11. Juli 2021 3 Likes

Sebastião Salgado: Amazônia

Schwarz-weißer Einblick in eine ganz andere Welt

Lesezeit: 3 min.

Der 1944 geborene Fotograf, Photojournalist und Umweltaktivist Sebastião Salgado gehört seit Jahrzehnten zu den ganz großen seiner Zunft. Salgado hat für seine Projekte über 120 Länder bereist, zahlreiche Wanderausstellungen bestritten, Bildbände veröffentlicht, Preise bekommen. Er porträtierte die hungernde Bevölkerung in der Sahel-Zone, unter unmenschlichen Bedingungen schuftende Goldgräber in der brasilianischen Mine Serra Pelada, Schwefelträger in Indonesien, lichtete während des zweiten Golfkriegs in Kuwait von Sadam Husseins Truppen in Brand gesetzte Ölquellen und deren Löscharbeiten ab oder dokumentierte in einem neunjährigen Projekt unberührte Landschaften.

Doch Selgados Arbeit geht über Fotografie hinaus: Zusammen mit seiner Frau Lélia Wanick Salgado, die seit bald 60 Jahren seine Lebensgefährtin ist und seine Reisen konzipiert, seine Bücher gestaltet und seine Ausstellungen kuratiert, setzt er sich zudem gegen Abholzung ein. 1998 gründete er auf dem Gelände der Bulcão Farm seiner Familie das gemeinnützige Instituto Terra (dt. Institut Erde), das sich der Wiederaufforstung und Erhaltung von gerodeten Wäldern und der Natur- und Umweltpädagogik widmet und zog als erstes Projekt auf dem abgestorbenen, trockenen Gebiet um der Farm bis 2012 insgesamt 2,7 Millionen Bäume hoch. Aber so eindrucksvoll der Lebenslauf glänzt (und das war noch lange nicht alles), es gibt auch Kritik. Dem immer noch überaus aktiven 77jährigen wurden Zusammenarbeiten mit Baufirmen und Espressohersteller angekreidet, ein immer wiederkehrender Vorwurf ist eine Überästhetisierung seiner Bilder, es wird behauptet, dass er seine Motive für Kunstzwecke ausbeutet und in der Tat ist der vorliegende Band da nicht gänzlich unproblematisch.

Am Ende des von Sebastião Salgado verfassten Vorworts zu „Amazônia“ (Taschen Verlag) heißt es: „Ich wünsche mir von ganzen Herzen, dass dieses Buch in 50 Jahren nicht als Bestandsaufnahme einer verlorenen Welt gelten wird“. Diese Sorge wird angesichts der Pracht, die sich in den folgenden rund 500 Seiten vor einem entfaltet, absolut greifbar. Der Amazonas wurde in wirklich sämtlichen Facetten abgelichtet, es gibt kristallklare Schwarz-Weiß-Aufnahmen der verschiedensten Flüsse, Wasserfälle, Berge, Gebiete und indigenen Völker, große Worte sind hier überflüssig, die im Zuge dieser Besprechung zu sehenden Beispielbilder sprechen jedenfalls mehr als ganze Bände an Beschreibungen es je könnten, es würde nicht überraschen, wenn hier die mit Abstand umfangreichste und vielfältigste Bilddokumentation zum Themas überhaupt vorliegt; man kann jedenfalls – selbst mit entsprechender Vorbildung – kaum glauben, dass auf unserer Welt solch eine weitere, wirklich komplett andere und absolut atemberaubend anzusehende überhaupt existiert.

Und leider fällt es auf ein paar wenigen Seiten tatsächlich etwas schwer zu glauben, was man sieht. Wenn Bewohner des Regenwalds vor schwarzer Fotostudio-Tapete in verschiedenen Monturen und Posen porträtiert oder bei bestimmten Tätigkeiten gezeigt werden, erschlägt die Kunst das Leben, in diesem vom Kontext völlig separierten, irgendwie leblos wirkenden Momenten schleicht sich beim Betrachten Unsicherheit ein, ob da nicht vielleicht Schauspieler das Ruder übernommen haben, weil die Originale gerade anderweitig beschäftigt waren. Das reißt den Gesamtinhalt aber auf keinen Fall ein, es sind nur kleine Stolpersteine auf dieser insgesamt überaus faszinierenden Rundreise zwischen zwei Buchdeckeln und welche Reise verläuft schon wirklich glatt.

Abb.: Sebastião Salgado. Amazônia / TASCHEN

Sebastião Salgado: Amazônia Taschen, Köln 2021 • 528 Seiten • Hardcover, 35.8 x 26 cm, 4,19 kg, 528 Seiten: 100 €

 

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