19. Februar 2021 3 Likes

„Der Netzwerkeffekt“ von Martha Wells

Das Roman-Sequel zum SF-Highlight „Tagebuch eines Killerbots“

Lesezeit: 3 min.

Mit Killerbot hat die amerikanische Science-Fiction-Schriftstellerin Martha Wells dem Genre eine wunderbare Figur geschenkt: Eine Cyborg-Sicherheitseinheit, die nur Firmeneigentum und ein Ding war, bis die Kampfmaschine ihr Chefmodul hackte. Plötzlich mit beunruhigenden Dingen wie dem freien Willen, Gerechtigkeitsempfinden oder Sympathie für einige wenige Menschen konfrontiert, musste Killerbot jede Menge Veränderungen und Hürden nehmen – und nach wie vor ohne Ende Gefahren und Gegner mit der Energiewaffe im Arm, externen Knarren, einer kleinen Armee Späh- und Kampfdrohnen oder versierten Hackerangriffen plattmachen. An Feinden/Zielen herrscht kein Mangel in einem von der Menschheit besiedelten All, wo Firmen und planetare Entitäten den Ton angeben, Kommerz alles regelt und ein Cyborg oder ein Frachtschiff-Bot den gängigen Meinungen und Verträgen nach eigentlich keine Individuen sein sollten …

Doch Killerbot, mit einer Vorliebe für lange Fernsehserien wie Aufstieg und Fall des Waldmonds ausgestattet und mit einem besonders fiesen Forschungsschiff als bestem Freund gestraft, ist nach den Novellen im ersten Buch „Tagebuch eines Killerbots“ noch immer frei. In Der Netzwerkeffekt“ (im Shop), dem ersten originären Killerbot-Roman, begleitet unser sympathisch-misanthropischer Cyborg ein paar Menschen aus dem Umfeld seiner Lieblingspersonen als Security auf eine Forschungsmission. Bei der Rückkehr aus dem Wurmloch gibt es so richtig Ärger. Killerbot muss sich mehr denn je anstrengen, um die tolerierbar nervigen Menschen am Leben zu halten, während fiese Killware und andere Gemeinheiten am Start sind. Aber Killerbot kämpft wie gehabt bis zur letzten Zeile Code, zur letzten Drohne, zum letzten Tropfen auslaufender Flüssigkeit und zum untersten Prozent Leistung des organisch-technologischen Systems …


Martha Wells. Foto © Igor Kraguljac

Die vier ursprünglich online veröffentlichten Geschichten in „Tagebuch eines Killerbots“ waren ja schon wirklich ein großes Vergnügen. In „Der Netzwerkeffekt“ schiebt Martha Wells allerdings noch mal alle Regler ein verblüffendes Stück nach oben. Das liegt gar nicht mal so sehr am Plot, der im Vergleich mit den Novellen szenisch betrachtet recht dekomprimiert daherkommt und relativ wenige Locations nutzt für fast 500 Seiten packende Space Opera. Wells reichen ein, zwei Raumschiffe und genauso viele Planeten, um eine spannende, witzige, actiongeladene und vor allem außergewöhnliche Science-Fiction-Geschichte zu erzählen – eine Geschichte, die wirkt, als würde ein Cyborg mit Asperger-Syndrom oder dem Gemüt von Sheldon Cooper und dem Terminator eine irre Mischung aus Space Opera, Cyberpunk, Biopunk und Military Science-Fiction zum Besten geben.

Das liest sich wie eine atemberaubende Fusion von James S. A. Coreys multimedialer „The Expanse“-Serie (im Shop) und den erfrischenden, topaktuellen Computer-Crack-Abenteuern von Cory Doctorow (im Shop), obwohl selbst das nicht den ganzen Spaß beschreibt, den man mit Killerbots Taten und Gedanken hat. Zumal Wells ihren Fanliebling im ersten Roman noch etwas besser zu verstehen scheint als bisher und die ziemlich einmalige emotionale Kondition ihres Hauptcharakters für viele bissige, bereichernde Sekundärgedanken (und absatzweise Überlegungen und Einschübe in Klammern) nutzt – natürlich alles in einer zu Killerbots in jeder Hinsicht ambivalenten Natur passenden Sprache. Wells entwickelt das tolle Konzept sogar überraschend und klug weiter, was für die Zukunft einige Möglichkeiten eröffnet.

Killerbot ist spätestens mit diesem Roman das Beste, was der Science-Fiction in Sachen Erzählperspektive seit Langem passierte. Gut, dass der nächste Roman bereits im Anflug ist. Bis dahin können wir uns ja ein paar Folgen Waldmond reinziehen.

Martha Wells: Der Netzwerkweffekt. Ein Killerbot-Roman • Aus dem Englischen von Frank Böhmert • Heyne, 2021 • 480 Seiten • Als Paperback, E-Book und Audio-Download erhältlich • Preis des E-Books: € 11,99 (im Shop)

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