24. August 2015 3 Likes

Alice Sheldon / James Tiptree, Jr.

Zum 100. Geburtstag

Lesezeit: 2 min.

Heute, am 24. August, wäre Alice B. Sheldon alias James Tiptree Jr. alias Raccoona Sheldon hundert Jahre alt geworden. Man sollte sich einen Augenblick Zeit nehmen, um sich daran zu erinnern, welche Bedeutung diese Autorin für die Science-Fiction hatte und immer noch hat (oder wenigstens haben sollte).

Gut zwanzig Jahre lang, von 1968, als ihre erste Kurzgeschichte in Analog erschien, bis zu ihrem Tod am 19. Mai 1987, dominierte Sheldon die Science-Fiction wie nur wenige zuvor. Ihre Ideen und ihre Originalität setzten sie sofort von der Masse ab. Sie wiederholte nicht altbekannte Muster, sie schuf neue. Atemberaubend neue.

Sheldon schrieb zunächst unter dem männlichen Pseudonym James Tiptree, Jr., das erst 1976 aufflog. Da in ihren Storys häufiger „Gender“-Motive auftauchten, wurde schon früh spekuliert, ob sich hinter dem Pseudonym nicht eine Frau verbergen könnte. Robert Silverberg war es schließlich, der sich 1975 im Vorwort der Tiptree-Story-Sammlung „Warm Worlds and Otherwise“ aus dem Fenster lehnte und den Gedanken schlicht für absurd erklärte, da „Tiptrees Stil doch so eindeutig maskulin sei“.

Sie bekam zwei Hugos, drei Nebulas und den World Fantasy Award.

Doch all das ist eigentlich unwichtig.

Denn es gibt letztlich nur einen Grund, warum ihre Geschichten so viel Aufsehen erregten: Sheldon war eine verdammt gute Schriftstellerin. Geschlecht hin, Gender her.

Wer je „Frauen, die man übersieht“, „Houston, Houston, bitte kommen!“, „Das eingeschaltete Mädchen“, „Eure Gesichter, o meine Schwestern! Eure Gesichter voller Licht!“ oder „Die Screwfly Solution“ gelesen hat, kann das leicht verstehen. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn es gibt kaum eine Story von Sheldon, die nicht lesenswert wäre und die meisten sind höchst erstaunlich gut „gealtert“. Auch ihre beiden Romane „Die Mauern der Welt hoch“ und „Helligkeit fällt vom Himmel“, die allgemein als eher unbedeutend im Vergleich zum Kurzgeschichtenwerk eingeschätzt werden, dürfen gern wieder entdeckt werden.

Auf Deutsch kümmert sich seit einigen Jahren der Wiener Septime-Verlag um das Gesamtwerk der Autorin (und kommt gut voran!). Sieben Bände mit sämtlichen Erzählungen liegen bereits vor, die Romane, Essays, Briefe & Gedichte sollen bis 2017 folgen. Eine vergleichbare Ausgabe gibt es nicht einmal in den USA.

Bei Septime ist auch die herausragende Biografie „James Tiptree Jr. - Das Doppelleben der Alice B. Sheldon“ von Julie Phillips erschienen. Eine Biografie, die selbst für Leute interessant sein dürfte, die nichts mit SF am Hut haben. Nicht nur, weil Sheldon ein hochspannendes Leben geführt hat, sondern auch, weil Phillips begriffen hat, wie und warum man überhaupt Biografien schreibt. Das gibt es nicht oft.

Es gibt nur wenige Bücher in meinem Schrank, die so zerlesen sind wie meine alten US-Ausgaben der Storys von Alice Sheldon. Vielleicht sollte ich sie gleich noch mal rauskramen …

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