16. Juli 2015 1 Likes

Eine kleine Geschichte der Zeit

Die Vorfahren der Apple Watch der letzten hundert Jahre

Lesezeit: 5 min.

Seit Ende April ist sie zu haben: Die Apple Watch, das ultimative Gadget für den Geek mit Geld. Die Uhr wird einfach mit dem iPhone gekoppelt und dient dann als zweites Display, damit man das Handy nicht mühsam aus der Hosentasche ziehen muss. Die Idee dahinter geistert allerdings schon seit hundert Jahren durch die Köpfe zukunftsorientierter Kommunikationsbegeisterter, hatte bereits eine ganze Reihe kreativer Namen und war mal mehr, mal weniger Uhr, Funkgerät, Radio oder Fernseher. Einige Highlights aus hundert Jahren Smartwatch-Geschichte:

1915 malten sich kreative Theater-Autoren aus, wie und womit Mann und Frau im Jahr 2015 miteinander in Kontakt treten würden. Der Indianapolis Star vom 31. Mai 1915, druckte eine nicht ganz spoilerfreie Review:

Ein kürzlich aufgeführtes Dramolett über das Jahr 2015 beschreibt die Brautwerbung der Zukunft. „Die junge Schönheit des nächsten Jahrhunderts sitzt an einem Tisch und träumt von ihrer zukünftigen Familie, als der zukünftige Vater ihrer Kinder hereinfliegt. Die Strahlen, die ihre Gefühle registrieren, treffen sich und verfärben sich tiefrot, um zu zeigen, dass sie wirklich füreinander bestimmt sind. Während sie sich unterhalten, hört der junge Mann durch ein Telefon, das er am Handgelenk trägt, dass er, obwohl er selbst sich moralisch nichts zuschulden hat kommen lassen, seine Jane doch nicht heiraten kann, weil sein Ur-Ur-Urgroßvater ein verschwenderisches Leben geführt hat. Beide sind völlig verzweifelt, bis Jane das Amt für Eheschließungslizenzen anruft und gesagt bekommt, dass sie ihn wegen ihrer herausragenden Führung doch heiraten darf.

Die wohl berühmteste Ahnherrin der Smartwatch stammt aus einem Comic von Chester Gould und wurde in den 1930ern von Detective Dick Tracy getragen. Dessen Funk-Uhr konnte senden und empfangen, und diese Idee setzte sich in den Köpfen fest. Die technischen Innovationen aus dem Zweiten Weltkrieg, die es erlaubten, immer kleinere Geräte herzustellen, ließen den Traum von der Telefon-Uhr in scheinbar greifbare Nähe rücken. 1948 stellte Dr. Cledo Brunetti seinen Wrist-Watch Transmitter vor, der einen entscheidenden Nachteil hat: Er zeigte die Zeit nicht an. Sechs Jahre später konstruierte die Firma Sylvana einen Transistor-Uhr-Prototyp, und 1963 priesen Davenport & Waldon so ein Gerät für sagenhafte sieben Dollar an. Leider funktionierten diese Modelle, wenn überhaupt, nicht einmal halb so gut wie Dick Tracys Wunderuhr.

In den Siebzigern waren Digitalarmbanduhren weit verbreitet, und so trat auch die Idee der Telefon-Uhr am Handgelenk wieder auf den Plan. David Jefferies und Kenneth William Gatland veröffentlichten 1979 das Jugendbuch Future Cities: Home and Living into the 21st Century (auch The Usborne Book of the Future), und sie hatten einige interessante Ideen in Bezug auf die „Wrist-phones“ oder, wie die Autoren sie abkürzten, die „Risto“. Ristos arbeiten mit jener satellitengestützten Technologie, mit der wir heute ganz selbstverständlich Smartphones und GPS-Systeme betreiben. Bei der optimistischen Beschreibung der Vorzüge dieser Technologie trafen die Autoren ziemlich genau ins Schwarze:

Die Stadtbewohner der Zukunft könnten ein kleines Gerät mit ungeheurem Nutzen haben: ein Uhren-Funktelefon. Mit einem solchen „wristwatch radio“ könnte man jederzeit mit jeder beliebigen Person sprechen, wo auch immer man sich gerade aufhält … Eine Risto wird man zum Preis eines Taschenrechners kaufen können, und sie wird nicht mehr als ein paar Gramm wiegen. Wenn man sich zu einer Verabredung verspätet, kann man ganz einfach anrufen und Bescheid geben … In der Zukunft werden wir uns nicht mehr verlaufen, ganz egal ob in der Stadt oder außerhalb. Die Risto liefert eine Wegbeschreibung in die nächste Stadt.

