21. Mai 2025

„The Devils“ von Joe Abercrombie

Herrliche Grimdark-Fantasy in einer mittelalterlichen Alternate History

Lesezeit: 3 min.

Mit seiner „Klingen“-Reihe (im Shop) hat sich der britische Autor Joe Abercrombie (im Shop) seit 2007 in die Herzen zahlreicher Fantasy-Fans geschrieben. Zehn Bücher über das „First Law“-Universum gibt es inzwischen, außerdem verfasste der 1974 in Lancaster geborene Abercrombie noch die „Königs“-Young-Adult-Serie. Zuletzt wirkte er als Drehbuchautor neben u. a. John Scalzi (im Shop) und Tasmyn Muir (im Shop) an der aktuellen Staffel von Netflix’ Science-Fiction-Animationskurzfilm-Reihe „Love, Death & Robots“ mit. Die hat in der vierten Runde leider eher underperformed, aber Abercrombie hat mit „Golgotha“ (die Tintenfisch-Aliens und der Priester) immerhin eine der besten Episoden aus dem Schaffen von Dave Hutchinson adaptiert.

Mit genauso viel Spannung wie die vierte Season von „Love, Death & Robots“ wurde Joe Abercrombies neuer Roman „The Devils“ (im Shop) erwartet. „The Devils“ ist in keinem von Abercrombies bisherigen Fiction-Universen angesiedelt, gleichwohl in seinem launigen, derben Signaturstil geschrieben. Eingefleischte „Klingen“-Fans brauchen sich also keine Sorgen machen – und wer bisher nicht mit Abercrombies Büchern warm geworden sein sollte, kann bedenkenlos noch mal einen Versuch wagen. „The Devils“ scheint jedenfalls das ideale Buch dafür zu sein, etwa wenn man David Gemmells Fantasy-Verzerrungen des Mittelalters und der Antike oder Andrzej Sapkowskis „Witcher“ schätzt.

Angesiedelt ist Abercrombies Romanmonster in einer mittelalterlich-magischen Alternativwelt. Deren letztes Großreich war ein magisch befeuertes Karthago anstelle von Rom, Venedig die größte Stadt der Welt – beide sind untergegangen. Die Kreuzzüge im Heiligen Land wurden indessen gegen die bösen Elfen geführt, von denen es heißt, dass sie in der nahen Zukunft die Apokalypse bringen werden. Die Glaubenszentren der geteilten Kirche liegen nach dem jüngsten sexistischen Schisma derweil in der Heiligen Stadt sowie in Troja. In der Heiligen Stadt glaubt man z. B. an eine Erlöserin, als Symbol dient ein Kreis statt eines Kreuzes, und die westliche Kirche ist matriarchalisch um eine zaubernde Kinderpäpstin und allerhand mächtige Bischöfinnen und Kardinalinnen aufgestellt.

Ein paar der höchsten Kirchenfrauen beauftragen den Mönch Bruder Diaz mit der Aufsicht über die Kapelle der Heiligen Zweckmäßigkeit. Diaz findet bald heraus, was das bedeutet: Er soll eine Gruppe Tunichtgute und Monster – „Teufel“ – auf schicksalhafter kirchlicher Mission anleiten: einen unkaputtbaren alten Tempelritter, eine großspurige Alleskönnerin mit tausend Talenten, einen rachsüchtigen arroganten Nekromanten, eine sich unsichtbar machen könnende Elfe, einen aalglatten Vampir-Adeligen und eine dauergeile, dauergefährliche Wikinger-Werwölfin. Mit dieser Truppe muss Diaz die lange verschollene Thronerbin Trojas aus der Gosse der Heiligen Stadt zur Wiedervereinigung der europäischen Kirche nach Troja bringen …


Joe Abercrombie. Foto © Lou Abercrombie

Was man sofort merkt: Joe Abercrombie hat an diesem Setting und diesen Figuren viel Vergnügen, der Funke springt daher sofort über. Abercrombie erweckt seine Welt von der ersten Seite an zum Leben, vermischt die deftige, derbe Grimdark-Fantasy gekonnt mit der Suicide-Squad-Prämisse und dem gelungenen Worldbuilding eines faszinierenden alternativen Mittelalters. 840 Seiten sind beileibe kein Pappenstiel, und der britische Bestseller-Autor gibt seinen Szenen oft genüsslich viel Raum – doch der Unterhaltungsfaktor von Mr. Abercrombies Antihelden und Antiheldinnen in heilig-unheiliger Mission ist stets so groß, wie dieses Buch fett. Ob man selbst mit den Misfits ins blutige Abenteuer ziehen würde, sei mal dahingestellt, das könnte unschön enden. Die unkonventionelle Truppe lesend (oder hörend) auf ihrem Weg nach Troja zu begleiten, stellt jedoch ein ungeheures, um nicht zu sagen ein teuflisches Vergnügen dar.

Joe Abercrombie: The Devils • Roman • Aus dem Amerikanischen von Kirsten Borchardt • Heyne, München 2025 • 848 Seiten • Erhältlich als Hardcover, eBook und Hörbuch Download • Preis des Hardcovers: 24,00 € • im Shop

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Christian Endres berichtet seit 2014 als Teil des Teams von diezukunft.de über Science-Fiction. Er schreibt sie aber auch selbst – 2024 ist bei Heyne sein SF-Roman „Wolfszone“ erschienen.

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