Unmusikalische Aliens
„Galaxy Tunes®“ von Rob Reid
Was selbst Hardcore-SF-Fans noch nicht über Außerirdische wussten: Sie sind derart schlecht in Musik, dass sie – als sie erstmals Radiosignale von der Erde empfangen – von den Melodien und Rhythmen schlichtweg überwältigt und hingerissen werden. Was heißt hingerissen: sie flippen regelrecht aus! Kein anderes Volk in den bekannten Galaxien erzeugt solche Klänge wie die Menschen, und Aliens sonder Zahl werden zu begeisterten, ja geradezu süchtigen Hörern unserer Produktionen. Was sofort auch zu Downloads führt. Nicht nur in der Größe von Mega- oder Gigabytes. Nein, die Downloadmenge nimmt geradezu interplanetare Ausmaße an. Und sie steigt, denn mehrere Völker hängen schon am Tropf, ohne dass die Erdlinge es überhaupt mitbekämen. Das geht natürlich nur so lange gut, bis eine galaktische Kontrollbehörde sich fragt: Ist das eigentlich legal, was wir da tun? Stehen den Erzeugern dieser Musik nicht eigentlich Tantiemen zu? Und wenn ja: Wieviel Kosten haben sich seit dem ersten Download bereits angesammelt? Man rechnet nach und siehe da: die Abgeltungen lägen in wahrlich astronomischer Höhe. Was tun, fragt man sich, denn kein Volk der Galaxis hat ausreichend Rücklagen, um die gewaltige Schuld gegenüber den Bewohnern des blauen Planeten zu begleichen (die noch immer nichts von alldem ahnen)? Und so kommt man überein, dass es wohl das Sinnvollste wäre, die Erde einfach zu vernichten.
Eine Grundidee, die so frappant an Douglas Adams erinnert, dass sogar der Klappentext diesen Roman ein „Per Anhalter durch die Galaxis“ (im Shop) für die Apple-Generation nennt. Das trifft’s ziemlich gut, denn auch der Protagonist scheint direkt dem Adams-Universum entsprungen: Nick Carter ist der klassische Antiheld und rutscht in das Abenteuer seines Lebens überhaupt nur aus zwei Gründen hinein: Erstens ist er Anwalt für Urheberrecht (und wird deshalb von einer außerirdischen Delegation kontaktiert, um vielleicht doch noch eine gütliche Einigung zu erzielen, bevor es zur Apokalypse kommt). Zweitens heißt er zufällig wie einer der Backstreet Boys (einen solchen McGuffin muss ein Autor erst einmal wagen!) und wird von den Aliens prompt für seinen Namensvetter gehalten – der wiederum (natürlich ohne es zu wissen) zu einem der beliebtesten Musiker der Milchstraße avanciert ist. Mit dem falschen Boyband-Sänger brechen sie Hals über Kopf auf (wenigstens trägt er keinen Bademantel) zu fernen Welten, die nie zuvor ein Urheberrechtsjurist betreten hat …
So absolut unwahrscheinlich und irre die ganze Geschichte klingt – sie macht dennoch unheimlich Spaß beim Lesen. Rob Reid, der nicht etwa Jus oder PR studierte (sondern Arabisch und Internationale Beziehungen, nun ja), schreibt derart pointiert und dreist drauf los, dass sogar Douglas-Adams-Jünger ihm verzeihen dürften, mit wie viel Chuzpe er das große Vorbild imitiert. Manche Witze sind so platt, dass sie schon wieder gut sind – etwa wenn Nick Carter einen männlichen Alien mit irisch-rotem Haar insgeheim O’Sama nennt. Oder wenn eine weibliche Außerirdische enigmatisch erklärt, warum man über einen Falz in der Raumzeit teleportieren könne: „Das Universum ist plissiert.“
„Galaxy Tunes®“ (im Shop) scheut sich weder vor Banalitäten (Nick will zum Beispiel nicht für einen Trottel gehalten werden, „der stundenlang an der Interpunktion einer SMS herumbastelt“) noch vor waghalsigen Vergleichen („Smoke on the water, dröhnte sie mit einer Stimme, die Zeus benutzen würde, wenn er für die Rolle des Satans in einem russischen Speed-Metal-Video vorsprach“) und positioniert sich in seiner von Web-ismen und Smartphone-Talk durchsetzten Sprache eindeutig und ohne schlechtes Gewissen in der heutigen Jugendkultur. Und hierin unterscheidet er sich nicht nur von der 80er-Jahre-Gymnasiasten-und-Studentenhumor-Diktion eines Douglas Adams, sondern führt sie nahtlos weiter in den „Humor 2.0“ des neuen Jahrhunderts.
Die ganze Geschichte trägt selbstredend nichts zum naturwissenschaftlichen Verständnis oder literarischem Hintergrund der Leser bei und sie erweitert deren Horizont höchstens um – allerdings sehr realistisch formulierte – Begriffe und Implikationen des Kampfes zwischen Gut (Common Property) und Böse (Urheberrecht). Die geschilderten fremden Welten sind so klischeehaft und bewusst einfach gehalten, dass man kein Hollywood-Budget bräuchte um sie zu visualisieren (die Mittel eines Schülertheaters würden vollauf reichen). Und schließlich suhlt sich der Roman auch noch in den Stereotypien seiner Charaktere (wirklich jede Figur scheint man schon aus irgendeinem Star Trek- oder Adams-Universum zu kennen) – und dennoch: gerade in seiner unverfrorenen Unbedarftheit gelang Rob Reid etwas, das nur wenige Autoren schafften: einen echten page turner zu schreiben, bei dem man sich ständig schmunzelnd fragt, welche Frechheit denn wohl als nächstes kommt. Wäre „Galaxy Tunes“ eine Facebook-Seite, würde ich ihr ein kopfschüttelndes „Like“ verpassen.
Rob Reid: Galaxy Tunes® • Wilhelm Heyne Verlag, München 2013 • 478 Seiten • € 9,99 (im Shop)
Kommentare
Das klingt nach einem witzigen Lesestoff für mich, danke für die Review!
Glaub mir, das ist es auch! Wer schon immer mal die verstörten Blicke anderer Menschen in der U-Bahn auf sich spüren wollte, weil man gerade Tränen lacht, sollte hier unbedingt zugreifen!