7. September 2021 2 Likes

„Twelve Minutes“: Over and over again…

Zeitschleifen-Thriller mit Starbesetzung

Lesezeit: 4 min.

Waren Spiele mit Hollywood-Starpower eines Willem Dafoe, Elliot Page oder Norman Reedus bislang eher das Metier von Game-Designern wie Hideo Kojima (Death Stranding) und vor allem David Cage (Beyond: Two Souls), so bewies der nach Stationen bei Rockstar und Ubisoft mittlerweile unabhängige Spieleentwickler Luis Antonio, dass auch Indie-Produktionen viel Filmprominenz anlocken können. Denn mit James McAvoy (X-Men, Glass, ES: Kapitel 2), Daisy Ridley (bekannt als Rey aus den letzten Star Wars-Filmen) und (wieder) Alleskönner Willem Dafoe (Van Gogh, Aquaman) übernahmen gleich drei Spezialisten ihres Fachs Rollen in Antonios jüngstem Point&Click-Adventure Twelve Minutes, das seit seiner Ankündigung vor ein paar Jahren bereits die Spekulationen über das Gameplay anheizte.

Denn schon das erste Material belegte, wie unkonventionell der Thriller gerade optisch daherkommt. In einer meist konsequent durchgehaltenen Top-Down-Ansicht tauchen wir in die überschaubare Wohnung eines zeitgenössischen Ehepaares ein, das zunächst einen mehr oder minder romantischen Abend vor sich zu haben scheint, ehe dieser sich unvermittelt in einen wahren Alptraum verwandelt. Neben der Ansicht, die man als Spieler eher aus Strategietiteln kennt, besticht Twelve Minutes aber vor allem mit seiner Grundidee einer nur aus wenigen Minuten bestehenden Zeitschleife, die immer dann einsetzt, wenn eigentlich der Abspann oder ein Game Over-Bildschirm aufleuchten müsste. Aber weit gefehlt!

Denn nach bestimmten Ereignissen geht es jeweils zurück, sodass wir versuchen können bzw. müssen, die dramatischen Ereignisse zu stoppen oder Informationen über die Hintergründe und die involvierten Charaktere zu erlangen. Doch worum geht es eigentlich? Während das Paar also seinen Abend angeht, dringt plötzlich ein Cop in die Wohnung ein und beschuldigt die Ehefrau, ihren eigenen Vater ermordet zu haben. Beim Versuch der Verhaftung, bei der eine Uhr(!) eine wichtige Rolle einnimmt, passiert Gewalt, deren Folgen wiederum die Zeitschleife in Gang bringen.

Zurück auf Anfang (oder zumindest einen früheren Punkt) gestellt, versuchen wir nun – stets in der Rolle des Gatten – mit unserem Wissen die kommenden Ereignisse zu beeinflussen und den fatalen Ablauf zu verändern. Doch hier zeigt sich die perfide Krux von Twelve Minutes, denn natürlich haben wir, ob des schockierenden Geschehens, als zunehmend völlig entgeisterter Ehemann keinen Schimmer, was wir eigentlich tun können und welche Konsequenzen unser Handeln jeweils für unsere Frau, den Eindringling oder uns selbst in dieser verfahrenen Situation haben wird. Wir sprechen schließlich nicht von Sci-Fi-Gadgets, mit denen wir zu tun haben, sondern einem Drei-Zimmer-Haushalt inklusive schmutzigem Geschirr, Lichtern, Büchern, Medikamenten oder Zimmertüren. Und als gewöhnlicher Typ plötzlich in einer nicht nachvollziehbaren Zeitschleife gefangen zu sein, zieht dem Gatten nachvollziehbarerweise komplett den Teppich unter den Füßen weg – zumal er bzw. wir irgendwie auch unserer Frau erklären müssen, dass wir in einer Schleife feststecken.

So entwickelt sich ein mitreißender Teufelskreis aus Dialogen und Optionen, mit dem uns das Gameplay zu fesseln versteht. Die Spielzeit umfasst dabei nur gut 2-3 Stunden; natürlich je nachdem, wie geschickt wir mithilfe unserer Dialogauswahl und Aktionen einer Lösung des Problems näherkommen, bei dem wiederum so manch pikantes wie gleichsam unerwartetes Geheimnisse aufgedeckt wird.

Twelve Minutes, das Mitte August digital für beide Xbox Generationen und PC zum Preis von ca. 20 Euro erschienen ist, versteht es gerade zu Beginn, Spieler in seinen Bann zu ziehen (wir spielten übrigens auf PC). Bereits der cineastische Opening Credit, der das Leitmotiv einer Uhr in all ihrer Symbolik stimmungsvoll in Szene setzt, verströmt ein packendes Filmflair, das gerade die Originalsprecher McAvoy, Riley und Dafoe in ihren Rollen permanent unterstreichen. Die technisch zwar unspektakuläre, jedoch sehr pointiert gesetzte Grafik plus dezent spannungsgeladener Soundkulisse heben das Adventure von allzu typischen Designs in diesem Genre merklich ab – kurzum: ein echter Pluspunkt.

Wer also auf cineastische Spiele wie die von David Cage abfährt (wie neben dem bereits erwähnten Beyond: Two Souls selbstverständlich ebenso Heavy Rain oder zuletzt Detroit: Become Human), dürfte mit Luis Antonios Werk ebenfalls sofort warm werden. Zumal Antonio für sein Drehbuch offenbar bei Thriller-Meistern wie Alfred Hitchcock oder David Fincher hingeschaut hat (Stichwort Licht- und Schatteneffekte) und daher sowohl Dialoge wie Stimmung stets inszenatorisch greifbar miteinander verklammert werden.

Was nun bisher nach uneingeschränkter Begeisterung klingt, erhält in Sachen Gameplay allerdings eine leider ernüchternde Schlagseite. Da wäre zum einen die doch recht hakelige (Gamepad-)Steuerung, die präzise Eingaben mehrfach zum Glücksspiel werden lässt und zum anderen das durchaus schwierige Trial&Error-System bei der Suche nach neuen Auswegen. Zwar ist es den Machern gelungen, ihrem Alltagsszenario eine ansprechende Vielfalt an Optionen zu verleihen, allerdings bedingt die zunehmende Komplexität der Situation ein kleinteiliges, eben nicht in ihren Konsequenzen durchschaubares Handeln, was uns ziemlich oft an genau denselben Ausgangspunkt zurückwirft. Wer also zum x-ten Mal bestimmte Situationen und Dialoge abspulen muss, könnte seine Muskulatur beim gepflegten Augendrehen ertappen.

Dazu gesellt sich der Umstand eines nicht gerade hohen Wiederspielwertes. Zwar bietet Twelve Minutes mehrere Endings, doch da der Titel eben sehr stark von seiner Story und obligatorischen Wendungen lebt, dürften viele Spieler unter den eingeschränkten Gameplay- und Settingbedingungen eher kein Regame anstreben. Aber auch die werden mit einer intensiven Thriller-Achterbahnfahrt beim First-Play gut unterhalten und man muss Luis Antonio wirklich ein Kompliment dafür aussprechen, ein gerade inszenatorisch so präzise getaktetes Adventure mit seinen Stars an den Start gebracht zu haben.

Fazit

Inhaltlich wie inszenatorisch fesselndes Zeitschleifen-Adventure, das sich nur bei Steuerung und Durchschaubarkeit Abzüge gefallen lassen muss.

Twelve Minutes • Luis Antonio • Point&Click-Adventure • Xbox Series X/PC

Abb. © Annapurna Interactive

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