31. Mai 2021 1 Likes

„Roboterland“ von Jenny Kleeman

Ein Sachbuch darüber, wie wir morgen lieben, leben, essen und sterben werden

Lesezeit: 2 min.

Die Zukunft, die aus unserer von wissenschaftlichen und technologischen Errungenschaften geprägten Gegenwart hervorgehen könnte, wird uns gerne als Wunderland verkauft: Als Hightech-Utopia, in dem ungeachtet der vielen Probleme unserer Welt alles möglich sein wird und jeder sein und tun kann, was er will. Aber der prägende, prophetische Science-Fiction-Meister William Gibson sagt ja nicht umsonst, dass man dem unverwechselbaren Geschmack misstrauen soll. Die Zukunft wird nicht zuletzt dank Wissenschaft und Technik sicher Wunder bereithalten, keine Frage – doch wir müssen auch aufpassen, dass wir vor lauter blendendem Licht nicht vergessen, uns nach den Schatten umzusehen.

Die britische Journalistin und Dokumentarfilmerin Jenny Kleeman misstraut dem unverwechselbarem Geschmack der versprochenen Zukunft definitiv, und daraus macht sie in ihrem Sachbuch Roboterland. Wie wir morgen lieben, leben, essen und sterben werden“ (im Shop) nie einen Hehl. Kleeman betreibt also ganz ‚klassischen’ New Journalism, der seit Tom Wolfe, Gay Talese und Truman Capote nicht nur einen aktiven literarischen Anspruch hat und einer entsprechend spannenden Erzählweise folgt, sondern in seiner kritischen Haltung und Herangehensweise offen subjektiv ist. So nähert sich Kleeman, die für die BBC, den „Guardian“, die „Sunday Times“ und HBO arbeitet, allen Themen und allen Gesprächspartnern in „Roboterland“, allen Dingen auf ihrer Reise zu einigen technischen Innovationen in den Startlöchern, die das elementare, fundamentale Menschsein betreffen – und die uns als Individuen und als Gesellschaft drastisch verändern könnten.


Jenny Kleeman. Foto © Jenny Smith

Für ihr Buch sprach Kleeman mit den Entwicklern von Sexrobotern und mit den Wegbereitern künstlichen Fleisches, aber auch mit Menschen, die alles über künstliche Schwangerschaften und Gebärmütter, Leihmütter oder die technische Aufrüstung für den selbstbestimmten Freitod 2.0 zu wissen glauben. Kleeman ist immer skeptisch, immer kritisch und immer feministisch, trotzdem legt sie alle Fakten und Gedanken dar, während sie die Startrampen der Zukunft besucht und einen Retorten-Nugget kostet. Es schadet selbstverständlich nicht, sich eine eigene Meinung zu bilden (tut es ja nie, ehrlich), und über Kleemans Einschätzung hinauszublicken, obwohl sie meistens den richtigen Ansatz hat. Außerdem wirkt es für SF-Enthusiasten sehr sympathisch, wenn die Engländerin zwischendurch fiktive Werke von Vonnegut oder Huxley als Bezugspunkte für die realen Tendenzen und denkbaren Szenarien nutzt.

„Roboterland“ präsentiert sich als ein unterhaltsam geschriebenes, lebendiges Sachbuch – als eine interessante, kritische Auseinandersetzung mit wichtigen, faszinierenden Themen an der Schnittstelle von Fortschritt und Menschlichkeit. Zumal Jenny Kleeman weiß, was viele Science-Fiction-Autoren wissen und berücksichtigen: Dass die Zukunft in der Gegenwart beginnt, in der wir jetzt die moralischen Weichen für die nächste Ära stellen müssen. Dazu sollten wir wissen, worum genau es beim Fleisch oder der Schwangerschaft von Morgen gehen könnte, und dabei helfen Bücher wie „Roboterland“.

Jenny Kleeman: Roboterland • Sachbuch • Aus dem Englischen von Petra Pyka • Goldmann, München 2021 • 416 Seiten • als Paperback und E-Book erhältlich • Preis des E-Books: € 15,99 • im Shop

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