3. Februar 2022

„The Sadness“ – Ein Zombiefilm der etwas anderen Art

Hardcore-Gemetzel mit (einem gewissen) Hintersinn

Lesezeit: 4 min.

Wer schon ein paar Jahrzehnte das Horror-Genre verfolgt, kennt’s nur allzu gut: In regelmäßigen Abständen kommt der Film, der härter als alle anderen sein soll. Natürlich kann man dann solange nicht ruhig schlafen, bis man genau den gesehen hat. Nur um dann den Kumpels mit leicht verächtlichtem Tonfall mitzuteilen, dass der ja jetzt so hart nun auch wieder nicht ist. Irgendwann – ich mag nicht so recht „wird man dann aber erwachsen“ schreiben, denn vor allem Männer haben die Tendenz ewig kleine Jungs zu bleiben – kommt man dann aber in eine Phase, in der andere Dinge, wie zum Beispiel Mädels wichtiger werden. Oder man merkt ganz einfach, dass die Filmlandschaft noch soviel mehr zu bieten hat beziehungsweise Horror nicht automatisch Gekröse bedeuten muss.

Doch das Spiel geht natürlich auch ohne einen weiter und weiter und immer nach dem gleichen Prinzip: Die Tabubrüche der Gegenkultur werden nach und nach zum Mainstream, was wiederum zur Folge hat, dass die Gegenkultur noch einen draufsetzen muss. Haben in den 1980ern noch Lucio Fulci & Co. mit ihren liebevollen Gips-, Pappe-, und Schweinegedärmetricks bundesweit für Entsetzen gesorgt (Tipp: Die besten 45 Minuten, die im ZDF je zu sehen waren), können sich auf ein aufwändiges Netflix-Gemetzel wie „Squid Game“ mittlerweile alle einigen und so ist es natürlich logisch, dass in „The Sadness“, dem Indie-Debütfilm des in Taiwan lebenden Kanadiers Rob Jabbaz zum Geschnetzel nun noch sexuelle Gewalt dazukommt – als „Highlight“ eine blinde Frau, der ein Auge ausgestochen wurde und deren Augenhöhle von einem schmierigen, extrem notgeilen, alten Mann penetriert wird. Und natürlich konnten in den letzten Monaten viele Horrorfans rund um den Erdball nicht schlafen, bis sie genau den Film gesehen hatten.


Da ist noch alles in Ordnung …

Zur Handlung allzu viele Worte zu verlieren ist nicht nötig, denn wer die letzten zwei Jahre die Nachrichten verfolgt hat, kennt den Plot, es gibt nur eine Abweichung – das dank der Nachlässigkeit der pandemiemüden Bevölkerung mutierte Alvin-Virus verursacht grundsätzlich schlimme Verläufe und das bei jedem. Infizierte verwandeln sich in sadistische gewalt- und sexgeile Unholde. Das junge Pärchen Jim und Kat ahnt davon erstmal nichts und startet nach einer Meinungsverschiedenheit den Tag damit, dass er sie zum Bahnhof bringt. Ein schwerer Fehler, denn fortan müssen sich die beiden getrennt durch eine Welt kämpfen, die komplett aus den Fugen geraten ist.

„The Sadness“ macht absolut keine Gefangen: Auch wenn die ersten – natürlich, wie es soll es anders sein – schon wieder rummaulen, dass der ja so hart nicht ist: Einen dermaßen blutigen und perversen Horrorfilm, den man ebenso getrost unter Zombiefilm einsortieren kann, hat man auf Deutschlands Kinoleinwänden schon lange nicht mehr gesehen, das Bild ist stellenweise regelrecht in rot getunkt – an den Trailern zu „The Sadness“ kann sich Hollywood ein Beispiel nehmen, denn die lassen nicht ansatzweise erahnen, was alles an erlesenen, überwiegend perfekt getricksten Scheußlichkeiten aufgetischt wird. Jabazz feuert, untermalt von einem faszinierenden, zuweilen majestätisch dröhnenden Synthesizer-Soundtrack wirklich aus allen Rohren.


… da nicht.

Das ist natürlich zum einen ein Buhlen um Aufmerksamkeit, man muss seinem Film aber zu Gute halten, dass es ihm gelingt, das dystopische Feeling, das andere Filme dieser Bauart oft nur versprechen, dieses Gefühl einer Welt, die wirklich völlig aus der Bahn geraten ist, einer Welt, in der nichts mehr ist, wie es zuvor war und in der hinter wirklich jeder Ecke die absolute Hölle lauert, gerade mit Hilfe dieser völligen Zügellosigkeit tatsächlich spürbar zu machen. Die permanente Anspannung von Jim und Kat überträgt sich schnell auf die Zuschauer, lässt in den letzten Minuten dank zuviel Overacting und Erklärbar allerdings arg nach.

Was die taiwanesische Schlachtplatte aber tatsächlich von anderen Schlachtplatten unterscheidet, was sie für Zuschauer interessant macht, die die Pubertät längst hinter sich haben, ist eine gewisse – so absurd sich das jetzt in diesem Kontext anhören mag – Sensibilität. Jabazz macht durch die geschickte Zweiteilung der Handlung – man erlebt die Apokalypse aus einer männlichen und einer weiblichen Sicht – klar, dass es Frauen besonders schwer haben, denn Kat wird bereits bevor das Virus aktiv wird in einem unangenehmen Moment in der U-Bahn mit fiesestem männlichen Gebaren konfrontiert, das sich dank dem Virus halt nun ungehindert entfalten kann. Unter diesen Vorzeichen löst selbst ein Manga-Nacktbild auf dem Speerbildschirm des Handys eines potentiellen Retters Beklemmungen aus. Daraus jetzt ein feministisches Statement zu basteln wäre etwas zuviel des Guten, aber unterschwellig ist „The Sadness“ durchaus ein Film, der sich zwar primär an Männer richtet, aber eben auch davon handelt, wie eklig Männer sein können.

„The Sadness“ (Taiwan 2021) • Regie: Rob Jabazz • Darsteller: Berant Zhu, Regina Lei, Wang Tzu-Chiang, Chiu Yang-Shiang, Lan Wie-Hua • ab dem 3. Februar 2022 im Kino

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.