungmechanik, einen Dash oder auch Klettern sowie sogar Schießen mithilfe unseres Schwerts. Geht uns einmal die Energie aus oder landen wir in einem Abgrund, spawnt uns das Spiel sehr fair direkt am Ort des Missgeschicks, sodass in den ersten der insgesamt rund 10 Spielstunden kein Frust aufkommt und dank automatischer Speicherung kein Fortschritt verloren geht. Schnell fällt auf, dass trotz eigentlich recht linearer Strukturen, ein Gefühl leichter Desorientierung aufkommen kann. Mangels Karte braucht man etwas, um sich an die einzelnen Räume zu gewöhnen und herauszufinden, was man eigentlich konkret tun muss, um beispielsweise ein Tor zu öffnen.

Hat man den Dreh allerdings raus, begeistert Narita Boy mit Eingängigkeit, Spielflow und vor allem dem brillanten Zusammenspiel aus Synthwave und Bildkomposition, ohne aber beim Storytelling über eine gewisse Sterilität hinauszukommen. Spielmechanische Innovationen spendiert der Titel außerdem kaum, was jedoch aufgrund seiner Vorzüge nicht wirklich negativ ins Gewicht fällt. Zumal sich nach 2-3 Stunden Spielzeit bereits einige optische Abwechslung in Form sehr unterschiedlicher Gebiete (und weiterer Spielfeatures wie digitalen Reittieren) abzeichnet und die Gefechte gegen die klasse designten Bosse zusätzlich motivieren.

Somit steht ein unbedingter Tipp für alle Fans von Neon-Pastell, TRON oder einfach nur 80er-Retro, sich diesen Action-Adventure-Knaller nicht entgehen zu lassen – auch wenn man natürlich nach Stranger Things und Co. durchaus die Frage erlaubt sei, warum nur die 80er ein dermaßen langanhaltendes Coolnessrevival verdient haben sollten?

Narita Boy • Studio Koba • Action-Adventure • PS4/Xbox One/Switch/PC

Abb. © Team 17

 

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