6. Februar 2024

S. A. Barnes: „Dead Silence“

Wahnsinn oder Heimsuchung? Geisterschiff-Horror im Weltraum

Lesezeit: 3 min.

Als Mädchen überlebte Claire Kovalik den Untergang einer ganzen menschlichen Kolonie im All, die von einem Virus ausgelöscht wurde – Claire sah, hörte damals sogar ihre Mutter sterben. Jahre später ist die psychisch seither ziemlich instabile Claire Teamleiterin auf einem kleinen Raumschiff des irdischen Großunternehmens Verux. Claire und ihre Crew, die noch aus dem großmäuligen Piloten Voller, dem einfühlsamen Schiffsarzt Kane, der unerfahrenen Kommunikationsspezialistin Lourdes und dem nerdigen Systemtechniker Nysus besteht, fliegt zum letzten Mal auf einer solchen Langzeit-Mission durchs All, um die Funkbohnen des Comm-Netzes zu warten. Nach dem Update wird das automatisch passieren, und auf die traumatisierte, regelmäßig von ihren Erinnerungen, Geistern und Dämonen eingeholte Claire wartet ein Schreibtischjob auf der für sie so beklemmenden Erde. Da jedoch empfangen Claire und Co. am Rand des Comm-Netzes, das die Menschheit zur Ausbreitung und Kommunikation im All nutzt, ein verwirrendes Notrufsignal aus der Schwärze.

Nach einer kurzen, hitzigen Debatte gehen sie dem Signal wider besseren Wissens nach, getrieben von Gier und anderen schlechten Entscheidungshilfen, und finden etwas völlig Unerwartetes: Das Wrack der Aurora, eines riesigen Luxuskreuzfahrtraumschiffes von der Erde, das vor zwanzig Jahren mit Riesen-Besatzung und Promi-Passagierliste spurlos verschwunden ist. Um sich nach altem Bergungsrecht die aus goldenen Wasserhähnen und anderem bestehende Beute zu sichern, setzen Claire und Voller auf die gespenstisch still wirkende Aurora über – und entdecken auf dem Geisterraumschiff die blutigen, schrecklichen Hinterlassenschaften vieler Gräueltaten. Und je länger Claire und die anderen an Bord des Sternen-Luxusliners bleiben, desto mehr Grauen breitet sich auch unter ihnen aus. Als hätte Claire nicht schon vorher genug Geister gesehen, genug mit Wahnsinn zu kämpfen …


S.A.Barnes. Foto © S.A. Barnes

Unter ihrem bürgerlichen Namen schrieb die Amerikanerin Stacey Kade bereits allerhand Romane für Erwachsene und Jugendliche: über eine Frau im Sog dunkler Geheimnisse und übler Männer, eine zum Geist gewordene Schülerin, ein Mädchen mit menschlich-außerirdischer DNA, und über verliebte Nachwuchsschauspieler. Mit Dead Silence“ (im Shop) hat Kade unter dem Pseudonym S. A. Barnes nun ihren ersten Science-Fiction-Horror-Roman vorgelegt. Darin setzt sie auf eine unzuverlässige Erzählerin, die weder sich, noch ihren Erinnerungen, ihrer Wahrnehmung oder ihrem Geisteszustand trauen kann, und daraus keinen Hehl macht. Und obwohl „Dead Silence“ gerade am Anfang ziemlich gut die zu erwartende, die erhoffte „Alien“-Atmosphäre (im Shop) für düstere SF und für Horror im Weltall bedient, geht der Roman dann doch in eine eigene Richtung, und sucht den Space-Grusel zwischen Geisterschiff und Geisteskrankheit.

Mit einer kaputten, unzuverlässigen und doch sympathischen Ich-Erzählerin, einer vertrauten Stimmung sowie einer guten Balance aus Mustertreue und Eigenständigkeit behauptet sich „Dead Silence“ in einem Subgenre mit recht festgefahrenen Elementen, Mustern, Tropen und Mechanismen. Keine schlechte Leistung, wenn man bedenkt, wie prägend „Alien“ in dieser Ecke der Science-Fiction war und ist.

S.A. Barnes: Dead Silence • Roman • Aus dem Amerikanischen von Michael Pfingstl • Heyne, München 2024 • 448 Seiten • Erhältlich als Paperback und eBook • Preis des Paperbacks: € 16,00 • im Shop

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Christian Endres berichtet seit 2014 als Teil des Teams von diezukunft.de über Science-Fiction. Er schreibt sie aber auch selbst – im Mai 2024 erscheint bei Heyne sein SF-Roman „Wolfszone“.

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