21. Februar 2022 1 Likes

„Mensch Plus“ von Frederik Pohl

Ein Cyborg-Astronaut soll für die USA den Mars erobern

Lesezeit: 3 min.

Frederik Pohl (im Shop) prägte die amerikanische Golden-Age-Science-Fiction als Autor von Romanen und Kurzgeschichten, aber auch als Chefredakteur von Magazinen wie „Galaxy“ oder „Astonishing Storys“, als Agent und als Lektor des Verlags Bantam Books. In einer Ära, da sich die pulpige Science-Fiction der USA in einem frühen Umbruch befand und das Genre boomte, war Pohl (1919–2013) einer der Motoren. Dabei arbeitete er oft mit Co-Autor Cyril M. Kornbluth zusammen, später schloss er einen unvollendeten Roman von Arthur C. Clarke ab.

In der altgedienten Heyne-Reihe „Meisterwerke der Science-Fiction“ liegt nach „Die Gateway-Trilogie“ und „Eine Handvoll Venus“ nun ein weiterer Roman von Frederik Pohl vor. In Mensch Plus“ (im Shop) aus dem Jahr 1976 spitzt sich der Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und einer asiatischen Großmacht immer weiter zu, außerdem werden die Ressourcen auf dem blauen Planeten knapp. Wer als erstes den Mars erreicht und besiedelt, wird die besten Karten für die Zukunft haben. Deshalb verwandelt das amerikanische Raumfahrtprogramm Astronauten in biologisch und physiologisch kaum noch menschliche, fledermausartige Cyborgs, die perfekt auf die marsianischen Bedingungen angepasst sind. Allerdings gibt es wissenschaftliche Rückschläge und private Probleme im Verlauf des Projekts, und im Hintergrund mischt noch eine dritte mächtige Partei mit …

Ein SF-Romanklassiker von 1976 sollte sich nicht nur daran messen, wie klobig und riesig Computer damals eben noch waren, oder wie er ein antiquiertes Bild von Geschlechterrollen und Sex verarbeitet. Natürlich merkt man „Mensch Plus“ an, dass Frederik Pohls Wertesystem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verwurzelt war, obwohl er gerade in Sachen Sex gerne provozierte und nach vorn preschte. Überhaupt ist „Mensch Plus“ an vielen Stellen wunderbar sarkastisch und geradezu fies, was häufig ein Herausstellungsmerkmal von Pohls Werken ist und im Kampf der Zukunftsliteratur gegen die Zeit definitiv hilft. Hinzu kommt, dass Pohl sein Wordlbuilding fluffig in die Geschichte untermischt und am Ende obendrein mit einer drastischen Pointe aufwartet, die er lange vorbereitet.

Mehr noch aber macht die visionäre Kraft von „Mensch Plus“ deutlich, wenn man sich anschaut, was uns heute beschäftigt, und was moderne Autorinnen und Autoren des SF-Genres umtreibt. Der Mars ist mehr denn je der Sehnsuchtsort und das große, ferne Ziel der Menschheit, ob Expedition der Besiedlung, hier könnte man jetzt nicht zuletzt „Der Marsianer“ von Andy Weir (im Shop) anführen – und dass wir von unserem Planeten aus welchen Gründen auch immer fliehen müssen, insofern wir als Spezies fortexistieren wollen, klingt im Jahr 2022 jetzt auch nicht so unwahrscheinlich und inspiriert seit Langem und nach wie vor viele SF-Schaffende.

Und während z. B. Max Barry (im Shop) anno 2011 in seinem Roman „Maschinenmann“ einen Wissenschaftler nach und nach in einen Cyborg verwandelte und um die eigene Menschlichkeit ringen ließ, thematisieren Filme wie „Hidden Figures – Unbekannte Heldinnen“ von Theodore Melfi oder Romane wie „Die Berechnung der Sterne“ von Mary Robinette Kowal den Sexismus und Rassismus in den Anfängen der Raumfahrt. 2019 veröffentlichte Becky Chambers, eine der lesenswertesten SF-Autorinnen der gegenwärtigen Generation, unterdessen ihre feine Novelle „To Be Taught, If Fortunate“. Als Prämisse dieser Erzählung dient der Gedanke, dass nicht Terraforming fremde Planeten an die Menschen anpassen muss, sondern dass irdische Astronautinnen und Astronauten durch genetische Modifikation für jeden Einsatz auf einer anderen Welt, die sie betreten und erforschen, den dort vorherrschenden Bedingungen angepasst werden müssen.

Frederik Pohl verarbeitete all diese Gedanken, Ideen und Themen bereits vor fast einem halben Jahrhundert in seinem unterhaltsam, faszinierenden SF-Roman, den er übrigens 1994 mit Co-Autor Thomas T. Thomas in „Mars Plus“ fortsetzen sollte.

Frederik Pohl: Mensch Plus • Meisterwerke der Science-Fiction • Aus dem Amerikanischen von Tony Westermayr • Vollständig überarbeitete Ausgabe, Wilhelm Heyne Verlag, München 2022 • 352 Seiten • Als Taschenbuch und E-Book erhältlich • € 10,00 (TB) im Shop

[bookpreview] 978-3-453-32178-6

 

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