13. April 2023 2 Likes

„Suzume“ – Neues Anime-Epos vom „Your Name“-Regisseur

Wunderwunderschön anzuschauen, aber …

Lesezeit: 4 min.

Das Erfolg Segen und Fluch zugleich sein kann, ist eine Binse, wurde aber in der Filmwelt nirgends so schön veranschaulicht wie aktuell bei James Cameron, der zwar mit „Avatar: The Way of Water“ an den gigantischen Erfolg des ersten Teils von 2009 anschließen konnte, mit seinem Hit aktuell auf Platz 3 der erfolgreichsten Filme der Welt steht, anderseits aber wohl den Rest seiner Karriere auf Pandora verbringen wird. Es war jedenfalls schon ein überdeutliches Zeichen, dass seine sehr, sehr lange angekündigte Manga-Adaption „Alita: Battle Angel“ (2019) an den Kinokassen nur mit Mühe ihr Budget wieder einsammeln konnte und „Terminator: Dark Fate“ (im gleichen Jahr veröffentlicht) floppte. Der Name des in jeder Hinsicht zur Megalomanie neigenden Kanadiers scheint auf alle Ewigkeit untrennbar mit in Blau getunkten, maximal anschlussfähigen Bombast-Kitsch verbunden zu sein.

Nach Ansicht von „Suzume“ keimt die Befürchtung auf, dass dem japanischen Regisseur Makoto Shinkai ein ähnliches Schicksal blühen könnte. Shinkai feierte 2016 mit „Your Name. Gestern, heute und für immer“ seinen kommerziellen Durchbruch und zwar so richtig – die hochemotionale Romanze wurde zum dritterfolgreichsten Anime der Welt. Auf den Megahit konnten sich vom Anime-Nerd bis zum FAZ-Kritiker alle einigen. 2019 gab’s in Form von „Weathering With You – Das Mädchen, das die Sonne berührte“ einen erfolgreichen Nachschlag. Allerdings wurden Stimmen laut, die eine etwas zu große Ähnlichkeit zum Vorgänger bemängelten. Das ist bei „Suzume“ nicht anders.

Dieses Mal wird von der 17-jährige Schülerin Suzume Iwato erzählt, die seit dem Tod der Mutter bei ihrer Tante Tanaki in einem kleinen Ort auf der Insel Kyushu lebt. Eines Tages begegnet sie einem jungen Mann, der auf der Suche nach einer Ruine ist. Zuerst denkt sie sich nicht groß was dabei, doch dann besucht sie den Ort selbst und findet dort mitten im Raum eine Tür, durch die eine dunkle, Unheil bringende Kraft auf die Erde fließt und Erdbeben verursacht. Mit Hilfe des jungen Mannes, Sōta, schafft sie es die Tür zu verschließen, allerdings beginnen sich überall in Japan Türen zu öffnen. Suzume und Sōta müssen diese Portale schließen, um Katastrophen zu verhindern, und im Prinzip passiert soviel mehr nicht, obwohl hier noch mal ein paar Minuten draufgepackt wurden und jetzt 122 Minuten veranschlagt werden.

Erneute dreht sich alles um eine Romanze mit übernatürlichem Anstrich, die mit einer Katastrophe verbunden wird: Waren es in „Your Name“ noch ein Kometeneinschlag und in „Weathering With You“ die Klimakrise, stehen jetzt Erdbeben auf dem Programm. Elemente wie Türen, Schlösser, Ruinen, magische Gegenstände und eine niedliche Katze sollen dagegen aus Shinkais „Children Who Chase Lost Voices“ (2011) stammen, was aber nicht bestätigt werden kann, da nie gesehen. Die Katze könnte jedenfalls ebenso von Luna aus dem „Sailor Moon“-Franchise inspiriert sein, die Ähnlichkeit ist kaum von der Hand zu weisen.

Wie auch immer: Dass nichts Neues serviert wird, wäre an sich noch verkraftbar. Shinkai, der ja nicht nur Regie führt, sondern – ein Gemeinsamkeit mit Cameron – ein Allrounder ist, der die Drehbücher seiner Filme schreibt und sich um Kamera, Schnitt und andere Bereiche kümmert, ist in formaler Hinsicht natürlich nach wie vor tip-top: „Suzume“ verzaubert in visueller Hinsicht vom Start weg mit einem Himmel, in dem die Sterne und die Sonne gleichzeitig leuchten und wartet im weiteren Verlauf mit vielen großartigen Bildern auf, bei denen vor allem der virtuose Umgang mit Licht und Schatten zu begeistern weiß.

Leider fühlt sich die Geschichte ein wenig an, als ob ein Serienkonzept als Spielfilm umgesetzt wurde, denn zu einem großen Ganzen findet das Geschehen nie: Suzume und Sōta werden von Station zu Station geschoben, es gibt keine Wendungen wie bei den Vorgängern. Hier und da tauchen Nebenfiguren auf, bleiben aber blass, zeichnen sich vor allem durch bedingungslose Hilfsbereitschaft aus und verschwinden dann auf Nimmerwiedersehen.

Hektik und eine Konzentration auf Spektakel stehen einem Warmwerden mit der Protagonistin im Weg, weswegen die übergroßen Emotionen (der Fokus liegt diesbezüglich etwas mehr auf Suzume und ihrer Mutter als auf dem Mädchen und Sōta) eher behauptet werden.

Es sind die kleineren Details und Momente, die gefallen. Allein der Umstand, dass Sōta, von dem Suzume von Sekunden eins an völlig hin- und weggerissen ist, erstmal in einen dreibeinigen Kinderstuhl verwandelt wird und in diesem Zustand bis kurz vor Ende bleiben muss, ist natürlich ein schöner Einfall, dessen komödiantisches Potential gut ausgereizt wird.

Um noch mal einen Bogen zu Cameron zu schlagen: Auf „Suzume“ liegt spürbar das Gewicht der außergewöhnlich großen Erfolge der Vorgänger, Erfolge, an die der Film versucht mit deutlich zu brachialer Macht anzuknüpfen. Das hat geklappt, denn das Publikum in Japan, China und Südkorea rannte Ende 2022 erneut in Scharen in die Kinosäle. Was aber von Shinkai als Künstler langfristig übrig bleibt, wird sich zeigen.

Suzume (Japan 2022) • Regie: Makoto Shinkai • Originalsprecher: Nanoka Hara, Hokuto Matsumura, Eri Fukatsu, Kôshirô Matsumoto, Shôta Sometani, Sairi Itô, Kotone Hanase • ab dem 13.04.2023 im Kino

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