Gut, die „pop out aerials“, vier kleine ausfahrbare Antennen, sehen nicht sonderlich bequem zu tragen aus, und die Kapazität des Satellitensystems, das mit sage und schreibe zehntausend Anrufen fertig wird und nebenbei noch elektronische Post zustellen kann, ist ein wenig zu tief gegriffen. Aber unsere Sicherheit könnte dank der Risto signifikant verbessert werden, indem man über einen Knopfdruck ein Notrufsignal sendet. Der Uhrenhersteller Breitling scheint sich das zu Herzen genommen zu haben, als er das Modell Emergency entwickelte, mit dem man allerdings nicht telefonieren kann.

Comic-Zeichner Arthur Radebaugh hatte uns bereits 1960 in seiner Serie für die Chicago Tribune, Closer Than We Think, TV-Uhren inklusive Live-Übertragungen vom Mond versprochen, und 1982 brachte die Firma Seiko eine TV-Watch auf den Markt, die zwei Jahre später ihren Weg ins Guinness‘ Buch der Rekorde als kleinster Fernseher der Welt fand. 1983 nutzte Roger Moore als James Bond den kleinen Bildschirm fürs Handgelenk in Octopussy – nicht zu sehen war allerdings der dazugehörige klobige Empfänger. 1984 scheint ein grandioses Jahr für Wearables gewesen zu sein, denn das Seiko RC 1000 Wrist Terminal, das neben einem Zeitplaner und einem Taschenrechner auch über einen Arbeitsspeicher von sensationellen zwei Kilobyte sowie über eine Schnittstelle für Computer verfügte, und der Seiko UC 2000 erblickten das Licht der Welt. Weil es vor der Erfindung des Touchscreens unmöglich war, eine komplette Tastatur in eine Uhr zu integrieren, drehte man den Spieß einfach um und integrierte die Uhr in die Tastatur.

Seiko blieb der Marktführer in Sachen Computer-Uhren, bis man 1999 diesen Geschäftszweig einstellte, weil man glaubte, dass mit dem Y2K-Bug jedes Interesse an einer smarten Armbanduhr dahin sein würde. Die Konkurrenz hatte nicht so viel Angst: 2000 schlossen sich IBM und Citizen zusammen, um mit dem WatchPad, das es nie auf den Markt schaffte, ein weiteres Computeruhr-Modell auf die Menschheit loszulassen. Es hatte eine ganze Reihe Features wie Bluetooth, einen Fingerabdrucksensor und, wie die aktuelle Apple-Watch, ein kleines Rädchen, das man für Eingaben benutzen konnte. Die Uhr, die sicherlich nicht zu den Design-Ikonen der Neuzeit gezählt werden kann, sollte sogar zum bargeldlosen Bezahlen verwendet werden können.

Samsung ging 1999 mit der SPH-WP10 an den Start. Sie war der Vorreiter der Galaxy Gear, Samsungs aktueller Smartwatch von 2013, die jedoch bei den Kunden komplett durchfiel (ob es an dem wahrscheinlich beklopptesten Werbespot der Geschichte lag?). Ebenfalls 1999 tat sich der Ingenieur Donald Brewer mit dem Uhrenhersteller Fossil zusammen und konstruierte eine Digitaluhr, auf der Palm OS lief. Bis 2005 entwickelte Brewer das Konzept weiter, doch wegen des klobigen Designs, das im Online-Magazin Wired als „Schiffsanker“ beschrieben wurde, und des extrem dunklen Bildschirms, auf dem man kaum etwas erkennen konnte, fiel auch dieses Modell durch. Die Pebble Watch von 2013, deren Entwicklung über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter finanzierte wurde, sorgt dank der E-Ink-Technologie, die wir auch von E-Book-Readern kennen, für bessere Lesbarkeit. Kurz danach kam auch Motorola mit dem Moto 360 auf den Markt, das sicherlich zu den schöneren Geräten gehört. Die Apple Watch schließlich ist das letzte Gerät in einer langen Ahnenreihe, das dank der Fans, die mitunter leicht gehirngewaschen wirken, sicherlich nicht groß um seinen Platz in den Haushalten von heute wird kämpfen müssen. Inwiefern das nun gut oder schlecht ist, überlasse ich jedem selbst zu beurteilen.

 

Quellen und weitere Smartwatches von 1970 bis heute: zdnet.com, fastcompany.com, mobilegeeks.de, anirik-01.livejournal.com, williamhorberg.typepad.com

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