„Die 22 Tode der Madison May“ von Max Barry
Eine Reporterin jagt einen Stalker und Killer durchs Multiversum
Eigentlich kümmert sich die Journalistin Felicity in der Redaktion der Daily News um Politik. Doch weil der etatmäßige Kriminalreporter Levi gerade mit einem Stelldichein beschäftigt ist, übernimmt Felicity einen Mordfall. Die junge Immobilienmaklerin Madison May wurde bei einer Hausbesichtigung brutal umgebracht. Felicity sieht mehr vom Tatort, als ihr lieb ist – und ihr fallen ein paar Dinge auf, die den Polizisten entgehen. Ehe sie sich’s versieht, verfolgt sie allem Anschein nach einen Killer durch die Stadt und bis in die U-Bahn. Allerdings bleibt sie nicht unbemerkt, und am Ende landet Felicity auf den Gleisen – und in einer anderen, parallelen Wirklichkeit, in der ein paar Dinge ganz anders sind. Felicity macht sich auf, das Rätsel zu lösen, und erfährt einige unglaubliche Wahrheiten über das Reisen durchs Multiversum. Und darüber, wieso ein Mann versucht, in allen möglichen Wirklichkeiten die junge Madison zu ermorden …
Die Theorie des Multiversums ist weder in der Wissenschaft, noch in der Popkultur eine schockierende Neuheit. Viel mehr könnte man sagen, dass Doctor Who und das Marvel Cinematic Universe das Konzept des Multiversums in den Mainstream getragen, der breiten Masse näher gebracht haben. Oder denken wir nur an die letzten Oscar-Verleihungen, wo der entsprechend gepolte Film „Everything Everywhere All At Once“ zum großen Matchwinner wurde und einige besonders schöne Oscar-Momente lieferte. Auch der australische Bestsellerautor Max Barry (im Shop) nutzt in seinem im Original schon 2021 erschienenen Roman „Die 22 Tode der Madison May“ (im Shop) eine recht klassische Form der Multiversum-Theorie.
Doch Barry, neben Matt Ruff („Lovecraft Country“, „Bad Monkeys“) wohl der größte Wundertüten-Einzelband-Autor der gegenwärtigen Fantastik, genügen ein paar Twists wie z. B. Token-Verkettungen zwischen den Realitäten, um sich das Konzept des Multiversums doch ein Stück weit zu eigen zu machen, seinem Roman eine individuelle Note innerhalb der Riege an Multiversums-Geschichten zu verleihen. Trotzdem ist „Die 22 Tode der Madison May“ noch immer ein ausgesprochen zugänglicher Science-Fiction-Roman, da die fluffig geschriebene Serienkiller-Jagd durchs Multiversum für ordentlichen Mainstream-Thrill sorgt – mehr noch als z. B. damals Lauren Beukes’ scharfkantigeres, anspruchsvolleres, schwierigeres Buch „Shining Girls“ (oder dessen behäbige Hochglanz-Serienadaption).
Früher hat Barry einige wunderbar-bissige Romane über den Wahnsinns-Kapitalismus oder den Gadget-Wahn unserer Gesellschaft geschrieben – Werke wie „Sirup“, „Logoland“ und „Maschinenmann“ sind bis heute echte Empfehlungen, ja, heute womöglich noch mehr als bei Erscheinen. In den letzten Jahren hat sich der Australier, der früher bei Hewlett-Packard gearbeitet hat, in eine etwas andere Richtung entwickelt. Dabei könnten wir gerade jetzt den Max Barry gebrauchen, der dem Irrsinn unserer Gegenwart furchtlos den literarischen Spiegel vorhält. Andererseits braucht man genau von dieser Gegenwart und Realität manchmal einfach eine Pause, und dafür eignet sich ein Roman wie „Die 22 Tode der Madison May“ natürlich prima. Schließlich entführt der nicht nur in eine andere Welt, sondern gleich mehrere …
Max Barry: Die 22 Tode der Madison May • Max Barry: Die 22 Tode der Madison May • Roman • Aus dem Australischen Englisch von Bernhard Kempen • Wilhelm Heyne Verlag, München 2023 • 432 Seiten • Erhältlich als Paperback und eBook • Preis des Paperbacks: € 15,00 • im Shop • Leseprobe
Kommentare