„Hätte der Film Erfolg gehabt, wäre ich heute Mr. Dune“
David Lynch plaudert in „Traumwelten“ freimütig über seine „Wüstenplanet“-Verfilmung
Mindestens zwei Jahre wird es noch dauern, bis die angekündigte Neuverfilmung von Frank Herberts „Dune – Der Wüstenplanet“ (im Shop) durch Denis Villeneuve Gestalt annimmt. In der Zwischenzeit lohnt es sich, einen Blick in den soeben erschienenen Band „Traumwelten“ von David Lynch zu werfen, in dem der Regisseur, Drehbuchautor und Künstler sein Leben Revue passieren lässt – und dabei seinen einzigen regulären Science-Fiction-Film keinesfalls ausspart. Tatsächlich bekommt man die Ereignisse sogar in zwei Versionen angeboten, nämlich einmal durch die Journalistin Kristine McKenna und dann in Lynchs eigener Fassung, was die Fakten- und Anekdotendichte des mit schrägen Fotos illustrierten Buches deutlich erhöht.
Zu Beginn der 1980er Jahre hatte David Lynch nach dem Erfolg von Der Elefantenmensch gleich mehrere Projektangebote auf dem Tisch. Eines davon betraf The Return of the Jedi, doch Lynch war rasch klar, dass seine kreativen Spielräume bei einer Star-Wars-Fortsetzung gleich Null gewesen wären. In Sachen Dune sah es jedoch deutlich besser aus. Nach dem Ende des Jodorowsky-Vorhabens hatte Produzentenlegende Dino De Laurentiis 1976 die Rechte erworben und den Stoff zunächst Ridley Scott angeboten; doch der gab nach einigen Monaten auf, um sich – durchaus nicht zum Nachteil der Filmgeschichte – Blade Runner zuzuwenden. Raffaella, die Tochter von De Laurentiis, kannte Der Elefantenmensch und wollte Lynch als Regisseur für Dune gewinnen. Der unterschrieb dann gleich für zwei Fortsetzungen („Hätte der Film Erfolg gehabt, wäre ich heute Mr. Dune“) und machte sich ans Drehbuchschreiben, wobei rasch erste Grenzen sichtbar wurden. Zum einen sollte der Film eine niedrige Altersfreigabe erhalten, zum anderen hatte Dino De Laurentiis Eraserhead – Lynchs surreales Debüt von 1977 – nicht gefallen. Gefragt war eine kommerzielle und keine übermäßig künstlerische Arbeit. Es brauchte ein gutes halbes Dutzend Drehbuchfassungen, bis man sich einigen konnte.
Schließlich begann die Vorproduktion, und es wurde die Besetzung zusammengestellt. Kyle MacLachlan, der spätere Paul Atreides, hatte lediglich Erfahrung vom Theater, als er von der Casting-Agentin entdeckt wurde, doch Lynch zeigte sich sehr angetan – von MacLachlans Frisur einmal abgesehen („Mit meinen Haaren waren sie nicht so recht zufrieden. Das war während meiner gesamten Laufbahn ein Problem“). Irritationen gab es auch um Jürgen Prochnow, als Lynch überlegte, ihm die Wange aufzuschneiden, um die Szene mit dem zerbissenen Giftzahn besser zeigen zu können: „Ein Loch in die relativ dünne Wangenhaut zu schneiden, schien mir ehrlich gesagt nicht sonderlich abwegig oder gar extrem.“ Raffaella De Laurentiis verbot es ihm („Vergiss es, das wirst Du nicht tun“), doch Prochnow wurde beim Dreh dennoch verletzt, weil das eingesetzte „Giftgas“ zu heiß war … Die Produktion erwies sich als ausufernd. 1700 Mitwirkende, achtzig Sets, Außenaufnahmen bei über vierzig Grad Celsius. Die Komparsen in ihren „Gummi-Outfits“ fielen reihenweise um. Lynch blieb jedoch die Ruhe selbst und verkomplizierte dafür sein Beziehungsleben, indem er sich als frischgebackener Vater auf eine außereheliche Affäre einließ.
Schließlich ging es an den Endschnitt, und für den hatte Lynch keine Rechte – sein vermutlich größter Fehler bei diesem Projekt, aber zugleich eine Erfahrung, die im Zusammenhang mit kommerziellem Hollywoodkino wohl unvermeidlich ist. Lynchs Fassung war fünf Stunden lang; drei Stunden wurden angestrebt, schließlich kamen zwei Stunden und siebzehn Minuten heraus. Dino De Laurentiis in später Einsicht: „Wir haben Dune im Schneideraum zerstört.“ Frank Herbert freilich war mit dem Resultat zufrieden – Harlan Ellison übrigens auch. Die gelängte TV-Version hat Lynch nie gesehen. Letztlich wurden von ihm für den Film enorme Anstrengungen unternommen, nur: „Ich wusste jedoch immer, dass Dino das Recht auf den finalen Schnitt hatte. Aus diesem Grund hatte ich meine Version schon verraten und verkauft, bevor auch nur eine Szene im Kasten war.“
Der Partnerschaft zu De Laurentiis tat dies übrigens keinen Abbruch: Beide arbeiteten bei Blue Velvet (1986) erneut zusammen. Diesmal allerdings lag der Endschnitt bei Lynch, der für die Regie prompt seine erste Oscar-Nominierung erhielt.
David Lynch/Kristine McKenna: „Traumwelten. Ein Leben“ • Aus dem Amerikanischen von Robert Brack, Daniel Müller, Wulf Dorn und Stephan Glietsch • Heyne Verlag • 766 Seiten • € 25,00 • E-Book: € 19,99
Titelbild: David Lynch und Frank Herbert am ersten Drehtag von Dune, 30.3.1984
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